VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 29.02.2012 - 5 ZB 11.1767 - asyl.net: M19531
https://www.asyl.net/rsdb/M19531
Leitsatz:

Die Einbürgerungsbehörde ist im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG an die Tatbestandswirkung eines tatsächlich erteilten Aufenthaltstitel gebunden. Aufgrund von § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entfällt die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts mit Bekanntgabe des Widerrufs der Niederlassungserlaubnis.

Schlagwörter: Einbürgerung, Widerruf des Aufenthaltstitels
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 , AufenthG § 84 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat weder einen einzelnen Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (s. dazu BVerfG vom 21.1.2009, JZ 2009, 850/851; vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164).

Die Klägerin meint unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 7. März 2005 (Az. 10 E 4094/04 <juris>) und die Kommentierung von Geyer (HK-AuslR, 2008, RdNr. 16 zu § 10 StAG), dass auch ein bereits widerrufener Aufenthaltstitel für das Staatsangehörigkeitsrecht Geltung beanspruche, solange der Widerrufsbescheid nicht bestandskräftig sei. Andernfalls habe es die Behörde nämlich in der Hand, den Einbürgerungsanspruch trotz des Erreichens des dort vorausgesetzten rechtmäßigen Aufenthalts von acht Jahren mittels eines bloßen Widerrufs des Aufenthaltstitels zu Fall zu bringen.

Diesem Rechtsstandpunkt ist das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat Bezug nimmt, nicht gefolgt. Die Einbürgerungsbehörde ist zwar im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG an die Tatbestandswirkung eines tatsächlich erteilten Aufenthaltstitels gebunden. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen indes Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit einer Ausweisung oder eines sonstigen Verwaltungsakts, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt (vgl. zum Ganzen Berlit in GK-StAR, RdNrn. 200 ff. zu § 10 StAG). Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts endete mithin mit der Bekanntgabe des Widerrufs der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Hailbronner, AuslR, RdNr. 38 zu § 84 AufenthG). Weder Gründe einer verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutzgewährung noch die Beachtung der "Unbeschadet-Formel" (vgl. hierzu Funke-Kaiser in GK-AufenthG, RdNrn. 36 ff. zu § 84 AufenthG) stehen hier entgegen, die Änderung der Rechtsstellung, die durch diesen Widerruf herbeigeführt worden ist, staatsangehörigkeitsrechtlich zu beachten (vgl. auch Makarov/ v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, RdNr. 52 zu § 85 AuslG). Denn aus der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten, die Rechtsstellung der Klägerin durch Einbürgerung zu verbessern (vgl. Jacob VBlBW 2008, 418/426). Wegen der unanfechtbaren Aussetzung des ausländerrechtlichen Verfahrens über den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die Anfechtungklage gegen den Widerrufsbescheid abweisende Urteil konnte das Einbürgerungsverfahren nicht einstweilen offengehalten werden (vgl. dazu Jacob a.a.O., Berlit a.a.O. RdNr. 205). Sollte die Klägerin jedoch dort später erfolgreich sein, wäre keine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eingetreten. [...]