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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 13.10.2011 - V ZB 13/11 - asyl.net: M19237
https://www.asyl.net/rsdb/M19237
Leitsatz:

Eine Ausländerbehörde ist unzuständig für die Beantragung der Abschiebungshaft, wenn der Betroffene dem Bezirk zugewiesen ist, die Zuweisungsentscheidung dem Betroffenen jedoch nicht zugestellt wurde.

Schlagwörter: Abschiebung, landesinterne Verteilung, Zuweisung, unbekannter Aufenthalt, Sicherungshaft, Beschwerde
Normen: FamFG § 417 Abs. 1, AsylVfG § 50 Abs. 4 S. 1, VwVfG LSA § 1 Abs. 1, VwVfG § 43 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

1. Die Haft darf gemäß § 417 Abs. 1 FamFG nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde angeordnet werden. Fehlt es an der Zuständigkeit, ist der Haftantrag unzulässig. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 11 mwN). Sachlich zuständig ist gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den jeweiligen Landesgesetzen (Drews/Fritsche, NVwZ 2011, 527, 528). Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG ist bei natürlichen Personen der gewöhnliche Aufenthalt, hilfsweise der letzte gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich.

2. Hält sich ein Asylbewerber in dem ihm gemäß § 50 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG zugewiesenen Bezirk auf, so bleibt die dortige Ausländerbehörde auch dann zuständig, wenn er sich unerlaubt aus dem Bezirk entfernt, um sich einer angedrohten Abschiebung zu entziehen. Grund hierfür ist, dass er wegen der Aufenthaltsbeschränkung an einem anderen Ort nicht bleiben kann (Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 13 f. mwN). Ist dem Ausländer dagegen die Zuweisungsentscheidung nicht zugestellt worden und hat er auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem zugewiesenen Bezirk begründet, ist die Zuständigkeit der örtlichen Ausländerbehörde nicht begründet worden. Allerdings ermöglicht § 10 AsylVfG im Regelfall eine vereinfachte Zustellung der Zuweisungsentscheidung.

Hier hat das Beschwerdegericht für den Senat bindend festgestellt, dass eine wirksame Zustellung nicht erfolgt ist. Die Zuweisungsentscheidung ist nicht - wie das Beschwerdegericht meint - eine bloße verwaltungsinterne Abgabe, sondern ein Verwaltungsakt, der gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erst mit der Bekanntgabe an den Betroffenen wirksam wird. Diese hat gemäß § 50 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG durch Zustellung an den Ausländer selbst zu erfolgen. Sie hat zur Folge, dass er sich unverzüglich zu der in der Zuweisungsverfügung angegebenen Stelle begeben muss, § 50 Abs. 6 AsylVfG, und sich andernfalls strafbar macht, § 85 Nr. 1 AsylVfG. Auch steht ihm die Verpflichtungsklage hinsichtlich der Zuweisungsentscheidung offen (HK-AuslR/Keßler, § 50 AsylVfG Rn. 37). Ist die Zuweisung mangels Zustellung nicht wirksam geworden, bleibt die bis dahin zuständige Ausländerbehörde zuständig. [...]