OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.05.2011 - 14 A 1049/11.A - asyl.net: M18972
https://www.asyl.net/rsdb/M18972
Leitsatz:

Eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise ist - vorbehaltlich besonderer Umstände ("Politmalus") - keine politische Verfolgung. Es liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass unpolitische Rückkehrer wie die Klägerin wegen der jüngst feststellbaren gewaltsamen Reaktionen des syrischen Staates gegen politisches Aufbegehren einer erhöhten Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wären.

Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Syrien, politische Verfolgung, Asylrelevanz, Änderung der Sachlage, staatenlos, Kurden
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1, AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) nicht vorliegt. [...]

Nach diesen Maßstäben kommt den aufgeworfenen Fragen grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Frage

"Gilt die obergerichtlich gefestigte Annahme, dass allein die illegale Ausreise aus Syrien und die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland im Falle der Rückkehr des Ausländers nach Syrien keine asylrelevante Verfolgung nach sich zieht, auch für den Fall, dass es sich um einen 'Wiederholungstäter' handelt, also um eine Person, die bereits in der Vergangenheit illegal aus Syrien ausgereist ist und deshalb bereits inhaftiert worden ist?"

ist nicht klärungsbedürftig, da sie ohne Weiteres auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens zu beantworten ist. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Annahme, die Bestrafung wegen Verstoßes gegen die Ausreisevorschriften stelle keine politische Verfolgung dar, hängt nicht davon ab, ob es sich um einen Ersttäter oder um einen Wiederholungstäter handelt. Ob eine Bestrafung politische Verfolgung darstellt, bemisst sich danach, ob die Maßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll, was anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (335)).

Eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise gehört – vorbehaltlich besonderer Umstände ("Politmalus") - dazu nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 -, BVerwGE 81, 41).

Die Asylrelevanz lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin als staatenlose Kurdin über keinen Pass verfüge. Eine politische Verfolgung läge dann nämlich in der Bestrafung illegaler Ausreise allenfalls dann vor, wenn die Verweigerung einer Ausreiseerlaubnis bereits politische Verfolgung wäre. Das wird noch nicht einmal geltend gemacht.

Die weiter aufgeworfene Frage,

"Gilt die in obergerichtlicher Rechtsprechung gefestigte Annahme, dass allein die illegale Ausreise aus Syrien und die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland im Falle der Rückkehr des Ausländers nach Syrien nicht zu asylrelevanter Verfolgung führen, auch unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklung (Unruhen in Syrien) im Jahr 2011 noch?"

ist nicht klärungsbedürftig. Dafür nämlich, dass unpolitische Rückkehrer wie die Klägerin wegen der jüngst feststellbaren gewaltsamen Reaktionen des syrischen Staates gegen politisches Aufbegehren einer erhöhten Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wären, werden Erkenntnisse nicht benannt und sind auch nicht erkennbar. Insbesondere begründet dies nicht die Annahme der Klägerin, eine erhöhte Gefahr politischer Verfolgung bestehe deshalb, weil die syrische Regierung von einer ausländischen Steuerung des politischen Aufbegehrens ausgehe, so dass Rückkehrer aus dem Ausland besonders gefährdet seien. Es ist schon zweifelhaft, ob die syrische Regierung wirklich von dieser Annahme ausgeht oder dies nur zur Begründung ihrer Repressionsmaßnahmen vorschiebt. Jedenfalls ist die Annahme fernliegend, der syrische Staat erkenne in unpolitischen erfolglosen Asylbewerbern eine erhöhte Gefahr, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe. [...]