Fehlen in einem zulässigen Haftantrag die objektiv erforderlichen Angaben zu dem Einvernehmen der Strafverfolgungsbehörden mit der Abschiebung, kann die zunächst rechtswidrige Haft durch die spätere Erteilung des Einvernehmens erst dann rechtmäßig werden, wenn dem Betroffenen insoweit rechtliches Gehör gewährt wird.
(Amtlicher Leitsatz)
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1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlen in dem Haftantrag was von Amts wegen zu prüfen ist Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 8 ff.). Im Übrigen ist die Verletzung von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigen. Dabei ist es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsverfahren hinzuweisen und was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich gewesen wäre die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen. Da das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5). Wird das Einvernehmen erst nach der Haftanordnung erteilt, muss dem Betroffenen auch zu dieser Haftvoraussetzung gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör gewährt werden. Aus diesem Grund kann die zunächst rechtswidrige Haft nicht bereits von der objektiven Erteilung des Einvernehmens an rechtmäßig werden, sondern erst dann, wenn der Betroffene dazu Stellung nehmen kann.
2. Gemessen daran, war der Haftantrag was der Senat in der Entscheidung über die einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungshaft noch offen gelassen hat zulässig. Weder aus ihm noch aus den beigefügten Unterlagen ergab sich, dass gegen den Betroffenen strafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig waren. Allerdings hat das Amtsgericht den Betroffenen dem Anhörungsprotokoll zufolge darüber belehrt, dass ein Aussageverweigerungsrecht nur Angaben umfasse, "die das gegen ihn anhängige Strafverfahren betreffen". Daraus könnte möglicherweise zu folgern sein, dass das Amtsgericht auf anderem Wege Kenntnis von den strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Betroffenen erlangt hatte. Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, wurde dadurch aber nicht der in sich schlüssige Antrag der Beteiligten zu 2 unzulässig, sondern das Amtsgericht hätte die Erteilung des Einvernehmens gemäß § 26 FamFG aufklären und den Antrag gegebenenfalls zurückweisen müssen. Insoweit rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das Einvernehmen mehrerer Strafverfolgungsbehörden tatsächlich erforderlich war und entgegen § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht vorlag. Die Staatsanwaltschaft Dresden und das Hauptzollamt Berlin haben ihr Einvernehmen erst nach der Inhaftierung am 11. März 2011 schriftlich erteilt. Von Seiten der Staatsanwaltschaft Berlin ist es den Angaben zufolge, die der Vertreter der Beteiligten zu 2 in der mündlichen Anhörung gemacht hat, am 15. März 2011 erteilt worden. Damit lagen die objektiven Haftvoraussetzungen erst von diesem Tag an vor.
3. Die zunächst rechtswidrige Haft ist in der Beschwerdeinstanz rechtmäßig geworden, weil das Beschwerdegericht dem Betroffenen ausweislich des Anhörungsprotokolls insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. [...]