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OLG Bremen

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Zitieren als:
OLG Bremen, Beschluss vom 25.02.2011 - 4 UF 108/10 - asyl.net: M19075
https://www.asyl.net/rsdb/M19075
Leitsatz:

Von einer Umgangsregelung darf nicht deswegen abgesehen werden, weil der Kindesvater abgeschoben wurde, da damit dem Kindesvater praktisch der Umgang mit seiner Tochter versagt würde.

Schlagwörter: Abschiebung, Kindesvater, Vater, Kindsvater, Umgangsrecht, Umgangsregelung, Kindeswohl, Wiedereinreise,
Normen: BGB § 1684 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

II.

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bremen vom 26.02.2010 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG). Sie hat in der Sache auch Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann wegen der Abschiebung des Kindesvaters von einer Umgangsregelung nicht abgesehen werden, weil damit dem Kindesvater praktisch der Umgang mit seiner Tochter versagt würde. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht für längere Zeit einschränkt oder ausschließt kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 2 BGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Regelung des dem Kindesvater grundsätzlich zustehenden Umgangsrechts kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Kindesvater derzeit die Möglichkeit hat, sein Umgangsrecht wahrzunehmen, da nicht auszuschließen ist, dass dem Kindesvater die besuchsweise Einreise zur Wahrnehmung von Umgangsterminen mit seinem Kind nach Deutschland dann ausländerrechtlich erlaubt wird, wenn er geltend machen kann, umgangsberechtigt zu sein (vgl. BVerfG, FamRZ 2003, 1082 ff). Der Kindesvater kann nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Frage seines künftigen Aufenthalts zu klären, da für abgeschobene Ausländer ein generelles Verbot der Wiedereinreise nach Deutschland gilt. Daran ändert auch die Elternschaft zu einem deutschen Kind nichts. Dem Kindesvater wird eine Einreise nach Deutschland allenfalls dann gestattet werden, wenn er geltend machen kann, umgangsberechtigt zu sein. Denn familiäre Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, sind bei der Entscheidung über ausländerrechtliche Maßnahmen im Einzelfall zu beachten (BVerfG, a.a.O.) – d.h. ohne eine Umgangsregelung wird dem Kindesvater die Chance auf Erteilung einer Einreiseerlaubnis genommen und damit ein Umgang mit seiner Tochter unmöglich gemacht.

Ob dem Kindesvater nach einer gerichtlichen Umgangsregelung die Einreise auch tatsächlich erlaubt werden wird oder nicht, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang, da es im vorliegenden Verfahren ausschließlich um die Frage geht, ob dem Kindesvater unter Berücksichtigung des Kindeswohls Umgangskontakte zu gestatten sind.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Umgangsregelung zur Wiederanbahnung des Kontakts zwischen Vater und Kind nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist, weil keine Gewähr dafür besteht, dass der Prozess der Wiederanbahnung auch zu Ende geführt werden kann. Denn in keinem Umgangsverfahren, in dem begleitete Umgangskontakte angeordnet werden, hat man die Gewähr dafür, dass diese nicht wieder abgebrochen werden. Folgte man der Argumentation des Familiengerichts, wären die Familiengerichte in Verfahren, in denen von vorneherein Schwierigkeiten bei der Durchführung begleiteter Umgangskontakte zu befürchten sind, gehindert, eine Umgangsregelung zu treffen.

Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung liegen hier nicht vor, so dass weder eine Einschränkung noch ein Ausschluss des Umgangsrechts in Betracht kommt. Das Jugendamt, das zunächst keine Bedenken gegen Umgangskontakte hatte, spricht sich jetzt zwar gegen begleitete Umgangskontakte aus. Es hat allerdings nicht erläutert, warum es meint, dass seltene Besuchskontakte aus “entwicklungpsychologischer Sicht“ für das Kind nicht förderlich sein sollen. Auch der Einwand des Jugendamtes, dass zweimalige Kontakte im Jahr zu Irritationen bei dem Kind führten, überzeugt nicht. Zum einen lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie L. auf Kontakte mit dem Kindesvater reagieren wird, zum anderen führen etwaige Irritationen nicht schon zu einer Kindeswohlgefährdung.

Entgegen der Annahme der Kindesmutter spricht gegen begleitete Umgangskontakte auch nicht der Umstand, dass sie einen neuen Partner hat, den L. nach ihren Angaben als Vater ansieht. Denn selbst wenn ihr Partner bei L. eine Vaterstellung eingenommen hat, rechtfertigt dies noch nicht, dem Kindesvater den Umgang mit seiner Tochter zu versagen. Im Übrigen übersieht die Kindesmutter dabei, dass das Recht auf Umgang nicht nur dem Kindesvater, sondern auch ihrer Tochter zusteht.

Die Kindesmutter kann im Rahmen des Umgangsverfahrens auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der Kindesvater bislang keinen Unterhalt gezahlt hat. Würde man fehlende Unterhaltsleistungen bzw. Unterhaltspflichtverletzungen des Umgang begehrenden Elternteils als Ausschlussgrund ausreichen lassen, wie die Kindesmutter offensichtlich meint, wäre einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von im Bundesgebiet lebenden Vätern der Umgang mit ihren Kindern zu versagen.

Da keine Umstände ersichtlich sind, die für einen Ausschluss des Umgangsrechts des Kindesvaters sprechen könnten, bedarf es der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens – wie von der Kindesmutter angeregt - nicht. [...]