1. Nach der am 26. November 2011 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ist auch in den Fällen, in denen es um eine auf strafrechtlicher Verurteilung beruhende Ausweisung oder eine von dem Ausländer ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht, von der Höchstdauer der Frist von fünf Jahren auszugehen, die jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls überschritten werden darf.
2. Diese substanzielle Gesetzesänderung erfordert eine umfassende Überarbeitung der bisherigen Ermessensleitlinien des Bundes und des Landes.
3. Das Kindeswohl von drei noch kleinen Kindern - darunter eines Säuglings - hat trotz bei dem Vater fortbestehender Gefahr erneuter Straffälligkeit nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls eine Ermessensverdichtung dahingehend zur Folge, dass der Trennungszeitraum höchstens ein Jahr betragen darf.
4. Welcher Trennungszeitraum konkret zumutbar ist, hat die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Neubescheidung des Befristungsantrags aufzuklären.
[...]
Die Berufungen des Klägers und des Beklagten sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung hat. [...]
Rechtsgrundlage der Befristungsentscheidung ist § 11 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 und Satz 2 AufenthG. Danach wird die Sperrwirkung der Ausweisung (Einreiseverbot, Verbot der erneuten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) befristet, wobei die Bemessung der Frist nunmehr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Satz 4). Bei der Bemessung der Länge der Frist wird zudem berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5).
Die Dauer der mit einer Ausweisung verfügten Sperrwirkung richtet sich im Hinblick auf deren Akzessorietät nach dem mit der Ausweisung verfolgten zulässigen konkreten Zweck (vgl. dazu auch VGH München, Beschluss vom 26. März 2009 – 19 ZB 09.498 -, juris, Rn. 2; VGH Mannheim, Urteil vom 26. März 2003, InfAuslR 2003, 333). Die Sperrwirkung darf grundsätzlich nur so lange fortbestehen, wie es der Ausweisungszweck erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. April 1984, BVerwGE 69, 137, 141; Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage, § 11 Rn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 11 AufenthG Rn. 25 ff., 30). Ist der Zweck erreicht, so ist das der Ausländerbehörde eingeräumte Befristungsermessen in der Regel auf Null reduziert, und eine zeitliche Befristung kommt selbst dann nicht mehr in Betracht, wenn der Ausländer noch nicht ausgereist ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2000, BVerwGE 111, 369; Urteil des Senats vom 15. März 2011 – OVG 12 B 12.10 –, UA S. 8).
Bei der Beantwortung der Frage, ob der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive oder generalpräventive Ausweisungszweck erfüllt ist, muss die Ausländerbehörde eine Gefahrenprognose treffen, bei der sie alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und sachgerecht abwägt. Hierzu zählen auch das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung und der Ausweisungsgrund (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007, BVerwGE 129, 243). Auch die familiären Belange des Ausländers sind angemessen zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682, 683).
Die von dem Beklagten getroffene Befristungsentscheidung genügt nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 1 AufenthG in der hier maßgeblichen Neufassung. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, er habe der geänderten Rechtslage in seinen überarbeiteten Anwendungshinweisen vom 8. Dezember 2011 hinreichend Rechnung getragen, kann dem nicht gefolgt werden.
Nach dem neu eingeführten § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ist bei der im behördlichen Ermessen verbleibenden Bestimmung der Länge der Frist zu beachten, dass die Dauer des Einreiseverbots grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten darf. Diese auf Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Abl. L 348 S. 98; im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) zurückgehende Höchstdauer darf nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nur überschritten werden, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Rückführungsrichtlinie) oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie).
Das Ausweisungsrecht hat mit der Einführung der Fünfjahresfrist in die Vorschrift des § 11 Abs. 1 AufenthG eine substanzielle Änderung erfahren. Das Aufenthaltsgesetz, das – wie bereits das Ausländergesetz (AuslG) – bislang keine Aussage über die Dauer der Frist enthielt, sondern lediglich regelte, dass die Frist mit der Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG a.F.; § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG), bestimmt nunmehr erstmals, in welchem Zeitrahmen Einreiseverbote in der Regel festgesetzt werden dürfen. Der Gesetzgeber hat damit festgelegt, ab wann dem ausgewiesenen Ausländer im Regelfall einwanderungspolitische Belange nicht mehr entgegen gehalten werden dürfen. Die behördliche Ermessensentscheidung über die Dauer der Frist wird nunmehr nicht mehr allein durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die sich unter anderem aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergebenden schutzwürdigen Belange des Ausländers, sondern darüber hinausgehend in zeitlicher Hinsicht konkret begrenzt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten greift diese substantielle Änderung der Befristungsregelung auch in den in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorgesehenen Ausnahmefällen, in denen das Gesetz es zulässt, dass die Frist von fünf Jahren überschritten wird. Die Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass auch in den Fällen, in denen es um eine auf strafrechtlicher Verurteilung beruhende Ausweisung oder eine von dem Ausländer ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung geht, von der Höchstdauer der Frist von fünf Jahren auszugehen ist, die jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls überschritten werden darf. Dies ergibt sich bereits aus der von dem Gesetzgeber gewählten Formulierung „überschreiten“. Auch aus der Begründung des Gesetzes vom 22. November 2011 geht hervor, dass der Gesetzgeber – gestützt auf Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Rückführungsrichtlinie – mit der Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG den Anwendungsbereich der Richtlinie nur insoweit einschränken wollte, als er für verurteilte Straftäter Ausnahmen von der regelmäßigen Höchstfrist von fünf Jahren zugelassen hat (vgl. BT-Drs. 17/5470 S. 21). Den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber von der in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Rückführungsrichtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen wollte, Drittstaatsangehörige, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind, vollständig von dem Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie auszunehmen.
Soweit es um den weiteren Ausnahmefall geht, dass der Ausländer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit darstellt, räumt Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie dem nationalen Gesetzgeber ohnehin nur die Möglichkeit ein, ein Überschreiten der Frist von fünf Jahren vorzusehen, nicht jedoch die Anwendung der Richtlinie vollständig auszuschließen.
Hiervon abweichend hat der Beklagte in seinen überarbeiteten Verfahrenshinweisen zum Ausdruck gebracht, dass seiner Auffassung nach die Frist von fünf Jahren in den genannten Ausnahmefällen keine Rolle mehr spielt. Zwar hat er in Ziffer 11.1.3.5 der Verfahrenshinweise zunächst zutreffend ausgeführt, dass der Gesetzgeber die Rückführungsrichtlinie dahingehend umgesetzt habe, dass in den Ausnahmefällen ein Überschreiten der Grenze von fünf Jahren in Betracht kommt. Er geht jedoch in seinen Leitlinien für die Ermessensausübung (Ziffer 11.1.3.7 der Verfahrenshinweise) unverändert von einer Frist von zehn Jahren bei Ausweisungsgründen nach § 53 AufenthG, von sieben Jahren bei Ausweisungsgründen nach § 54 AufenthG und von drei Jahren bei Ausweisungsgründen nach § 55 AufenthG aus, wobei die Frist anfänglich um bis zu drei Jahre verkürzt oder verlängert werden kann, um den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen (vgl. Ziffer 11.1.3.7 der Verfahrenshinweise). Die Anwendung dieser Regelfristen, die weit über der gesetzlich vorgegebenen Höchstdauer liegen, wird den Anforderungen, die die geänderte Gesetzeslage an die Befristungsentscheidung stellt, nicht gerecht. Die dargestellte Gesetzesänderung erfordert vielmehr eine umfassende Überarbeitung der bisherigen Ermessensleitlinien, die ausgehend von der Höchstfrist von fünf Jahren regeln, wie in den in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorgesehenen Ausnahmen zu verfahren ist. Dies gilt auch mit Blick auf die weitere Ergänzung der Befristungsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, wonach die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen ist. Bei der Überarbeitung seiner Verfahrenshinweise wird der Beklagte zur Wahrung bundeseinheitlicher Maßstäbe bei der Anwendung der Befristungsregelung auch im Blick haben müssen, wie der Bund in seinen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AufenthG-VwV) der geänderten Rechtslage Rechnung tragen wird.
Nach den vorstehenden Darlegungen kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die von dem Verwaltungsgericht behandelte Frage an, ob für den in Ziffer 11.1.3.7 der Verfahrenshinweise und in Ziffer 11.1.4.6.2 der VwV-AufenthG vorgesehenen Ausschluss einer erneuten Überprüfung der Befristungsentscheidung bis zu einem Zeitpunkt von drei Jahren vor Ablauf der Regelfrist bzw. der im Einzelfall bereits um bis zu drei Jahre verkürzten Frist ein sachlicher Grund gegeben ist. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Begründung dieser Verwaltungsvorschrift, wonach „der Prüfung die dann aktuellen Umstände zugrunde gelegt werden müssen“, nicht zu überzeugen vermag, da sie lediglich den dann maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorgibt. In diesem Zusammenhang erschließt sich auch nicht, weshalb die Verwaltungsvorschriften – nicht jedoch die Verfahrenshinweise des Beklagten – eine solche Aussetzung der erneuten Prüfung ausdrücklich nur für die Fälle des besonderen Ausweisungsschutzes vorsehen (vgl. Ziffer 11.1.4.6.2), während für die übrigen Fälle geregelt wird, dass die einmal gesetzte Frist nachträglich aufgrund Änderung der für die ursprüngliche Bemessung erheblichen Umstände verlängert oder verkürzt werden kann (vgl. Ziffer 11.1.4.6.1 am Ende).
Ferner weist der Senat darauf hin, dass es der Klärung bedürfte, weshalb der besondere Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG im Rahmen der Befristung keine erneute Berücksichtigung finden soll. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes mit der Folge der Zurückstufung der Ausweisung – im vorliegenden Fall zu einer Regel-Ausweisung – vor, wäre zu erwägen, ob der Betroffene nicht auch im Rahmen der Befristungsentscheidung von dieser Begünstigung profitieren müsste. Hierfür spräche, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Umstände, die besonderen Ausweisungsschutz begründen, sowohl im Rahmen der Zurückstufung der Ausweisung als auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen sind (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 –, NVwZ 2007, 946: zur Verhältnismäßigkeit einer unbefristeten Ausweisung mit Blick auf Art. 8 EMRK). Mit der Befristung soll verhindert werden, dass sich die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen als unverhältnismäßiger Dauereingriff in die geschützten Rechte des Betroffenen erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007, BVerwGE 129, 243).
Unabhängig von dem zuvor darstellten Ermessensfehler hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen von Art. 6 GG zu Recht festgestellt, dass die von dem Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung auf sieben Jahre mit Blick auf die familiäre Situation des Klägers ermessensfehlerhaft ist.
Auch der Senat geht davon aus, dass zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Töchtern eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft besteht. Diese Einschätzung hat sich durch den Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2011 sowie die Stellungnahme der Klassenlehrerin der älteren Tochter des Klägers vom 8. Dezember 2011 bestätigt und wird auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt.
Soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Neubescheidung über den Befristungsantrag verpflichtet hat, ist dies jedoch ohne Kenntnis von der bevorstehenden Geburt des dritten Kindes des Klägers geschehen. Die geänderte Sachlage legt eine Ermessenverdichtung dahingehend nahe, dass die von dem Kläger beantragte Befristung einen Zeitraum von höchstens einem Jahr nicht überschreiten darf, wobei die Dauer des Visumsverfahrens zur Wiedereinreise des Klägers mit einzurechnen ist.
Der Senat geht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass bei sehr kleinen Kindern schon eine nur kurzzeitige Trennung von einem Elternteil unverhältnismäßige Folgen zeitigen kann, weil ein Kontakt über Telefonate, Briefe oder das Internet noch nicht möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 –, BVerfGK 7, 49; Beschluss vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682; Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 –, BVerfGK 14, 458; Beschluss vom 9. Januar 2009 – 2 BvR 1064/08 –, NVwZ 2009, 387). Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Geburt des dritten leiblichen Kindes des Klägers, das ebenso wie die Kindesmutter und seine beiden Geschwister die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen wird, kommt daher nur eine vergleichsweise kurze Sperrfrist in Betracht, die den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen darf. Das Kindeswohl dürfte in der Regel keinen nachhaltigen Schaden erleiden, wenn es – zumal in dem Alter von wenigen Monaten – für einen solchen Zeitraum von seinem Vater getrennt wird. Das gilt erst recht in Bezug auf das Elternrecht des Vaters, der weiß, dass die Trennung von seinem Kind nur vorübergehender Natur ist (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 14. September 2009 – 4 K 1283/09 –, juris Rn. 10).
Auch mit Blick auf die inzwischen sechs und acht Jahre alten Töchter ist die von dem Beklagten festgesetzte Befristung von sieben Jahren offensichtlich unverhältnismäßig. Aus dem Umstand, dass in den von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen das Alter der Kinder unter fünf Jahren gelegen hat, kann nicht geschlossen werden, dass bei älteren Kindern wesentlich längere Trennungszeiträume für zumutbar gehalten werden können. Die Auffassung des Beklagten, wonach den Töchtern des Klägers eine Trennungszeit von sieben Jahren unter anderem deshalb zumutbar sei, weil der Kläger während der Zeit seiner Inhaftierung keine alltäglichen Erziehungs- und Betreuungsleistungen habe erbringen können, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es gerade nicht nur auf quantifizierbare Betreuungsbeiträge eines Elternteils an, da die Entwicklung des Kindes auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt ist (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 –, BVerfGK 14, 458). Auch ist nicht entscheidend, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt bzw. über einen längeren Zeitraum vorgelegen hat. Maßgeblich ist vielmehr in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 –, BVerfGK 7, 49). Hiervon ausgehend konnte eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung auch während der Zeit der Inhaftierung des Klägers begründet bzw. aufrechterhalten werden, die im Übrigen nicht geringwertiger eingeschätzt werden darf als eine in häuslicher Gemeinschaft gelebte Beziehung. Im Übrigen belegen die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Charlottenburg vom 12. Juli 2010 sowie der mündliche Vortrag des Klägers und seiner Ehefrau, dass der Kläger auch während seines Strafvollzugs einen den Umständen entsprechenden, regelmäßigen Kontakt zu seinen Töchtern aufrechterhalten hat.
Welcher Trennungszeitraum mit Blick auf die dargestellten familiären Belange des Klägers konkret zumutbar ist, hat der Beklagte zu ermitteln. Dabei hat er neben der Situation der beiden schulpflichtigen Kinder und des Säuglings auch die familiäre Gesamtsituation, in der sich die Familie nach der Geburt des dritten Kindes befindet, aufzuklären. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Ehefrau des Klägers bislang den Lebensunterhalt der Familie sichergestellt hat. Der Beklagte hat auch zu prüfen, ob die Rückkehr des Klägers innerhalb der von ihm für angemessen erachteten Frist realisierbar ist und nicht etwa daran scheitert, dass er bei einer Rückkehr in die Türkei zum Wehrdienst herangezogen wird.
Auch wenn – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – der mit der Ausweisung verfolgte spezialpräventive Zweck, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen, bei dem Kläger noch nicht erfüllt ist, werden im vorliegenden Fall die einwanderungspolitischen Gesichtspunkte von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG weitgehend zurückgedrängt. Eine Ermessenreduzierung dahingehend, dass allein die von dem Kläger begehrte Befristung auf sechs Monate nach erfolgter Ausreise verhältnismäßig ist, ist jedoch nicht gegeben. Dies schließt es aber nicht aus, dass im Ergebnis der vorliegend gebotenen Sachverhaltsaufklärung auch eine Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt rechtmäßig sein kann. [...]