1. Die Kammer geht davon aus, dass in der Provinz Herat kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG herrscht.
2. Allgemeine Gefahren können aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG grundsätzlich die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht rechtfertigen. Eine verfassungskonforme Auslegung zur Durchbrechung der Sperrwirkung kommt nur bei einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. Eine solche Schutzlücke besteht nach der niedersächsischen Erlasslage nicht, nach welcher u.a. Rückführungen für Familien nicht vorgesehen sind. Im Übrigen läge auch keine extreme Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor. Nicht jeder Rückkehrer aus Europa muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer existenziellen Bedrohung rechnen. Ein bescheidenes Auskommen ist in Afghanistan durch einfache Tätigkeit nicht ausgeschlossen; eine bloße Mangelernährung genügt nicht und der Vortrag einer fehlenden Unterstützung durch Familie, Sippe oder Stamm oder internationale Organisationen muss substantiiert sein. Entsprechendes gilt für die Unterkunft.
[...]
Es besteht kein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. [...]
Die Frage, ob die derzeitige Situation in Afghanistan bzw. in der Herkunftsregion der Kläger die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, kann hier dahinstehen. Denn selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts besteht ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur dann, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben "im Rahmen" dieses Konflikts bzw. "infolge willkürlicher Gewalt" i.S.d. Art. 15 lit. c) der Qualifikationsrichtlinie ausgesetzt ist und nicht Schutz in einem anderen Landesteil finden kann. Eine solche Gefahr lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. [...]
Gefahrerhöhende Umstände im o.g. Sinne oder aber im Sinne einer politischen Orientierung oder Aktivität in der Person der Kläger liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Sie sind angesichts der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Kläger auch nicht ersichtlich.
Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der drohenden Gefahren ergeben. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach Auffassung der Kammer nicht feststellen.
Die Kammer geht bereits davon aus, dass in der Provinz Herat kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im oben bezeichneten Sinne herrscht.
Nach den Berichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 9. Februar 2011 variiert die Sicherheitslage regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Während im Süden und Osten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen. Der Norden und Westen des Landes gehört zu den vergleichsweise befriedeten Gebieten der Region. In der Provinz Herat konzentrieren sich Angriffe Aufständischer, vor allem aber krimineller Banden, auf schwach besetzte Posten der afghanischen Polizei im Grenzgebiet (vgl. auch Urteil der Kammer vom 16.6.2209 - 5 A 48/09 - zitiert nach juris - für die Sicherheitslage bis Juni 2009).
Auch Abschiebungshindernisse nach nationalem Recht aufgrund der allgemeinen Lage in Afghanistan gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.
Allgemeine Gefahren können aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 -). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht {vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 -, a.a.O.). Eine solche Schutzlücke besteht indes nach der Erlasslage nicht.
Das Land Niedersachsen hat durch Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 9. Juni 2005 (Az.: 45.31-12231/3-6 AFG; Nds. MBl. 2005, S. 496) den zum 30. Juni 2005 ausgelaufenen Abschiebungsstopp nicht verlängert und Rückführungen ab dem 1. Juli 2005 für folgende Personengruppen vorgesehen: [...]
Danach sind Rückführungen für Familien nicht vorgesehen.
Im Übrigen läge auch eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Allgemeine Gefahren können aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.10 - juris -).
Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die die Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extremen Gefahrenlage vorliegen würde. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 9 f.> m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.10 - juris -).
Das Vorliegen einer derartigen extremen Gefahrenlage mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit kann nach Überzeugung der Kammer nicht angenommen werden.
Ausweislich der Lageberichte des Auswärtigen Amts (vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010 und zuletzt vom 9.2.2011) stellt sich die Sicherheitslage (auch außerhalb bewaffneter Konflikte) regional sehr unterschiedlich dar. [...] Die Wirtschaftslage ist weiterhin desolat. Allerdings hat ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung in manchen Städten wie Kabul und Herat eingesetzt. Erste Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen sind eingeleitet. [...]
Der UNHCR (Stellungnahme vom 30.11.2009 an BayVGH) hält die Voraussetzungen für eine Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Europa derzeit weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit noch im Hinblick auf die Versorgungslage als gegeben. Danach sollten solche Personen nicht zur Rückkehr gezwungen werden, die sich in einer schwierigen Situation befinden, etwa weil sie mittellos und ohne Land sind oder aber weil sie in dem von Familien- und Stammesverbänden geprägten Afghanistan ohne Unterstützung durch ihre Familie auskommen müssten; es wurden bestimmte Hauptgruppen mit besonderem Schutzbedarf aufgelistet, die aus humanitären Gründen nicht zurückkehren sollten.
Nach Ansicht von Amnesty International sei dort die Sicherheitslage als prekär und desolat und die Versorgungslage als hochproblematisch zu bezeichnen [...]. Nach Auffassung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Updates vom 11.8.2010), hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan das fünfte Jahr in Folge verschlechtert. Die Gewaltakte seien um 40 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. [...]
Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme der Dr. Karin Lutze vom 08.06.2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestand bis Ende 2010 für Rückkehrer aus Deutschland im Rahmen des Programms "Return to employment in Afghanistan" (REA) die Möglichkeit, an Kursen in Bereichen wie Computer und Englisch, Tischler, Klempner usw. teilzunehmen. [...] Allerdings erwirtschafteten rund 80 % aller erwerbsfähigen Afghanen ihr Einkommen in der Landwirtschaft, nur 6 % seien im industriellen sowie 14 % im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Außerdem sei der Bedarf für Fachkräfte im Bereich der afghanischen Privatwirtschaft mit der Intensivierung der privaten Investitions- und Geschäftstätigkeit gestiegen. Allerdings seien 90 % der ausgeschriebenen Stellen explizit für höhere Qualifikationen im Wirtschafts- und Technologiebereich vorgesehen. Da in den meisten Branchen das Prinzip hire and fire gelte, sei eine dauerhafte Beschäftigung eher selten. Es sei daher davon auszugehen, dass für einen nicht oder gering qualifizierten Rückkehrer ebenso wie für einen einheimischen Arbeitsuchenden mit diesen Voraussetzungen geringe Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung mit geregeltem Einkommen bestünden (Seite 8 des Gutachtens). Allerdings sei das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs zu ermöglichen.
Die Gutachterin weist auch darauf hin, dass von den 3.000 Rückkehrerfällen in den vergangenen 10 Jahren kein Fall bekannt geworden sei, die aufgrund von Hunger oder Unterernährung verstorben seien. Allerdings sei die Überlebens- und Versorgungschance bei chronischen Krankheiten weiterhin als schlecht einzuschätzen.
Nach alledem kann trotz der dargestellten überaus schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, soweit letztere durch einen bewaffneten Konflikt bedingt ist, ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa mit einer existenziellen Bedrohung rechnen müsste. Eine Einzelfallprüfung führt hier auch nicht dazu, dass nach Würdigung der Auskunftslage selbst ein bescheidenes Auskommen in Afghanistan durch einfache Tätigkeit ausgeschlossen wäre, eine bloße Mangelernährung genügt nicht und der Vortrag einer fehlenden Unterstützung durch Familie, Sippe oder Stamm oder internationale Organisationen muss substantiiert sein (BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 a.a.O.). Entsprechendes gilt für eine Unterkunft.
Auch eine Rückkehr in die Herkunfts-/Heimatregion in Afghanistan ist zumutbar. Nach Auskunftslage setzt die Rückkehr in eine Gegend Afghanistans grundsätzlich voraus, dass diese in einen Familien- oder Stammesverband erfolgen kann, wobei dieser traditionell weit zu verstehen ist, weil wegen Fehlens staatlicher Sicherungssysteme nur ein solcher eine soziale Absicherung zu bieten vermag (ständige Lageberichterstattung des Auswärtigen Amtes). [...]