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VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2012 - 11 A 518/11 - asyl.net: M19412
https://www.asyl.net/rsdb/M19412
Leitsatz:

1. Die Haftung nach § 68 AufenthG entfällt nicht schon allein deswegen, weil der Ausländer einen Asylantrag stellt. Sie entfällt aber rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung, wenn der Asylantrag Erfolg hat (wie VG Osnabrück, Urt. v. 24.10.2011 - 11 A 583/11 - und Urt. v. 7.9.2011 - 11 A 2205/10).

2. Ist im Zeitpunkt der Heranziehung des Verpflichteten noch nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag entschieden worden oder hat die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage kraft Gesetzes oder richtlicher Anordnung aufschiebende Wirkung, muss im Heranziehungsbescheid auf den möglichen Wegfall der Haftung hingewiesen und eine Aufhebung des Bescheids für diesen Fall sichergestellt werden.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Haftung, Asylantrag, Krankheit, Behandlungskosten
Normen: AufenthG § 68
Auszüge:

[...]

Die Klage ist im Hinblick auf die Bescheide betreffend … und … begründet. Diese Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dagegen ist die Klage im Hinblick auf den Bescheid betreffend … unbegründet, weil dieser Bescheid rechtmäßig ist.

Die Bescheide bezüglich der Haftung für den Lebensunterhalt von … und … sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da die Beklagte die Auswirkungen des noch schwebenden Asylverfahrens auf die Haftung des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt hat.

Eine Verpflichtungserklärung verliert ihre Wirksamkeit, wenn der Ausländer in eine Position hineinwächst, in der er unabhängig von der Lebensunterhaltssicherung einen Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Sie kann daher nicht mehr Grundlage eines Erstattungsanspruchs hinsichtlich solcher Mittel sein, die nach diesem Zeitpunkt aufgewendet wurden (VG Ansbach, Urteil vom 21. August 2008 - AN 5 K 08.01116 - juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 12. Dezember 2008 - 5 K 3672/07 -, juris Rn. 28; VG Hannover, Urteil vom 20. November 2001 - 3 A 3320/01 -, InfAuslR 2002, 195 f.; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 5). Nach der Rechtsprechung der Kammer (VG Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2011 - 11 A 583/11 - juris; Urteil vom 7. September 2011 -11 A 2205/10 u.a. - juris) entfällt die Haftung nach § 68 AufenthG allerdings nicht schon allein auf Grund der Stellung eines Asylantrages (vgl. ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 27. Februar 2006 - 11 S 1857/05 - juris, Rn. 30; BayLSG, Urteil vom 12. November 2008 - L 11 B 845/08 AY - juris, Rn. 28; VG Hannover, Urteil vom 22. Juli 2011 - 3 A 6111/08 - juris, Rn. 32; VG Braunschweig, Gerichtsbescheid vom 1. Juni 2006 - 3 A 192/05 - juris, Rn. 16; wohl auch Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 ff.; a.A. VGH München, Urteil vom 3. März 1998 - 12 B 96.3002 - juris, Rn. 26; VG Minden, Urteil vom 11. November 2002 - 11 K 1203/02 - juris Rn. 24; wohl auch Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Rn. 21 zu § 68). Die dadurch nach § 55 AsylVfG eintretende Aufenthaltsgestattung führt zwar zur Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes, hat aber lediglich verfahrenssichernde Funktion. Die gegenteilige Ansicht würde dem Schutzbedürfnis der öffentlichen Hand nicht hinreichend gerecht. [...] Nach der Rechtsprechung der Kammer entfällt die Haftung nach § 68 AufenthG für den Zeitraum des Asylverfahrens aber rückwirkend, wenn dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung zuerkannt wird (VG Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2011 - 11 A 583/11 - juris; Urteil vom 7. September 2011 -11 A 2205/10 u.a. - juris).

Dies hindert die die Behörde allerdings nicht grundsätzlich daran, schon während des laufenden Asylverfahrens einen Heranziehungsbescheid gegen den Verpflichteten zu erlassen, sofern dieser Bescheid wieder aufgehoben wird, wenn das Asylverfahren Erfolg hat und die Haftung rückwirkend entfällt (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2011 - 11 A 583/11 - juris; Urteil vom 7. September 2011 -11 A 2205/10 u.a. - juris). Wie die Behörde dies sicherstellt, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen. Zwar ist ein nach § 68 AufenthG Verpflichteter im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es Ermessenserwägungen bedarf; nur in atypischen Fällen ist eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - InfAuslR 1999, 182 188>). Ein solcher atypischer Fall liegt aber vor, wenn das Asylverfahren der Ausländer, für die gehaftet wird, noch nicht abgeschlossen ist. Denn dann besteht - abweichend vom Regelfall - die Möglichkeit, dass die Haftung des Verpflichteten wieder rückwirkend entfällt. Wann es hier im Hinblick auf die Rechte des Haftenden geboten ist, schon im Heranziehungsbescheid mit einer auflösenden Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) (vgl. hierzu VG Oldenburg, Urteil vom 24. Oktober 2011 - 11 A 583/11 - juris) oder in anderer Weise (z.B. einer Rücknahmezusicherung, §§ 38, 48 VwVfG) deutlich zumachen, dass die Haftung noch in der Schwebe ist, bemisst sich vor allem nach der Wahrscheinlichkeit, mit der ein rückwirkender Wegfall der Haftung zu erwarten ist - d.h. also letztendlich nach den Erfolgsaussichten des Asylverfahrens. Es kann der (Sozial-)Behörde, die den Heranziehungsbescheid erlässt, allerdings nicht zugemutet werden, sich inhaltlich mit der asylrechtlichen Problematik des Ausländers, für den gehaftet wird, auseinanderzusetzen. Deswegen ist hier nur eine Anknüpfung an die formale, typisierende Einschätzung der Erfolgsaussichten des Asylverfahrens durch den Gesetzgeber möglich. Eine solche Einschätzung wurde im AsylVfG im Zusammenhang mit der Frage getroffen, wann dem Asylbewerber der Aufenthalt in Deutschland erlaubt wird und wann er schon im Vorgriff auf die rechtskräftige Entscheidung im Asylverfahren abgeschoben werden darf. Im letztgenannten Fall erscheint ein Erfolg des Asylverfahrens dem Gesetzgeber als sehr fernliegend; anders wäre nicht zu erklären, wieso der Ausländer schon jetzt in den angeblichen Verfolgerstaat zurückgeführt werden darf. Eine so fernliegende Möglichkeit des Haftungswegfalls muss dann aber auch im Heranziehungsbescheid nach § 68 AufenthG nicht schon vorsorglich berücksichtigt werden. Im erstgenannten Fall hält der Gesetzgeber einen Erfolg des Asylantrags dagegen für ernsthaft möglich und möchte daher nicht, dass durch eine Abschiebung während des Asylverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen werden. Wenn die Behörde sich in dieser Situation entscheidet, einen Heranziehungsbescheid zu erlassen, obwohl ernsthaft mit einem rückwirkenden Wegfall der Forderung zu rechnen ist, gebieten es Treu und Glauben, dem Betroffenen diesen Umstand offen zu legen. Die Behörde darf es nicht dem rechtsunkundigen Bürger aufbürden, die Ungewissheit seiner Haftung und die daraus für ihn in Zukunft möglicherweise resultierenden Rechte zu erkennen. Dies gilt umso mehr als der Verpflichtete dann, wenn er keinen Kontakt zu dem Ausländer mehr hat, gar nichts von dem Asylverfahren und seinem Stand erfährt, so dass er seine daraus resultierenden Rechte faktisch kaum wahrnehmen könnte (z.B. in dem er die Rücknahme des Heranziehungsbescheides beantragt). Zusammenfassend ist daher festzustellen: Wurde der Asylantrag des Ausländers, für den gehaftet wird, noch nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschieden (§ 55 Abs. 1 AsylVfG), oder hat die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage kraft Gesetzes (§ 75 AsylVfG) oder richterlicher Anordnung (§ 80 Abs. 5 VwGO) aufschiebende Wirkung, ist der Erlass eines Heranziehungsbescheid nach § 68 AufenthG nur ermessensfehlerfrei, wenn auf den Schwebezustand der Haftung hingewiesen und eine Aufhebung des Bescheides im Falle eines Erfolgs des Asylverfahrens sichergestellt wird.

An diesem Maßstab gemessen sind die Heranziehungsbescheide bezüglich … und …. ermessensfehlerhaft. Denn die hierfür zuständige Kammer des erkennenden Gerichts hatte am 30. September 2010 die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen gegen die Ablehnungsbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angeordnet. Dennoch lassen die Bescheide nicht im Geringsten erkennen, dass der endgültige Bestand der Haftung noch unsicher ist und sie in Zukunft möglicherweise wieder aufgehoben werden müssen.

Im Übrigen ist der Bescheid betreffend … noch aus einem anderen Grund ermessensfehlerhaft. Ein Ausnahmefall, in dem Ermessenserwägungen geboten sind, liegt nämlich auch vor, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - InfAuslR 1999, 182 188>). Zu berücksichtigen sind neben der Höhe der zu erstattenden Betrags unter anderem der Zweck des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485 487>) sowie die Frage, ob die Behörden bei der Entgegennahme der Verpflichtungserklärung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erklärenden geprüft haben (vgl. Dienelt, in: Renner. AuslR, 9. Aufl., § 68 Rn. 9; Funke-Kaiser; GK-AufenthG, § 68 Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 11 LC 88/06 -, juris; ähnl. auch BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 187 ff.>). Zwar hat der Kläger im Visumverfahren Verdienstbescheinigungen vorgelegt (vgl. Bl. 33 bis 35 der Ausländerakte des …), so dass davon ausgegangen werden muss, dass seine Leistungsfähigkeit geprüft wurde. Dies schließt jedoch nach der Rechtsprechung der Kammer das Vorliegen eines Ausnahmefalls unter der Aspekt der unzumutbaren Belastung nicht zwingend aus (VG Oldenburg, Urteil vom 16. April 2008 - 11 A 5223/06 -, LS. in NVwZ-RR 2008, 832). Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Heranziehung des Klägers zu den vollen Lebensunterhaltskosten bestehen hier in Bezug auf …. Wegen der schweren Erkrankung dieser Ausländerin beliefen sich die Lebensunterhaltskosten (hauptsächlich: Behandlungskosten) innerhalb von nur dreizehn Monaten auf 36.772,40 EUR. Dieser Betrag ist außergewöhnlich hoch; es ist naheliegend, dass seine Begleichung dem Kläger auch bei einem Einkommen von circa 4.000 EUR netto pro Monat erhebliche Schwierigkeiten bereiten wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger Frau … zwar aus privaten, aber dennoch menschlich nachvollziehbaren Gründen zu einem Besuch in Deutschland eingeladen hat. Es handelt sich bei ihr nicht um eine flüchtige Bekannte oder gar völlig Unbekannte, sondern um die Schwester seiner Ehefrau. Um sich vor dem Risiko im Krankheitsfall zu schützen, schloss der Kläger für den erwarteten Zeitraum des Besuchs eine Krankenversicherung für sie ab (vgl. Bl. 43 d. Ausländerakte von …). Bei der Ermessensausübung muss berücksichtigt werden, dass die Gesamthöhe der Behandlungskosten, für die der Kläger im Falle eines Scheitern des Asylverfahrens von Frau … haften muss, völlig unabsehbar ist und sie ihn wirtschaftlich ohne weiteres ruinieren könnten. Einerseits ist es legitimes Ziel des § 68 AufenthG, die durch Sozialleistungen für Ausländer entstehenden Belastungen auf denjenigen abzuwälzen, der den Aufenthalt des Ausländers in Deutschland gewünscht hat, andererseits darf es aber für einen Normalverdiener auch nicht zu einem unkalkulierbaren, ruinösen Risiko werden, wenn er ausländische Verwandte zu einem Besuch einlädt. Damit schließt der Einzelrichter nicht aus, dass die Beklagte den Kläger im Ergebnis auch zu den vollen Behandlungskosten für Frau ... heranziehen kann. Dies bedarf aber einer einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung, die Ausführungen zur wirtschaftlichen Situation des Klägers, zur Vorhersehbarkeit des Entstehens außergewöhnlich hoher Kosten im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung sowie zum Zweck der Verpflichtungserklärung enthalten muss. Eine solche Ermessensentscheidung wurde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen. Dagegen bedurfte es bezüglich ... unter diesem Aspekt keiner Ermessensentscheidung. Zwar sind auch bei ihr Behandlungskosten angefallen. Die Gesamtkosten bewegen sich hier aber mit rund 6.000 EUR noch in einem Bereich, der nicht außer Verhältnis zum Einkommen des Klägers steht. Die Erfüllung dieser Forderung mag für den Kläger zwar schwierig sein, sie bringt ihn aber erkennbar nicht in die Gefahr des wirtschaftlichen Ruins.

Der Bescheid betreffend … ist dagegen rechtmäßig.

Die Haftung nicht durch den zwischen der ZAAB Niedersachsen und dem Kläger vor dem VG Braunschweig (4 A 245/09) geschlossenen Vergleich ausgeschlossen. An diesem Vergleich war die Beklagte des vorliegenden Verfahrens nicht beteiligt, so dass er für sie auch nicht bindend sein kann. Er betraf nur die Forderungen, die die ZAAB Niedersachsen wegen der von ihr aufgewandten Mittel hatte.

Der Kläger kann sich auch nicht auf seine angeblich schlechte finanzielle Situation berufen. Mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit führt nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung nur dann zur Unwirksamkeit der Verpflichtungserklärung, wenn der Erklärende von vornherein erkennbar wirtschaftlich außerstande war, irgendeine Haftung zu übernehmen. In weniger krassen Fällen hat sie dagegen nur zur Folge, dass möglicherweise höhere Anforderungen an die Ermessensentscheidung, den Verpflichteten heranzuziehen, zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 187 ff.>; Dienelt, in: Renner, AuslR, 9. Aufl., § 68 Rn. 9; Funke-Kaiser; GK-AufenthG, § 68 Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 11 LC 88/06 -, juris). Den Blättern 33 bis 35 der Ausländerakte des … kann entnommen werden, dass der Kläger im Visumsverfahren zum Nachweis seiner finanziellen Leistungsfähigkeit die Verdienstbescheinigungen für April bis Mai 2009 eingereicht hatte. Danach hatte er damals einen Nettoverdienst von 4.299,67 EUR im Monat. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass er erkennbar zu jeder Art von Haftung für den Lebensunterhalt eines Ausländers außerstande war.

Die Verpflichtungserklärung bezieht sich auch auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Sie erstreckte sich nicht nur auf den Geltungszeitraum des Besuchervisums (15. Juni bis 14. September 2009). Der Geltungsdauer des Visums kommt keine entscheidende Bedeutung für die zeitliche Ausdehnung der Haftung des Verpflichtungsgebers zu. Denn die Verpflichtungserklärung soll einer Belastung der öffentlichen Kassen während des gesamten sich an die Einreise anschließenden Aufenthalts des Ausländers in Deutschland vorbeugen. Die Verpflichtung endet in der Regel erst mit dem Ende des Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 184>). Sie ist nur dann auf die Geltungsdauer des Besuchervisums, zu dessen Erteilung sie abgegeben wurde, beschränkt, wenn der Erklärende dies eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (ähnl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 486>; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 20). Ob es für den Verpflichtungsgeber absehbar war, dass der Ausländer nach seiner Einreise einen Asylantrag stellen wird, ist in diesem Zusammenhang irrelevant (OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 488>). Eine eindeutige Haftungsbeschränkung auf die Geltungsdauer des Besuchervisums vermag der erkennende Einzelrichter im Gegensatz zum Berichterstatter des VG Braunschweig im Verfahren des Klägers gegen die ZAAB Niedersachsen (vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 17. Februar 2010, - 4 A 245/09 -) der streitgegenständlichen Verpflichtungserklärung nicht zu entnehmen. In der Verpflichtungserklärung des Klägers steht unter der Rubrik "Dauer der Verpflichtung" eindeutig: "vom Beginn der voraussichtlichen Gültigkeit des Visums bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländer/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Eine Änderung in dieser Rubrik im Hinblick auf eine kürzere Geltungsdauer hat nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund ist es keine eindeutige Haftungsbeschränkung, wenn auf einer anderen Seite des Formulars in völlig anderem Zusammenhang vermerkt ist, der Zweck des Aufenthalts sei eine maximal dreimonatige Besuchsreise.

Die Haftung des Klägers endete - wie oben ausgeführt - auch nicht allein deswegen, weil … einen Asylantrag gestellt hat.

Der Kläger haftet daher nach § 68 Abs. 1 AufenthG für sämtliche Mittel, die die Beklagte für den Lebensunterhalt des … aufgewendet hat und die nicht auf einer Beitragsleistung beruhen. Die Kosten sind in der Sozialhilfeakte von … jeweils im Einzelnen aufgestellt und nachgewiesen (vgl. insbes. Bl. 12 und Bl. 49 f.). Der Kläger bzw. seine Verfahrensbevollmächtigte hätten diese Unterlagen gem. § 29 VwVfG jederzeit einsehen können. Daher war es nicht erforderlich, die Zusammensetzung der Forderung im Bescheid selbst im Einzelnen zu belegen. Konkrete Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit einzelner Posten hat der Kläger nicht erhoben und sind auch für das Gericht nicht ersichtlich.

Die Heranziehung des Klägers zu den Lebensunterhaltskosten für … war auch weder generell noch im Hinblick auf den Zeitpunkt ermessensfehlerhaft. Im Regelfall ist der nach § 68 AufenthG Verpflichtete zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es Ermessenserwägungen bedarf. Nur in atypischen Fällen ist eine Ermessensentscheidung zu treffen. Ein Regelfall liegt vor, wenn die Voraussetzungen des Aufenthaltstitels einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - InfAuslR 1999, 182 188>). Hier betragen die für … aufgewandten Kosten 1.788,99 EUR. Dieser Betrag überfordert den Kläger angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unzumutbar. Der Gesichtspunkt, dass das Asylverfahren des … noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und die Haftung des Klägers daher rückwirkend entfallen könnte, musste im Heranziehungsbescheid nicht erwähnt werden. Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 9. Februar 2010 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage blieb erfolglos (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 30. September 2010 - 3 B 614/10 -). Damit ist ein Erfolg des Asylverfahrens hier so fernliegend, dass diese Möglichkeit nach den oben erarbeiteten Grundsätzen nicht schon im Heranziehungsbescheid vorsorglich berücksichtigt werden musste. [...]