VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 08.06.2011 - A 1 K 1220/10 - asyl.net: M19100
https://www.asyl.net/rsdb/M19100
Leitsatz:

Die medizinisch-psychologische Diagnose einer psychoreaktiven Störung (hier. PTBS mit komorbider Depression) setzt nicht voraus, dass das auslösende Geschehen zuvor nachgewiesen wurde. Sie liefert aber wichtige Hinweise auf dieses Geschehen und gibt zur gerichtlichen Klärung Anlass. Kann das traumatische Ereignis in seiner konkreten Gestalt, wie es für die Frage der Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft in der Regel relevant ist, nicht geklärt werden ("non liquet"), trägt der Asylbewerber die Beweislast. Es kann dann auf der Grundlage der medizinischen Erkenntnisse gleichwohl bei der Tatsache einer Krankheit bleiben, die zumindest einen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfordert.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Depression, Posttraumatische Belastungsstörung, traumatisches Ereignis, Beweislast, Flüchtlingsanerkennung, Nigeria, psychische Erkrankung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7, AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

I. Der Hauptantrag der Klägerin bleibt erfolglos. Sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. §§ 2 und 3 AsylVfG).

1.) Geht es um die Wahrheitsfindung im Hinblick auf das Vorbringen eines Ausländers, der politische Verfolgung geltend macht, ist zu beachten, dass er sich typischerweise in Beweisnot befindet, soweit es sein individuelles Verfolgungsschicksal betrifft ("Zeuge in eigener Sache"). Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Sofern die tatrichterliche Würdigung des individuellen Verfolgungsvorbringens des Asylbewerbers wesentlich von seiner Glaubwürdigkeit abhängt, wird vom Gericht hierüber in aller Regel nur nach einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers entschieden werden können (BVerwG, Beschl. v. 10.5.2002 - 1 B 392/01 - InfAuslR 2003, 28). Den Asylbewerber trifft nach § 86 Abs. 1 Satz 1, zweiter Halbsatz VwGO die Mitwirkungspflicht, seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung in stimmiger, schlüssiger und wirklichkeitsnaher Form vorzutragen (vgl. nunmehr auch Art. 4 der RiL 2004/83/EG sowie bereits bislang BVerfG, Kammerbeschl. v. 7.4.1998 - 2 BvR 253/96 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.6.1998 - A 14 S 1178/98 -, NVwZ 1998, 110).

a.) Von einer asyl- bzw. flüchtlingsschutzrelevanten Bedrohung der Klägerin aufgrund von Erlebnissen vor ihrer Ausreise aus Nigeria konnte sich das Gericht nicht überzeugen. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht zu einer Darstellung ihrer Fluchtgründe imstande. Bereits von Beginn an erheblich verlangsamt in ihren Reaktionen und Äußerungen sowie mit auffällig abwesenden Blickbeziehungen zu den anwesenden Beteiligten, geriet sie bereits nach kurzer Zeit, ohne dass Fragen zu unmittelbarem traumatischem Erlebnishintergrund gestellt worden wären, in Schweißausbrüche und Panik und musste schließlich im Wege erster Hilfe behandelt werden. Auf der Grundlage der Atteste vom 27.7.2010 und 1.6.2011 der die Klägerin seit November 2009 regelmäßig behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. sowie der im August/September 2010 über 3 Tage mit insgesamt 11 Stunden erfolgten psychodiagnostischen Untersuchung der Klägerin durch die Psychologische Forschungs- und Modellambulanz für Flüchtlinge der Universität K. (vgl. Untersuchungsbericht vom 28.9.2010 der Dipl. Psychologin Frau S.) muss bei der Klägerin von einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gemäß ICD 10 bzw. DSM-IV ausgegangen werden, die sich durch dissoziative und halluzinative Zuspitzungen kompliziert. Ferner leidet die Klägerin an einer komorbiden leichten Major Depression und weist ein mindestens mittelschwer ausgeprägtes Suizidrisiko auf. Die fachlichen Stellungnahmen genügen formalen Anforderungen. Sie lassen erkennen, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Sie enthalten ferner Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich die Klägerin in Behandlung bzw. Untersuchung befunden hat und setzen sich damit auseinander, ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Schließlich geben sie Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (vgl. im Kontext des Beweisantragsrechts: BVerwG, Urt. v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 - NVwZ 2008, 330; dezidiert dazu, dass es für psychotraumatologische Fachfragen keine eigene Sachkunde der Behörde oder des Gerichts gibt: VG Stuttgart, Urt. v. 14.1.2008 - A 11 K 4941/07 - InfAuslR 2008, 323). An einer psychoreaktiven Erkrankung zweifelt das Gericht auch sonst nicht, nachdem es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erlebt hat.

Die medizinisch-psychologische Exploration spricht zwar dafür, dass die Klägerin ein krankheitsauslösendes Trauma erlebt hat. Eine Simulation kann danach hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Nicht verlässlich indessen belegen die fachlichen Stellungnahmen der Psychiaterin und der Psychologin, dass es spezifisch oder zumindest wesensmäßig ein oder mehrere Traumata der behaupteten Art (Verfolgung und mehrfache Misshandlung/Vergewaltigung im Zusammenhang mit Christen-Moslem-Konflikt) waren. Durch sorgfältige medizinische und psychologische Erhebungen können zwar psychische Traumafolgen anhand typischer körperlicher Spuren und psychischer Reaktionen festgestellt und diagnostiziert werden. Medizinisch-psychologische Gutachten können indessen keine Klärung des objektiven Ablaufs dieser Verursachung im Sinne einer Verlagerung der gerichtlichen Beweisaufnahme in die heilberufliche Untersuchung leisten. Aus der Symptomatik einer Traumafolgestörung kann nicht auf den objektiven Ablauf eines Traumas geschlossen werden, zumal viele Traumata sich der genauen Abklärung entziehen. Die Diagnose einer auf äußerer Einwirkung und Schädigung beruhenden körperlichen oder seelischen Störung setzt folglich nicht voraus, dass diese Schädigung zuvor nachgewiesen wurde (Gierlichs < Die Überprüfung der Glaubhaftigkeit in aufenthaltsrechtlichen Verfahren>, ZAR 2010, 102 [104]; Soeder <Zur Beurteilung posttraumatischer Erkrankungen bei Migranten>, ZAR 2009, 314 [315]; Gierlichs u.a. <Grenzen und Möglichkeiten klinischer Gutachten im Ausländerrecht>, ZAR 2005, 158 [160]; Leonhardt/Foerster <Probleme bei der Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung>, MedSach 2003, 150 [151/152]; Koch, in: "Traumatisierte Flüchtlinge" Dokumentation der Fachtagung vom 26.04.2001 im Bundesamt, S. 59 [65]).

Die medizinisch-psychologischen Befunde sprechen in für die gerichtliche Überzeugung verlässlicher Hinsicht nur für eine erhebliche Traumatisierung der Klägerin vor oder im Zusammenhang mit ihrer Reise nach Deutschland. Dass diese psychoreaktiven Folgen jedoch durch eine - wie von der Klägerin vorgegeben - brutale Misshandlung und Vergewaltigung durch Moslems verursacht wurden, wird durch die fachlichen Stellungnahmen, auch wenn sie die Darstellungen der Klägerin für glaubhaft halten, nicht bewiesen und ferner sogar durch die sonstige Sachlage erheblich in Zweifel gestellt. Denn die vom Bundesamt beigezogenen Visumsunterlagen enthalten zahlreiche Details, die sich nicht mit der Schilderung der Klägerin in Einklang bringen lassen. So soll der hilfsbereite (wenngleich ebenfalls sexuell übergreifende) Soldat ("Mr. J.") das Visum in Lagos beantragt haben, während die Klägerin weiterhin in der Gegend von Bauchi gewartet haben soll. Unter dem Visumsantrag befindet sich aber eine Unterschrift, die überaus deutlich derjenigen entspricht, die die Klägerin auch in Deutschland abgegeben hat. Ferner sind dem Visumsantrag Unterlagen in Gestalt einer auf den Namen der Klägerin lautenden umfangreichen Kontoübersicht bei der Z. Bank in Lagos, eines Einladungsschreibens der Malayischen High Commission, einer Zimmerreservierung des Z. Hotels in Kuala Lumpur sowie eines Begleitschreibens einer als Arbeitgeber benannten Firma R. Concepts Ltd. aus Lagos beigefügt gewesen, die ebenfalls gegen die Geschichte der Klägerin sprechen. Schließlich ist auch ein erhebliches Fragezeichen dahinter zu setzen, ob es der Klägerin wirklich gelungen sein könnte, wichtige Personaldokumente wie Reisepass und Heiratsurkunde vor ihrer Verschleppung noch an sich zu nehmen (im Kleid zu verstecken), diese gar während der Gefangenschaft im Vergewaltigungslager der Moslems bei sich zu behalten und schließlich auch noch auf die Flucht mit zu nehmen.

In der Gesamtschau geht das Gericht davon aus, dass der für die Frage der Asyl- und Flüchtlingsrelevanz entscheidende Grund der Traumatisierung sich nicht verlässlich im Sinne der Angaben der Klägerin oder zumindest wesensgleicher Ereignisse feststellen lässt, und zwar selbst dann nicht, wenn basierend auf den Beweismitteln des Visumsverfahrens Nachforschungen zur Person der Klägerin in Lagos und in Bauchi angestellt würden. In dieser Situation trägt die Klägerin die (objektive) Beweislast für die Voraussetzungen ihres Hauptantrags. [...]

II. Der Hilfsantrag ist teilweise erfolgreich. [...]

2.) Der zweite, auf Feststellung eines nationalrechtlichen Abschiebungsverbots gerichtete Hilfsantrag endlich ist indessen erfolgreich. Die Klägerin hat zumindest einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (BVerwG, Beschl. v. 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, juris <Depression>; Beschl. v. 3.11.2006 - 1 B 146/06 -, juris <Diabetes mellitus>; Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - NVwZ 2007, 712 <Sarkoidose>; Urt. v. 29.7.1999 - 9 C 2.99 - juris <Diabetes mellitus und Immunthrombozytopenie>; Urt. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, juris <angeborener Herzfehler/Vorhofseptumdefekt>; Urt. v. 9.9.1997 - 9 C 48.96 - InfAuslR 1998, 125 <dialysepflichtige Niereninsuffizienz>). Ein strengerer Maßstab gilt ausnahmsweise nur dann, wenn zielstaatsbezogene Verschlimmerungen von Krankheiten als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu qualifizieren sind. Dies kommt allerdings bei Erkrankungen nur in Betracht, wenn es - etwa bei Aids - um eine große Anzahl Betroffener im Zielstaat geht und deshalb ein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG besteht (BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen ist bei der Klägerin angesichts des singulären Charakters ihrer psychischen Erkrankung (zur Ätiologie bei der PTBS vgl. Foerster/Leonhardt <Diagnose und Differenzialdiagnose der posttraumatischen Belastungsstörung>, MedSach 2003, 145 [147/148: "multifaktorielles Bedingungsgefüge"]; Koch, a.a.O., S. 71 ff.) nicht davon auszugehen, deren Verschlimmerung bei Rückkehr stelle eine allgemeine Gefahr dar, die der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG unterliegt und nur im Falle einer extremen Zuspitzung zu einer Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt führt.

Der Klägerin droht im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) bei Rückkehr nach Nigeria eine erhebliche konkrete Gefahr für ihre Gesundheit. Die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangt die Erstellung einer Gefahrenprognose (zum Maß der Überzeugungsgewissheit vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 - 10 B 1/11 - NVwZ-RR 2011, 382). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald (in überschaubarer Zeit) nach der Rückkehr des Ausländers droht. Sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können - etwa der tatsächliche (wirtschaftliche und/oder persönliche) Zugang zu medizinischer Behandlung sowie sonstige hinzutretende Belastungsfaktoren - sind in die Beurteilung mit einzubeziehen (BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, juris; Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.).

Die Klägerin ist auf unabsehbare Zeit behandlungsbedürftig und bedarf dringend einer qualifizierten Traumatherapie, welche eine traumafokussierte Aufarbeitung der angstbesetzten Lebensereignisse beinhaltet und weiteren schädlichen Verhaltensmustern wie dem bei ihr vorhandenen gezielten Alkoholkonsum als Selbstmedikation entgegenwirkt und einer Abhängigkeitserkrankung vorbeugt (Psychologischer Untersuchungsbericht der Universität K., S. 22). Dass es sich bei ihr bezogen auf die psychoreaktiven Folgen eines traumatisierenden Geschehens nicht um eine Simulantin handelt (siehe bereits oben bei I.1.a.), wird auch dadurch belegt, dass die Psychiaterin und die Psychologin unabhängig voneinander zu einer einhelligen Diagnose gelangen. Nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung hat auch das Gericht keinen Zweifel daran, dass die Klägerin psychisch krank ist.

Eine nahezu sichere erhebliche Verschlimmerung ihrer Erkrankung würde sich aus der individuellen Situation der Klägerin und der unzureichenden Behandlungssituation für psychisch kranke Nigerianer (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.3.2010 [S. 23/24] und vom 7.3.2011 [S. 23]; Schweizer Flüchtlingshilfe, Länderanalyse vom 18.1.2010, S. 2/3 [betr. Schizophrenie] und vom 9.11.2009 [betr. PTBS] sowie vom 18.11.2008 [betr. Epilepsie]; Auskünfte der Deutschen Botschaft Lagos vom 3.2.2003 an VG Karlsruhe und vom 23.4.2001 an VG Aachen) ergeben. In jedem Fall ist nach der genannten Erkenntnislage davon auszugehen, dass eine höherwertige medizinische Versorgung in Nigeria, weil in privaten Kliniken angesiedelt, von beträchtlichem Eigenkapital abhängig wäre. Diese wirtschaftlichen Voraussetzungen besitzt die Klägerin mit überaus hoher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht und wird sie bei einer (unterstellten) Rückkehr nach Nigeria auch nicht vorfinden. Rund 65% der nigerianischen Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Klägerin werde sich bei Rückkehr wirtschaftlich besser stellen als die große Mehrheit der Bevölkerung, gibt es nicht. Dass die Klägerin Nigeria auf dem Luftweg verlassen konnte und hierfür sicher beträchtliche Kosten angefallen sind, lässt nicht den Schluss zu, sie oder ihr nahe stehende Personen verfügten auch über genügend weitere Mittel, die für eine medizinische Behandlung erforderlich wären (vgl. für diese Bewertung bei einer PTBS-erkrankten Nigerianerin auch VG München, Urt. v. 14.6.2010 – M 21 K 10.30127 -, juris).

Eine weitere Verschlimmerung des psychischen Zustands der Klägerin drohte unmittelbar bei Rückkehr aber auch im Zusammenhang mit dem Umgang der nigerianischen Gesellschaft mit psychisch kranken Personen. Die PTBS ist in Nigeria eine sehr seltene Krankheit, die als Stigma angesehen wird und nicht als behandlungsbedürftiges Leiden (Schweizer Flüchtlingshilfe, Länderanalyse vom 9.11.2009, S. 3/4 m.w.N.; Eaton/Tilley-Gyado <Mental Health Care in Nigeria; the forgotten issue>, in: Next, Ausgabe 1.3.2011). Gerade wenn keine Behandlung erreichbar ist, können andauernde psychische Störungen zu sozialer Ausgrenzung, Arbeitsverlust und sogar Misshandlungen und Freiheitsentziehung führen (Deutsches Ärzteblatt [Heft 7], Juli 2003, S. 321/322; US Department of State, Bericht vom 11.3.2008; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 18.11.2008; BBC News 29.4.2009 [Locking up Nigeria´s civil lunatics]). Der Klägerin wäre mithin sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit auf sich allein gestellt. Eine alleinstehende Frau aber begegnet bei der Sicherung ihres Lebensunterhalts besonderen Schwierigkeiten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7.3.2011, S. 16; Amnesty International, Auskunft an VG Düsseldorf vom 24.7.2003). [...]