VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Urteil vom 16.06.2011 - 8 K 20163/10 Me - asyl.net: M19034
https://www.asyl.net/rsdb/M19034
Leitsatz:

Kein Abschiebungsschutz hinsichtlich Afghanistan.

1. Keine gezielte politische Verfolgung des Klägers. Sein Vater hat zwar für die Amerikaner gearbeitet, wurde auf dem Weg von der Arbeit nach Hause auf der Straße von Kandahar nach Kabul von den Taliban entführt und man hat von dem Kläger ein Lösegeld gefordert. Es ist aber davon auszugehen, dass der Vater nicht gezielt verfolgt wird und die Taliban lediglich Vorteile aus der Entführung des Vaters ziehen wollen; ein Interesse der Taliban am dem Kläger selbst ist nicht erkennbar.

2. Kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, da jedenfalls in Kabul derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt stattfindet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 ist es der afghanischen Armee und Polizei nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes gelungen, Zahl und Schwere der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle deutlich zu reduzieren.

3. Auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Im Raum Kabul ist die Sicherheitslage zwar fragil, sie wird jedoch vom UNHCR seit Mitte 2002 für freiwillige Rückkehrer als "ausreichend sicher" bezeichnet. Der Kläger hat auch Verwandte in einem Stadtteil von Kabul, in dem die Sicherheitslage gut ist. Auf die Hilfe seiner zahlreichen Verwandten in Kabul kann er in der Anfangszeit auch zur Existenzsicherung zurückgreifen.

Schlagwörter: Flüchtlingsanerkennung, Abschiebungsverbot, Afghanistan, politische Verfolgung, Verfolgungsgefahr, Sicherheitslage, Kandahar, Helmand, Kabul, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, extreme Gefahrenlage, Versorgungslage,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu. Er war vor seiner Ausreise nicht von landesweiter politischer Verfolgung betroffen und ihm droht eine solche im Sinne eines Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch nicht im Falle der Rückkehr in sein Heimatland.

Der Kläger beruft sich zur Begründung seines Asylbegehrens darauf, dass sein Vater auf dem Weg von seinem Arbeitsplatz in Kandahar nach Kabul von den Taliban festgenommen und entführt wurde. Für die Freilassung seines Vaters habe man von ihm verlangt, dass er in der Nähe der Sicherheitskräfte eine Bombe lege.

Dieser Vortrag des Klägers ist glaubhaft, führt jedoch nicht zu der Annahme einer politischen Verfolgung im oben genannten Sinne, da die Taten nicht wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung gegen den Kläger gerichtet waren. Der allgemeinen Auskunftslage (AA, Lagebericht vom 09.02.2011, S. 13 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update "Die aktuelle Sicherheitslage" vom 11.08.2010, S. 9; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: "Anschläge auf Zivilisten auf der Strasse von Kabul nach Kandahar im Jahr 2008" vom 29.11.2010) ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage im Süden Afghanistans zu den schlechtesten gehört. In den Provinzen Helmand und Kandahar finden über 90 % aller sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land statt (AA, Lagebericht vom 09.02.2011, S. 14). Im April 2010 hat sogar die UNO als Reaktion auf die steigende Gewalt dort ihre ausländischen Mitarbeiter vorübergehend aus der Provinz Kandahar abgezogen; Norden, Osten und Westen der Provinz befinden sich de facto unter der Kontrolle der Taliban. (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 11.08.2011). Besonders prekär ist die Sicherheitslage auf der Straße zwischen Kabul und Kandahar. Sie wurde von der Agence France-Presse im Jahr 2008 als die gefährlichste Straße Afghanistans bezeichnet. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe, die zu der Sicherheitslage auf dieser Straße eine eigene Auskunft erarbeitet hat (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: "Anschläge auf Zivilisten auf der Strasse von Kabul nach Kandahar im Jahr 2008" vom 29.11.2010) führt dazu folgendes aus:

"Reisende werden von Banditen und bewaffneten Gruppen gejagt, entführt und manchmal getötet. Auch die Gefahr, zwischen die Fronten der Sicherheitskräfte und der Taliban zu geraten, ist groß. Doch die Straße ist die Hauptverkehrsverbindung und kann nicht umgangen werden. Im Jahr 2003 weckte der Bau der Straße von Kabul nach Kandahar große Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Afghanistan. Doch im Jahr 2008 hat sich Sicherheitslage auf der Hauptstrasse Afghanistans, die von Kabul nach Kandahar und von da nach Herat führt, drastisch verschlechtert. Vor allem die fast 500 km lange Strecke von Kabul nach Kandahar, bekannt als Highway One, wurde zum Symbol der Gefahr durch die Taliban und die regierungsfeindlichen Gruppen: Reisende wurden entführt und getötet. Insbesondere Personen, die mit der Regierung, Hilfsorganisationen oder "mit dem Westen" in Verbindung stehen, wurden gezielt angegriffen. Entführte Personen wurden zuweilen nach der Bezahlung hoher Lösegeldsummen in Kabul wieder freigelassen."

Daraus ist zu schließen, dass für jeden, der die Straße zwischen Kabul und Kandahar passiert, eine hohe Gefahr besteht, Opfer von Übergriffen zu werden. Der Vater des Klägers hat zwar nach dessen Angaben für die Amerikaner gearbeitet, unterlag also nach obigen Ausführungen einer erhöhten Gefahr bei einer Fahrt über diese Straße. Er hat - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat - diese Fahrten regelmäßig mit einem Bus unternommen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat in der o. g. Auskunft vom 29.11.2010 auch mitgeteilt, dass Zeugen berichtet hätten, bewaffnete Männer würden regelmäßig Busse durchsuchen und Passagiere, die verdächtig sind, mit der Regierung in Verbindung zu stehen, entführen und töten. Es ist also davon auszugehen, dass der Vater des Klägers nicht gezielt verfolgt, sondern anlässlich eines solchen Überfalls auf einen Bus auffiel, womöglich weil er verdächtige Unterlagen wie die von ihm übersetzten Bücher dabei hatte. Ein gezielter Überfall war schon deshalb nicht möglich, weil der Vater nach den Angaben des Klägers nur unregelmäßig aus Kandahar heimkehrte, je nach dem wie der Arbeitsanfall war. Die Sicherheitslage an der Straße zwischen Kabul und Kandahar ist nach der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe jedoch insgesamt so schlecht, dass Reisende generell gefährdet sind, angehalten, entführt und getötet zu werden. Denn auf dieser Straße seien nicht nur die Taliban sondern auch andere kriminelle Gruppen aktiv, da Entführungen zu einem einträglichen Geschäft geworden seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: "Anschläge auf Zivilisten auf der Strasse von Kabul nach Kandahar im Jahr 2008" vom 29.11.2010, S. 5).

Es ist aus diesem Grund nicht davon auszugehen, dass auch der Kläger besonders gefährdet ist, Übergriffen von den Taliban ausgesetzt zu werden, weil sein Vater Opfer eines solchen Überfalls geworden ist. Zwar hat die Taliban versucht, ihn zu erpressen, jedoch nicht, um gezielt den Kläger zu verfolgen, sondern um Vorteile aus der Entführung des Vaters zu ziehen. Ein Interesse der Taliban an dem Kläger selbst ist nicht erkennbar.

Soweit der Kläger vorträgt, nach seiner Ausreise aus Afghanistan sei ein Flugblatt in der Nähe des elterlichen Hauses verteilt worden, aus dem sich ergebe, dass die Taliban seine ganze Familie ermordet habe, verhilft dies seiner Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Bedenken bestehen schon daran, dass das Flugblatt überhaupt dort verteilt wurde. Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass Reisende auf der Straße zwischen Kabul und Kandahar entführt werden, um deren Angehörige zu erpressen. Egal ob die Täter Lösegeld erpressen wollen oder einen Familienangehörigen zwingen wollen z. B. bei einem Anschlag für sie tätig zu werden, wie der Kläger hier vorgetragen hat, kann die Taliban keinen Nutzen aus der Entführung ziehen, wenn sie die Angehörigen ermordet- Eine Überprüfung der Echtheit des Flugblattes ist nicht möglich, da der Kläger kein Original, sondern lediglich ein Fax vorlegen konnte. Zudem hat der Kläger angegeben, dass seine Mutter das Haus verkauft hat und mit seinen Geschwistern zu ihrem Bruder ziehen wollte, so dass fraglich ist, ob die Taliban dort überhaupt noch Familienmitglieder des Klägers antreffen konnte. Selbst wenn man unterstellt, dass das Flugblatt echt ist, muss es als allgemeine Drohung der Taliban verstanden werden, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese zielgerichtet den Kläger wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgen.

Der schriftsätzlichen Anregung, Beweis dazu zu erheben, dass eine Person, die seitens einer terroristischen Organisation einer Verfolgungsmaßnahme ausgesetzt war, nirgendwo in Afghanistan sicher ist, war nicht nachzugehen, weil das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Kläger einer konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungsmaßnahme unterlag.

Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 - 5 AufenthG zur Seite. Weder besteht für ihn die konkrete Gefahr, der Folter unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG) noch droht ihm wegen einer Straftat die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Artikel 3 EMRK darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Für das Vorliegen einer solchen Gefährdungslage ist nichts ersichtlich.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor. Der Kläger muss nach seiner Rückkehr nicht befürchten, als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt zu werden. Dieses Abschiebungsverbot beruht auf Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie und ist durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (Richtlinienumsetzungsgesetz) in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Es bildet einen eigenständig, vorrangig vor dem verbleibenden nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende koordinierte Kampfhandlungen durchführen. Die Konfliktparteien müssen in der Lage sein, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. BVerwG, U. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360, InfAuslR 2010, 404).

Jedenfalls in Kabul findet derzeit ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht statt. Insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides vom 14.07.2010 verwiesen. Nach dem neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 09.02.2011 liegt die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich seit August 2008 in den Händen der afghanischen Armee und Polizei, der es nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 gelungen ist, Zahl und Schwere der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Gab es 2009 noch 8 Autobombenanschläge ,waren es 2010 nur noch 2. Man hat sogar bereits begonnen, Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zurückzubauen (S. 14 des Lageberichtes).

Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG leiten sich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielstaat ab und gelten damit ausschließlich für Gefahren, die mit der Abschiebung gerade in den Zielstaat verbunden sind. Sie erfassen jedoch nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60a AufenthG berücksichtigt. Eine solch allgemeine Gefahr unterfällt § 60 Abs. 7 AufenthG auch dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret bedroht Eine Ausnahme wird nur angenommen, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahr ausgeliefert würde. Das ist bei einer allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage der Fall, wenn der Ausländer alsbald nach seiner Rückkehr in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geraten würde, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann.

Eine solch extreme Gefahrenlage ist für den aus Kabul stammenden Kläger nicht gegeben.

Zwar ist die Situation in Afghanistan außerhalb von Kabul gefährlich. Auch im Jahr 2010 hat sich die Sicherheitslage weiterhin drastisch verschlechtert; im dritten Quartal 2010 ist die Zahl der Angriffe bzw. Anschläge gegenüber dem dritten Quartal 2009 um 59 % gestiegen. Auch die Zahl ziviler Opfer, die bei Angriffen und Anschlägen von Aufständischen, aber auch bei Einsätzen der ISAF-Truppen bzw. afghanischer Sicherheitskräfte ums Leben gekommen sind, ist 2010 deutlich gestiegen (vgl. amnesty international, Auskunft an den HessVGH vom 20.12.2010). Die regierungsfeindlichen Truppen richten ihre Anschläge mittlerweile auch auf gut gesicherte Ziele und haben sie sowohl geografisch ausgebreitet als auch qualitativ verbessert; die Nato-Grossoffensive im Süden des Landes gilt als gescheitert (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 11.08.2010, S. 4). Besonders im Süden, Südosten und Osten des Landes bekämpft die Anti-Terror-Koalition regelmäßig die radikal-islamistischen Kräfte, die aus dem pakistanischen Paschtunengürtel ständig nach Afghanistan einsickern. Es kommt laufend zu Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen und Hilfsorganisationen. Schon im Jahr 2007 ist es zu mehr- als 170 Selbstmordattentaten gekommen. In verschiedenen Teilen des Landes halten Kämpfe zwischen militärischen und politischen Rivalen sowie Stammesfehden an. Auch im Norden und Westen des Landes kommt es zu einer spürbaren Reinfiltration von Taliban-Angehörigen, was zu erheblichen Spannungen und interfraktionellen Kämpfen führt. Im Jahr 2005 wurden bei Gefechten und Anschlägen mehr als 1.600 Personen getötet (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan, Update vom 03.02.2006; AA, Lagebericht vom 07.03.2008).

Im Raum Kabul ist die Sicherheitslage ebenfalls fragil, wird jedoch vom UNHCR seit Mitte 2002 für freiwillige Rückkehrer als "ausreichend sicher" bezeichnet wird. Zwar finden wiederholt Selbstmordanschläge statt, die Taliban attackiert mit Feuergefechten öffentliche Gebäude und die Zahl der Kindesentführungen ist weiter hoch. Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung selber angegeben, dass er Verwandte in einem Stadtteil von Kabul hat, in dem die Sicherheitslage gut ist. Er kann darauf verwiesen werden, bei diesen Verwandten um Aufnahme zu bitten.

Eine extreme Gefährdungslage ist für die Kläger auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Versorgungslage im gesamten Land als katastrophal anzusehen ist. 2010 war Afghanistan zwar das zweitärmste Land der Welt; es sterben mehr Menschen an den Folgen der Armut als an denen der bewaffneten Konflikte. Im Jahr 2009 waren 7,3 Millionen Afghanen akut von Hungersnot bedroht, nur 22 % haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 11.08.2010, S. 16 f.). In Afghanistan sind jedoch zahlreiche supranationale, staatliche und private Hilfsorganisationen tätig, die sich bemühen, die Versorgung der notleidenden Bevölkerung sicher zu stellen. Dieses gelingt ihnen auf dem Land zwar nur völlig unzureichend, wie sich aus den insofern übereinstimmenden Auskünften zur Lage in Afghanistan ergibt. Die Lage in Kabul, woher der Kläger stammt, ist aber etwas besser. Zudem ist die Erntebilanz 2009 und 2010 besser ausgefallen und lag deutlich über dem langjährigen Mittel. Davon profitieren auch die Rückkehrer (AA, Lagebericht vom 09.02.2011, S. 29). Der Kläger kann in Kabul auf die Hilfe von zahlreichen Verwandten zurückgreifen. Vier seiner Onkel und deren Familien leben in Kabul und können den Kläger daher unterstützen. Wenn sie seine Mutter mit den drei jüngeren Geschwistern aufnehmen konnten, dürfte es diese Möglichkeit auch für den Kläger geben. Da diese Onkel nach den Angaben des Klägers als Maurer, Ladenbesitzer bzw. Taxifahrer tätig sind, ist davon auszugehen, dass sie dem Kläger in der Anfangszeit finanziell weiterhelfen können.

Kann der Kläger mithin bei seiner Rückkehr in Kabul auf ein familiäres und soziales Netzwerk zurückgreifen, droht ihm dort keine so extreme Gefahrenlage, dass ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden könnte. [...]