BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 28.10.2011 - 1 C 9.10 - asyl.net: M19187
https://www.asyl.net/rsdb/M19187
Leitsatz:

In gerichtlichen Verfahren zum Familiennachzug, der in den Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie fällt, sind bei der Frage, ob einfache deutsche Sprachkenntnisse gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen müssen, die Erfolgsaussichten offen, da fraglich ist, ob das Erfordernis mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie vereinbar ist. Es ist daher dem EuGH zur Klärung vorzulegen (Änderung der Rechtsprechung des BVerwG) (hier: Kostenentscheidung).

Schlagwörter: Familiennachzug, Ehegattennachzug, Deutschkenntnisse, einfache deutsche Sprachkenntnisse, EuGH, Familienzusammenführungsrichtlinie, Visum zum Familiennachzug
Normen: AufenthG § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, RL 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2, VwGO § 161 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Über die danach verbleibenden Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dem entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz (abzüglich 1/5 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die auf die Klägerin zu 2 entfallen) gegeneinander aufzuheben.

Eine Belastung der Beklagten mit den gesamten verbliebenen Kosten des Verfahrens kommt entgegen der Ansicht der Kläger nicht in Betracht. Zwar hat die Beklagte sich im Revisionsverfahren bereit erklärt, den Klägern die begehrten Visa zum Familiennachzug nach Vorlage der erforderlichen Reisedokumente zu erteilen und die Kläger damit der Sache nach klaglos gestellt. Er hat sich dadurch aber nicht freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben, sondern lediglich auf die erst während des Revisionsverfahrens eingetretene unstreitige Änderung der Sachlage (durch Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Ehemann der Klägerin zu 1) reagiert. Aufgrund der Sachlagenänderung waren die Erfolgsaussichten für das Visumbegehren der Kläger nunmehr - anders als bisher - als offen anzusehen. Denn der Familiennachzug fiel damit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/86/EG, so dass die Frage, ob das Erfordernis einfacher deutscher Sprachkenntnisse in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie vereinbar ist, mit Rücksicht auf die inzwischen veränderte Auffassung der Europäischen Kommission (vgl. Stellungnahme vom 4. Mai 2011 (Sj.g 2011> 540657 im Verfahren C-155/11 PPU, Imran) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung hätte vorgelegt werden müssen. Angesichts dessen ist über die Kosten des Verfahrens in Anwendung des in § 155 Abs. 1 VwGO enthaltenen Rechtsgedankens zu entscheiden, der vorsieht, die Kosten entweder gegeneinander aufzuheben oder zu teilen. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, mit Blick auf die nunmehr offenen Erfolgsaussichten der Klagen die Kosten des Revisionsverfahrens zwischen den Klägern und der Beklagten hälftig zu teilen. Hinsichtlich der Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens erscheint es aufgrund der Gesamtumstände des Falles dagegen angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben. [...]