VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Beschluss vom 16.02.2012 - W 1 S 12.30019 - asyl.net: M19488
https://www.asyl.net/rsdb/M19488
Leitsatz:

Die unterbliebene Benachrichtigung des Bevollmächtigten über den Termin zur mündlichen Anhörung nach § 25 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG steht einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet entgegen.

Schlagwörter: ernstliche Zweifel, rechtliches Gehör, offensichtlich unbegründet
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 4 S. 1, AsylVfG § 25 Abs. 4 S. 4
Auszüge:

[...]

Der Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Januar 2012 nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig. Er ist auch begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).

Die für eine einwöchige Ausreisefrist gesetzlich vorgesehene Feststellung, dass der Asylantrag offensichtlich unbegründet sei, wurde verfahrensfehlerhaft getroffen. Denn nach § 25 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG war vorliegend neben den Antragstellern auch ihr Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin zu verständigen. Dies ist aber nach den dem Gericht vorliegenden Akten unterblieben. Nach dem Eingangsstempel des Bundesamtes gingen die Vollmachten für die beiden Antragsteller am 13. Oktober 2011 dort ein. Die Terminbenachrichtigungen für die beiden Antragsteller datieren ebenfalls vom 13. Oktober 2011. Selbst wenn dem zuständigen Sachbearbeiter die Vollmachten erst nach Auslauf der Terminbenachrichtigungen vorgelegen haben sollten, hätte der Bevollmächtigte der Antragsteller von dem Anhörungstermin unterrichtet werden müssen. § 25 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG ist erkennbar dem Schutz des verfassungsrechtlich gebotenen rechtlichen Gehörs des Asylsuchenden zu dienen bestimmt. Dem Wortlaut nach handelt es sich um eine zwingende Vorschrift. Der Gesetzgeber hat sie nicht - wie bei ähnlichen Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (z.B. § 14 Abs. 3 VwVfG) - lediglich als Sollvorschrift ausgestaltet. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass an dessen Einhaltung materiell-rechtliche Folgen zu knüpfen sind. Auch die Nachsendung von Ausfertigungen der Anhörungsniederschriften an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und die Gewährung von Akteneinsicht reichen nicht aus, da § 25 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG die Mitwirkung bei der Anhörung zu sichern bestimmt ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine unterbliebene Benachrichtigung eines Verfahrensbevollmächtigten nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist, ist innerhalb der Rechtsprechung umstritten. Nach den Anforderungen, die die verfasssungsgerichtliche Rechtsprechung an die offensichtliche Unbegründetheit eines Asylantrags stellt, steht bereits dieser Umstand einer Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet entgegen (ebenso VG Saarland, B.v. 21.08.2000, 6 F 80/00.A, juris; VG München, B.v. 09.01.1995, M 23 S 95.60003, juris). Dem Antrag war daher - ohne dass es auf die vom Antragstellerbevollmächtigten aufgeworfenen weiteren Rechtsfragen ankommt - mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. [...]