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VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.06.2011 - 1 K 362/11.F.A - asyl.net: M18967
https://www.asyl.net/rsdb/M18967
Leitsatz:

1. Wird einem Ausländer nach Erlass eines ablehnenden Asylbescheides mit Abschiebungsandrohung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, so wird die Abschiebungsandrohung dadurch nicht rechtswidrig, sondern - mangels Ausreisepflicht - gegenstandslos. In diesem Fall entfällt das Rechtsschutzbedürfnis an einer gegen die Abschiebungsandrohung erhobenen Anfechtungsklage.

2. Werden in der einschlägigen Rechtsprechung mit jeweils guten Gründen kontroverse Rechtsauffassungen vertreten, ohne dass sich feststellen lässt, welche der konfligierenden Ansichten den Vorzug verdient, so ist aus Gründen der Rechtssicherheit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Abschiebungsandrohung, Aufenthaltserlaubnis, Rechtsschutzinteresse, Rechtsschutzbedürfnis,
Normen: AsylVfG § 34 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Im Übrigen ist die Klage nicht (mehr) zulässig. Durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat die Abschiebungsandrohung ihre Erledigung gefunden. Sie ist gegenstandslos geworden, so dass die Klägerin nicht mehr geltend machen kann, dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Der Umstand, dass der Klägerin nach Erlass des angefochtenen Bescheides eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, führt nicht dazu, dass die Abschiebungsandrohung rechtswidrig geworden ist. Zwar kann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Dies war jedoch zum Zeitpunkt des Erlasses der Abschiebungsandrohung noch nicht der Fall, weil die Klägerin die Aufenthaltserlaubnis erst am 28.06.2011 erhalten hat. Die nach Erlass des hier angefochtenen Bescheides erteilte Aufenthaltserlaubnis führt zur Gegenstandslosigkeit der Abschiebungsandrohung und nicht zu ihrer Rechtswidrigkeit.

Das Gericht verkennt nicht, dass in der Rechtsprechung gegen diese Auffassung gewichtige Argumente ins Feld geführt worden sind. So wird insbesondere geltend gemacht, dass die Abschiebungsandrohung einen unzutreffenden Rechtsschein bezüglich der Ausreisepflicht entfalte und auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei (VG Ansbach, Urt. v. 17.05.1996 – 11 K 95.37519 –, juris; VG Würzburg, Urt. v. 23.02.1999 – W 7 K 98.31488 –, juris; OVG Münster, Urt. v. 25.02.1999 – 8 A 1166/98.A–, juris). Das Gericht folgt jedoch der Auffassung, dass mit Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung die Ausreisepflicht der Klägerin entfallen ist, deren Vollstreckung durch die Abschiebungsandrohung vorbereitet werden sollte. Mit der Ausreisepflicht ist auch die Grundlage der Abschiebungsandrohung entfallen und für eine neu entstehende Ausreisepflicht kann die erledigte Abschiebungsandrohung nicht mehr genutzt werden. Durch einen von der Abschiebungsandrohung weiterhin ausgehenden irrigen Rechtsschein ist die Klägerin nicht beschwert, weil der Vollzug einer von der Beklagten verfügten Abschiebungsandrohung durch die Ausländerbehörde erfolgen müsste, also durch jene Behörde, die die Aufenthaltsgenehmigung erteilt hat und der gegenüber deshalb ein Irrtum über die Rechtslage nicht erzeugt werden kann (VG Gießen, Urt. v. 19.08.1997 – 7 E 32884/96.A –, juris; BVerwG, Urt. v. 21.09.1999 – 9 C 12/99 –, juris; OVG Münster, Beschluss v. 04.08.2003 – 8 A 2621/03.A –, juris; VG Dresden, Urt. v. 21.12.2004 – 4 A 30409/04.A –, juris).

Der erkennende Richter hält weder die letztgenannten noch die konträren Argumente für zwingend. Es lassen sich vielmehr mit guten Gründen sowohl die eine als auch die andere Auffassung vertreten. In einer solchen Situation gebietet es jedoch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen, deren Funktion darin besteht, für die Einheit der Rechtsauslegung und damit für Rechtssicherheit zu sorgen. Das Gericht folgt deshalb dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, zumal auch die jüngere Instanzrechtsprechung dem folgt. [...]