VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Beschluss vom 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 - asyl.net: M19162
https://www.asyl.net/rsdb/M19162
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Italien.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Italien, einstweilige Anordnung, Konzept der normativen Vergewisserung, Aufnahmebedingungen
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Zunächst fehlt es dem Antrag nicht am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, obwohl das Bundesamt über den Asylantrag der Antragstellerin, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden hat, Der Bescheidentwurf vom 07.10.2011 wurde der Antragstellerin bisher noch nicht förmlich bekannt gegeben. Das Bundesamt beabsichtigt aber, die Überstellung der Antragstellerin nach Italien zu veranlassen, nachdem die italienischen Behörden zwischenzeitlich ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 - Dublin II VO - erklärt haben bzw. die Zuständigkeit Italiens bereits wegen Verfristung der Erledigung des Übernahmeersuchens eingetreten war, Insoweit ist es gängige Praxis des Bundesamtes, den entsprechenden Bescheid dem Asylbewerber durch die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde erst am Tage seiner Überstellung persönlich zuzustellen, Diese Praxis begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 01.06.2011 - 5a L 576/11.A -; VG Wiesbaden, Beschl. v, 12.04.2011 - 7 L 303/11.WI.A -, VG Hannover, Beschl. v. 10.12.2009 - 13 B 6047/09 -; VG Schleswig, Beschl. v. 12.08.2009 - 9 B 37/09 -). Das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es deshalb, dass die Antragstellerin auch schon vor der Bescheidzustellung um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen darf. [...]

An der Befugnis zur Rücküberstellung aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestehen unter Berücksichtigung der Auskunftslage erhebliche Zweifel, ob Italien noch die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen bedroht sind. Zwar unterliegt Italien als Mitgliedstaat der EU dessen Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet. Allerdings kann jedenfalls in der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es diesen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt. Dies ergibt sich für die Kammer aus den zahlreichen Erkenntnisquellen, die nicht nur in dieses Verfahren eingeführt wurden, sondern auch einer Vielzahl von stattgebenden Beschlüssen in Eilverfahren zu Grunde lagen (vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2011 - A 9 K 2300/11 - m.w.N.). Auf dieser Informationsgrundlage bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, dass Italien in vollem Umfang als sicherer Drittstaat angesehen werden kann. [...]