Ein geduldeter Antragsteller hat Anspruch auf gekürzte Leistungen nach dem § 1a Nr. 2 AsylbLG, selbst wenn anzunehmen ist, dass er seine wahre Identität verschleiert und gegenüber der Ausländerbehörde einen falschen Namen angibt. Erfüllt der ausreisepflichtige Ausländer einen Missbrauchstatbestand, ist die Rechtsfolge allein eine Leistungseinschränkung, nicht jedoch ein Leistungsausschluss, d.h. die Behörde darf die Leistungen nicht vollständig versagen, sondern nur auf das Unabweisbare kürzen.
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Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Für den Antragsteller, der als ausreisepflichtiger Ausländer eine Duldung gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) besitzt und damit zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zählt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), besteht jedenfalls ein Anspruch auf gekürzte Leistungen nach dem § 1a Nr. 2 AsylbLG, selbst bei Annahme, dass er seine wahre Identität verschleiert und gegenüber der Ausländerbehörde einen falschen Namen angibt.
Nach § 1a Nr. 2 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 (...), bei denen aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach dem AsylbLG nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar ist. Sofern ein ausreisepflichtiger Ausländer die Gründe der Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu vertreten hat, sieht § 1a Nr. 2 AsylbLG eine Einschränkung des Leistungsanspruchs vor. Der Missbrauchstatbestand des § 1a Nr. 2 AsylbLG ist u.a. erfüllt bei fehlender oder unzureichender Mitwirkung an der Beschaffung der für die Ausreise notwendigen - gültigen - Dokumente durch Verschleierung der wahren Identität bzw. Täuschung über die Identität durch falsche Angaben zur Person (Name, Herkunft etc.). Erfüllt der ausreisepflichtige Ausländer diesen Missbrauchstatbestand - wofür im Fall des Antragstellers gewichtige Punkte sprechen (dazu weiter unten) - ist die Rechtsfolge allein anspruchseinschränkend, nicht anspruchsausschließend, d.h. die Behörde darf die Leistungen nicht vollständig versagen, sondern nur auf das Unabweisbare kürzen (Grube/Wahrendorf, SGB XII § 1a AsylbLG, Rdn. 8, jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG Rdn.75; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 1a AsylbLG Rdn. 25). Das bedeutet, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dem die Verschleierung seiner Identität vorgeworfen wird, (zumindest) gekürzte Leistungen gemäß § 1a Nr. 2 AsyIbLG zu erbringen hat. In Fällen, in denen der ausreisepflichtige Ausländer die Nichtvollziehbarkeit seiner Abschiebung zu vertreten hat, kommt allein eine Anspruchseinschränkung nach Maßgabe des § 1a Nr. 2 AsylbLG in Betracht. Es handelt sich hierbei um eine spezielle Regelung, die der Durchsetzung ausländerrechtlicher Pflichten eines ausreisepflichtigen Ausländers dient (vgl. LSG Baden Württemberg Beschluss vom 25.8.2005 - L 7 AY 3115/05 ER-B -). Andere Verfahrensnormen, die ebenfalls einen Leistungsausschluss bzw. eine Leistungsversagung - wie die §§ 60,66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung bei der Sachaufklärung - begründen können, kommen in diesen Fällen nicht zur Anwendung (vgl. OVG NRW Urteil vom 22.8.2007 - 16 A 1158/05 -), weil die Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG nicht auf dem Empfänger zurechenbarer mangelnder Sachaufklärung beruht, sondern eine Sanktion für die Verletzung ausländerrechtlicher Pflichten darstellt (LSG Baden Württemberg, a.a.O.). Auch die Antragsgegnerin hat mit ihrem Bescheid vom 26.7.2011 erkennbar ein vorwerfbares Verhalten des Antragstellers gegenüber der Ausländerbehörde sanktionieren wollen. Das zeigen ihre Ausführungen in dem Bescheid, dass weitere Hilfen solange versagt werden, bis der Antragsteller gegenüber dem Ausländeramt seine tatsächliche Identität erklärt hat und sobald er die erforderlichen Angaben gegenüber dem Ausländeramt erteilt und eine Prüfung dieser Angaben deren Richtigkeit bestätigt hat, die Versagung wieder aufgehoben und die Hilfen erneut gewährt werden. Diese Sanktionierung des Verhaltens des Antragstellers kann aber allein über § 1a Nr. 2 AsylbLG, nicht aber über § 66 SGB I erfolgen, weil § 66 SGB I insoweit keine Regelungen enthält (LSG Baden Württemberg, a.a.O.). [...]
Soweit die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, es könne aufgrund der zweifelhaften Identität des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden, dass er an einem anderen Ort Leistungen nach dem AsylbLG erhält, steht dies ihrer Verpflichtung zur Erbringung von vorläufigen Leistungen nach § 1a AsylbLG an den Antragsteller nicht entgegen. Denn begründete Anhaltspunkte für einen Doppelbezug von Leistungen nach dem AsylbLG liegen im Fall des Antragstellers nicht vor und aufgrund einer bloßen Vermutung dürfen existenzsichernde Leistungen wegen der Verpflichtung der Gerichte, sich schützend vor die Grundrechte des Antragstellers, insbesondere aus Art. 1 GG zu stellen, nicht versagt werden (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.5.2005 -1 BvR 569/05-). [...]