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VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 17.10.2011 - 5 A 14/11 - asyl.net: M19509
https://www.asyl.net/rsdb/M19509
Leitsatz:

Eine Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma aus dem Kosovo, die an Leukämie erkrankt und auf umfassende Betreuung angewiesen ist, kann nicht in einem Seniorenwohnheim im Kosovo untergebracht werden. Bei Abschiebung würde die Gefahr einer Verschlimmerung der Krankheiten drohen.

Schlagwörter: Erkrankung, Krankheit, familiäre Beistandsgemeinschaft, alleinstehende Frauen, Roma, Kosovo
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Allerdings liegen bei der Klägerin Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der bei ihr vorliegenden Erkrankungen und ihrer Betreuungsbedürftigkeit vor. Denn die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten in seiner Heimat unzureichend sind, kann als erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG darstellen, wenn sich der Gesundheitszustand aufgrund der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten wesentlich verschlechtern würde und der Ausländer alsbald nach der Rückkehr in seine Heimat in diese Lage käme, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (std. Rechtsprechung des BVerwG, Urt. v.09.09.1997 - 9 C 48.96 - 1nfAuslR 1998, S. 125, Urt. v. 25.1 1.1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383, Urt. v. 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, S. 973, BVerwG, Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05). Ein ausreisepflichtiger Ausländer kann aber auch unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK nicht verlangen, im Bundesgebiet zu bleiben; nur um eine optimale medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen (EGMR, Entscheidung vom 16.02.2000, InfAuslR 2000, S. 421).

Das ist bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer der Fall.

Zwar ist ausweislich der von der Beklagten eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft in Pristina die Kontrolle der Leukämie an der die Klägerin leidet, durchführbar, dies lässt allerdings zur Überzeugung der Kammer ebenso wie die von der Beklagten eingeholte Kostenübernahmeerklärung der zuständigen Ausländerbehörde vorn 02.11.2010 eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Klägerin in ihrem Einzelfall nicht entfallen. Denn die Klägerin ist eine geschiedene alleinstehende Frau und Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma aus dem Kosovo, die zudem noch schwer erkrankt und auf die Betreuung ihrer Töchter angewiesen ist. Diese haben in ihrer Vernehmung überzeugend bekundet, dass ihre Mutter von ihnen quasi wechselseitig rund um die Uhr betreut wird und diese als Analphabetin nicht einmal in der Lage ist, ohne Hilfe die erforderlichen Medikamente in der entsprechenden Reihenfolge einzunehmen. Auch der persönliche Eindruck, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, bestätigt die Diagnosen ihres behandelnden Hausarztes. Die Klägerin ist arbeitsunfähig und wiegt nur 34 kg. Eine Fremdbetreuung im Kosovo ist zur Überzeugung der Kammer nicht möglich. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vorn 06.01.2011 Seite 37 gibt es im Kosovo drei staatliche Seniorenheime, die insgesamt der Kapazitäten von - nur - 185 Plätzen verfügen. Aufnahmemöglichkeiten für Personen, die gegenüber dem Sozialministerium nachweisen können, diese Kriterien zu erfüllen, bestehen abhängig von der Belegungssituation zum jeweiligen Zeitpunkt der Anfrage. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Lageberichts waren danach im Seniorenheim Pristina einige wenige Plätze frei. Unter diesen Umständen vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass eine Versorgung der Klägerin durch Dritte sichergestellt ist. Aufgrund der besonderen Situation der Klägerin liegt auch aufgrund der Wirkung der Grundrechte eine Ermessensreduzierung auf Null vor (Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28.01.1999 - 11 L 4582/98 -). [...]