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LSG Hessen

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Zitieren als:
LSG Hessen, Beschluss vom 06.09.2011 - L 7 AS 334/11 B ER - asyl.net: M19142
https://www.asyl.net/rsdb/M19142
Leitsatz:

1. Ein Ausländer, dessen Aufenthalt im Inland auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG als rechtmäßig gilt, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn in der zu seinen Gunsten ausgestellten Fiktionsbescheinigung eine Nebenbestimmung enthalten ist, die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht gestattet. Er ist dann nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II, auch wenn ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die einer Erwerbstätigkeit erlauben würde, zustehen sollte, solange diese noch nicht erteilt ist.

2. Lebt der Ausländer allerdings in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Partnerin, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, kann ihm ein Anspruch auf Sozialgeld zustehen. Eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG ist weder mit einer Duldung nach § 60 a AufenthG noch mit einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten Aufenthaltstitel vergleichbar. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG greift daher nicht.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: aufschiebende Wirkung, Suspensiveffekt, Erwerbstätiigkeit, Nebenbestimmung, Sozialgeld, Grundsicherung, Leistungsberechtigte
Normen: AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, AufenthG § 81 Abs. 3 S. 1, SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, SGB II § 8 Abs. 2 S. 1, SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde hat (nur) hinsichtlich eines Anspruchs des Antragstellers zu 1. auf Sozialgeld für die Zeit vom 13. November 2010 bis zum 8. Februar 2011 Erfolg.

1. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. und des Antragstellers zu 3. hat das SG zu Recht als unzulässig angesehen. Ihre eigenen Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen sind nicht Gegenstand des Verfahrens (s. oben unter I.). Die Ansprüche des Antragstellers zu 1. können sie trotz der Verbundenheit in einer Bedarfsgemeinschaft nicht geltend machen. Sie stehen vielmehr allein diesem zu; auch eine Prozessstandschaft der Antragsteller zu 2. und 3., also die Möglichkeit, das fremde Recht des Antragstellers zu 1. in eigenem Namen geltend zu machen, ist weder rechtlich zulässig noch besteht hierfür ein Bedarf.

2. Dem Antrag des Antragstellers zu 1. war dagegen weitgehend zu entsprechen. Insoweit liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor, durch die der Antragsgegner zu verpflichten ist, dem Antragsteller – ab 13. November 2010 bis 8. Februar 2011 – vorläufig Sozialgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

a) Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch durch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung – vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes –).

Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung – vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr –). Bildet – wie hier – ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache – möglicherweise – zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Senat, 28.07.2011 – L 7 SO 51/10 B ER; vgl. außerdem Conradis in LPK–SGB II, 3. Aufl. 2009, Anhang Verfahren Rdnr. 119).

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, 29.06.2005 – L 7 AS 1/05 ER – info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 27 und 29, 29a m.w.Nw.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60, 80). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers, ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden, gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (Senat, 27.07.2005 – L 7 AS 18/05 ER).

b) Hinsichtlich der Gewährung von Arbeitslosengeld II fehlt es im streitigen Zeitraum an einem Anordnungsanspruch. Anspruchsvoraussetzung ist unter anderem die Erwerbsfähigkeit des Betreffenden (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II), die bei Ausländern nur gegeben ist, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs. 2 S. 1 SGB II).

Das ist bei dem Antragsteller zu 1., wie das SG zu Recht ausgeführt hat, nicht der Fall. Ausländer dürfen eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn ihr Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt (§ 4 Abs. 3 S. 1 AufenthG). Ausweislich der zu seinen Gunsten ausgestellten Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG war dem Antragsteller zu 1. jedoch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gerade nicht gestattet. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er die entsprechende Nebenbestimmung angefochten hätte oder diese aus anderen Gründen unwirksam gewesen wäre. Auf einen anderen Aufenthaltstitel konnte er sich im streitigen Zeitraum nicht berufen.

Anders als bei Ausländern mit einem sogenannten nachrangigen Arbeitsmarktzugang hätte ihm die Aufnahme einer Beschäftigung daher selbst dann nicht erlaubt werden können, wenn bevorrechtigte Deutsche oder Ausländer für einen Arbeitsplatz nicht zur Verfügung gestanden hätten. Der Verweis der Antragsteller auf den durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I 2011, S. 453) eingefügten § 8 Abs. 2 S. 2 SGB II bzw. auf die damit bereits zuvor übereinstimmende Rechtslage greift daher nicht durch. Die klarstellende Vorschrift und die mit dieser inhaltlich übereinstimmende Rechtsauffassung auch vor deren Einführung (vgl. dazu Senat, 14.07.2011 – L 7 AS 107/11 B ER m.w.Nw.) zielen nicht auf Ausländer, denen ausländerrechtlich eine Beschäftigungsaufnahme im konkreten Zeitraum tatsächlich untersagt ist, sondern auf Ausländer, bei denen die Bundesagentur einer Beschäftigungsaufnahme "zumindest rechtlich-theoretisch" zustimmen könnte, wie es in der Begründung zu § 8 Abs. 2 S. 2 SGB II heißt (BT-Drs. 17/3404 S. 93). Dazu ist es nicht ausreichend, dass ein Ausländer einen Rechtsanspruch auf einen Aufenthaltstitel hat, mit dem die Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verbunden wäre, solange dieser noch nicht erteilt ist und der Betreffende daher ausländerrechtlich (noch) einen Status hat, der die Aufnahme einer Beschäftigung verbietet. Dies hat, wie bereits das SG zu Recht betont hat, für den SGB II-Träger bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit Tatbestandswirkung. Der Einwand des Antragstellers, ihm habe ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG mit der Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (§ 28 Abs. 5 AufenthG), zugestanden, trägt daher nicht (vgl. ebs. LSG HH, 24.06.2010 – L 5 AS 67/07).

c) Dem Antragsteller zu 1. steht aber mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit jedenfalls für die Zeit ab 13. November 2010 ein Anspruch auf Sozialgeld zu (bis 31. Dezember 2010: § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II, ab 1. Januar 2011: § 19 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II auf Grund von dessen Änderung durch Art. 2 Nr. 31 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 [BGBl. I 2011, S. 453], das insoweit rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft trat, Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes).

Sozialgeld erhalten – inhaltlich durch die angesprochene Gesetzesänderung unverändert – nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben.

aa) Wie bereits dargelegt, war der Antragsteller zu 1. selbst im streitigen Zeitraum auf Grund seiner ausländerrechtlichen Situation, konkret auf Grund der eine Erwerbstätigkeit ausschließenden Nebenbestimmung der Fiktionsbescheinigung, nicht erwerbsfähig, ohne deswegen auf Grund seines Alters oder seines Gesundheitszustandes einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches zu haben. Er lebte als Partner der Antragstellerin zu 2., die – zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig – alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II erfüllte, namentlich erwerbsfähig und hilfebedürftig war, mit dieser (und dem gemeinsamen Kind) in Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). Das gilt, soweit irgend ersichtlich, für den gesamten streitigen Zeitraum. Der Antragsgegner hat seine Leistungen zwar erst durch den Bescheid vom 5. November 2010 zum 1. Dezember 2010 an den Einzug des Antragstellers zu 1. in die gemeinsame Wohnung und die Herstellung einer Bedarfsgemeinschaft angepasst. Dennoch ist es nach Auffassung des Senats jedenfalls ganz überwiegend wahrscheinlich, dass eine Bedarfsgemeinschaft schon zuvor und jedenfalls bereits ab dem für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblichen 2. November 2010 bestand. Der Antragsgegner selbst hat in einem Vermerk vom 8. November 2010 festgehalten, die Antragstellerin zu 2. habe bereits bei der Vorsprache am 15. September 2010 mitgeteilt, der Vater des Kindes, also der Antragsteller zu 1., verweile bereits in der Wohnung, weil eine Familienzusammenführung geplant sei. Die Antragsteller haben zudem unter Verweis auf eine bereits bestehende Bedarfsgemeinschaft Anfang November ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Als Adresse auch des Antragstellers zu 1. wurde hierbei wie – ausweislich der in der Leistungsakte des Antragsgegners befindlichen Unterlagen – auch im Kontakt mit der Ausländerbehörde im Oktober 2010 die gemeinsame Wohnung "A-Straße, A-Stadt" angegeben. Die Beigeladene als zuständige Behörde nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hat zudem bereits in einem Schreiben von Anfang September 2010 im Hinblick auf die Familienzusammenführung mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für entsprechende Leistungen aus diesem Grunde nicht vorlägen. [...]

cc) Jedenfalls für die Zeit ab 13. November 2010 ist der Anspruch zudem nicht durch § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ausgeschlossen, weil keiner der dort aufgeführten Tatbestände vorliegt. Auch wenn man – wie zu § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II – davon ausgeht, dass diese Vorschrift ungeachtet ihrer systematischen Stellung auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte und ihres Zwecks als Eingangsvorschrift zum Leistungssystem des SGB II auch für das Sozialgeld maßgeblich ist (vgl. in diesem Sinne BSG 21.12.2009 – B 14 AS 66/08 R; Hess. LSG, 11.03.2011 – L 9 AS 475/10 B ER), steht sie einem Anordnungsanspruch nicht entgegen.

Der Antragsteller zu 1. hat insbesondere keinen Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, so dass – umgekehrt – der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nicht eingreift. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist nämlich ein Aufenthalt auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG und eine dazu ausgestellte Fiktionsbescheinigung (§ 81 Abs. 5 AufenthG) mit einer Duldung im Sinne von § 60a AufenthG nicht vergleichbar (vgl. ebs. für den Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 2 SGB XII: Senat, 11.07.2006 – L 7 SO 19/06 ER).

So bietet zunächst der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG keinen Anknüpfungspunkt für eine derartige Gleichstellung. Auch ist der Sache nach eine Gleichstellung eines Aufenthalts auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG mit einem nach § 60a AufenthG geduldeten Aufenthalt nicht geboten. Hat der Ausländer (rechtzeitig) einen Antrag auf Ausstellung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt, führen § 81 Abs. 3 S. 1 oder 4 AufenthG unter den dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen dazu, dass der Aufenthalt des Ausländers als erlaubt (bzw. der abgelaufene Aufenthaltstitel als fortbestehend) gilt. Dagegen handelt es sich bei der Duldung nach § 60a AufenthG um die vorübergehende Aussetzung einer Abschiebung. Sie setzt, weil sonst eine Abschiebung nicht zulässig ist (§ 58 Abs. 1 AufenthG), notwendig voraus, dass der betreffende Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist; sein weiterer Aufenthalt in der Bundesrepublik ist damit im Grunde nicht mehr als rechtmäßig anzusehen. Das ist bei einem nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG fiktiv rechtmäßigen Aufenthalt wie im Falle des Antragstellers gerade nicht der Fall; daher besteht keine vollziehbare Ausreisepflicht, eine Abschiebung ist ausgeschlossen (§ 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG) und nicht nur vorübergehend auszusetzen wie im Falle einer Duldung (oder auch bei verspäteter Antragstellung nach § 81 Abs. 3 S. 2 AufenthG).

Dieser kategoriale Unterschied verbietet es auch im Rahmen des AsylbLG, den zumindest fiktiv rechtmäßigen Aufenthalt mit dem Fall des Aufenthalts auf Grund einer Duldung nach § 60a AufenthG gleichzustellen. Das AsylbLG sieht reduzierte Leistungen zur Existenzsicherung für Ausländer ohne längerfristige Bleibeperspektive vor (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 1 AsylbLG Rdnr. 6), wobei jedenfalls bei einigen Tatbestandsalternativen des § 1 AsylbLG hinzukommt, dass sich die Anspruchsinhaber nicht (mehr) rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Von beidem kann bei Personen, die sich im Rahmen von § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG in Deutschland aufhalten, nicht, jedenfalls nicht regelmäßig ausgegangen werden. Dies verbietet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift wegen der fehlenden Vergleichbarkeit auch im Hinblick auf deren Zweck.

Dieser Gesichtspunkt steht im Übrigen auch einer entsprechenden Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG entgegen (vgl. dazu Senat, 11.07.2006 – L 7 SO 19/06 ER). Diese Tatbestandsalternative bezieht sich zwar – anders als bei der Duldung – auf Fälle rechtmäßigen Aufenthalts im Inland, die zumindest insofern dem fiktiv rechtmäßigen Aufenthalt auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG entsprechen. Auch sie sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass zumindest typischerweise eine dauerhafte Bindung an die Bundesrepublik nicht eintreten, sondern der Aufenthalt regelmäßig nur vorübergehend aus politischen oder humanitären Gründen oder wegen eines Krieges im Heimatland gestattet werden soll. Ein Aufenthalt nach § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG dagegen kann – wie gerade auch im hiesigen Fall – durchaus mit der Perspektive der Verfestigung verbunden sein. [...]