VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 02.02.2011 - 5 K 977/10.TR - asyl.net: M19043
https://www.asyl.net/rsdb/M19043
Leitsatz:

Keine landesweite Verfolgungsgefahr für Hindus in Afghanistan.

Schlagwörter: Flüchtlingsanerkennung, Afghanistan, Hindu, religiöse Verfolgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe von § 60 Abs. 1 AufenthG. Wie bereits die Beklagte in ihrem Bescheid ausführlich dargestellt hat, kann der Kläger eine asylrechtlich relevante Vorverfolgung vor seiner Ausreise nicht darstellen. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführt hat, haben er sowie seine Familienangehörigen in seinem Heimatland ein - vergleichsweise - unauffälliges Leben geführt. Der Kläger ist nach eigenen Angaben keiner Arbeit nachgegangen. Seine Familienangehörigen waren - mit Ausnahme des Vaters, der einer Arbeit nachgegangen ist - zu Hause. Auch die Entführung der Schwester kann dem Kläger nicht als eigene Vorverfolgung zugerechnet werden. Dabei ist zunächst zu sehen, dass es sich bei der Entführung ganz augenscheinlich nicht um eine staatliche Maßnahme gehandelt hat. Nach Mitteilung des Klägers und seiner Familienangehörigen sollen für die Entführung vielmehr Taliban bzw. Mudjaheddin verantwortlich zeichnen. Die Entführung kann somit nicht dem afghanischen Staat zugerechnet werden. Im Übrigen ist nicht zu sehen, dass die angebliche Entführung an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG, wie etwa die Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, angeknüpft hat. Wie der Kläger und seine Familienangehörigen in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt haben, gibt es für die Entführung überhaupt keine Zeugen. Es ist von daher eine politische Motivation der Entführung nicht erkennbar.

In Übereinstimmung mit der Beklagten geht das Gericht auch davon aus, dass eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatland unwahrscheinlich ist. Insbesondere führt auch nach Ansicht des Gerichts die Zugehörigkeit des Klägers zur Gemeinschaft der Hindus allein nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid hierzu bereits umfangreiche Ausführungen gemacht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dort angestellten Erwägungen Bezug genommen. Ergänzend ist noch auf den jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27. Juli 2010 hinzuweisen. Der Lagebericht führt auf Seite 22 aus, dass seit 2006 keine Fälle von religiöser Verfolgung oder Diskriminierung gegen Hindus mehr bekannt geworden seien, während es zuvor mitunter zu Handlungen gekommen sei, die sich gegen die Ausübung ihrer religiösen Sitten und Gebräuche gerichtet hätten. Weiterhin berichtet der Lagebericht von einer religiösen Feier im April 2010. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich Hindu und Sikh-Gemeinden erstmals seit vielen Jahren mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan wieder bemerkbar gemacht. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul sei Medienberichten zufolge, die die Botschaft für belastbar halte, ungehindert und friedlich verlaufen. Dem vorgenannten Lagebericht kommt nach Überzeugung der Kammer erhebliches Gewicht zu. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Gutachten und Auskünfte datieren demgegenüber aus dem Jahre 2006. Den vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Unterlagen lassen sich daher aktuelle Informationen nicht entnehmen. Das Gericht misst daher dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes höheren Beweiswert bei. Aufgrund der vorgenannten Informationen kann sich das Gericht keine Überzeugung davon verschaffen, dass Hindus landesweit einer politischen Verfolgung ausgesetzt sind. [...]