LG Potsdam

Merkliste
Zitieren als:
LG Potsdam, Beschluss vom 06.12.2010 - 5 T 575/10 - asyl.net: M19129
https://www.asyl.net/rsdb/M19129
Leitsatz:

Rechtswidrige Abschiebungshaft wegen krankheitsbedingter Haftuntauglichkeit (psychische Erkrankung, Suizidgefahr). Die Ausländerbehörde hätte angesichts der vorliegenden Erkenntnisse bereits vor einer Beantragung von Abschiebungshaft prüfen müssen, ob der Betroffene in Anbetracht der bestehenden Erkrankung überhaupt hafttauglich ist.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftfähigkeit, Krankheit, psychische Erkrankung, Sachaufklärungspflicht, Suizidgefahr
Normen: FamFG § 58 Abs. 1, FamFG § 59 Abs. 1, FamFG § 63
Auszüge:

[...]

Auf den Antrag des Betroffenen war festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebehaft rechtswidrig war, denn der Betroffene ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen seines Verfahrensbevollmächtigten haftuntauglich. Die Haftuntauglichkeit wurde zwar erst nach Inhaftierung des Betroffenen durch den Haftarzt des Abschiebegewahrsams Eisenhüttenstadt festgestellt und der Betroffene daraufhin am 05.11.2010 aus der Haft entlassen. Auch wenn dem weiteren Beteiligten keine ausreichenden Erkenntnisse über eine Haftuntauglichkeit des Betroffenen vorlagen, ist davon auszugehen, dass dieser schon zum Zeitpunkt der Antragstellung am 01.11.2010 haftuntauglich war. Dafür spricht der Bericht des Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 13.08.2010 - gerichtet an den weiter behandelnden Arzt/die weiter behandelnde Ärztin - über eine bei dem Betroffenen den diagnostizierte Anpassungsstörung, welche zu einem stationären Aufenthalt vom 05.08. bis 13.08.2010 wegen Suizidalität geführt hat. Der ärztliche Bericht wurde dem weiterem Beteiligten von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen zur Kenntnis gegeben. Dieser hätte daher vor einer Antragstellung prüfen müssen, ob der Betroffene in Anbetracht der bestehenden Erkrankung überhaupt hafttauglich ist.

Der Beschluss über die Anordnung von Abschiebehaft hätte bei der Sachlage nicht erlassen werden dürfen.

Es war daher die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. [...]