VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 30.01.2012 - 6 K 812/11.A - asyl.net: M19705
https://www.asyl.net/rsdb/M19705
Leitsatz:

Der Flüchtlingsschutz geht teilweise über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. Erfasst werden - nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylVfG - auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, zu denen auch private (Einzel-)Personen (z.B. Familienmitglieder) zählen können, sofern die staatlichen Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Schlagwörter: Flüchtlingsschutz, Asylrecht, selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Nachfluchtgründe, nichtstaatliche Verfolgung, anderweitige Sicherheit vor Verfolgung, Rückkehr, Familienangehörige, Familienehre, Schutz der Familienehre, nicht willens oder in der Lage, Türkei, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Ehre,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2-7, AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 3 Abs. 1, AsylVfG § 28 Abs. 1 a, AufenthG § 60 Abs. 1 s. 4 c, RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) - weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. [...]

Der Kläger ist bereits nicht vorverfolgt ausgereist. Er war und ist nicht von politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bedroht.

Der Kläger hat insoweit selbst auch nicht geltend gemacht, dass er auf der Flucht vor eingetretener oder drohender politischer Verfolgung durch türkische Sicherheitskräfte ausgereist sei und er aus diesem Grund bei einer Rückkehr vor erneuter staatlicher Verfolgung nicht hinreichend sicher wäre. Er hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vielmehr angegeben, er sei von der Familie seiner früheren Frau mit dem Tode bedroht worden und befürchte zudem, durch seine eigene Familie eines - künftigen, noch nicht geschehenen - Verbrechens bezichtigt zu werden. Damit beschreibt der Kläger aber keine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG, da es sich insofern ausschließlich um Verfolgungshandlungen privater Dritter handelt, die nicht an anerkennungsrelevante persönliche Merkmale anknüpfen.

Die subjektiv durch den Kläger empfundene (Lebens-)Gefahr ist bei objektiver Betrachtung schon nicht hinreichend konkret.

Soweit er sich in der Gefahr sieht, bei einer Rückkehr von seinen eigenen Familienangehörigen der - hypothetischen - Ermordung seiner früheren Ehefrau und seines - untergetauchten - Bruders bezichtigt zu werden, handelt es sich bei der befürchteten Falschbeschuldigung um ein mögliches Szenario, vor dem zum einen niemand sicher ist und das zum anderen offenkundig nicht an persönliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG anknüpft. Insoweit wäre der Kläger gehalten, sich gegen eine derartige Anschuldigung, sollte sie überhaupt irgendwann einmal relevant werden, mit den auch in der Türkei vorhandenen rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Dass ihm dies, etwa wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit, nicht möglich wäre, ist nach der Erkenntnislage und angesichts dessen, dass er wohl zumindest auch mit der Unterstützung seiner Eltern rechnen könnte, nicht zu erwarten.

Soweit der Kläger eine Gefahr durch die Familienangehörigen seiner früheren Ehefrau befürchtet, beruht diese Annahme bereits nicht auf dem persönlichen Erleben einer gegen ihn gerichteten ernsthaften Drohung, sondern vielmehr lediglich auf Hörensagen, namentlich den Angaben der Mutter, die ihrerseits von Verwandten gehört haben will, dass der Kläger wegen der Vorfälle um den Ehebruch seiner Frau getötet werden solle. [...] Wenn die Familie der Ex-Frau sich an der Familie des Klägers hätte rächen wollen, wäre dies nach allem, was zum Komplex "Blutrache" bzw. "Ehrenmord" bekannt ist, inzwischen längst geschehen. Nach den Angaben des Klägers ist in der Heimat aber, abgesehen von gelegentlichen verbalen Beleidigungen, "nichts Ernsthaftes" passiert. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass die vom Kläger subjektiv empfundene Gefahr objektiv nicht oder jedenfalls nicht in dem befürchteten Ausmaß besteht.

Dass der türkische Staat nicht willens oder in der Lage (gewesen) ist, in derartigen Fällen mit rechtsstaatlichen Mitteln Hilfen anzubieten und den Kläger wirksam vor den Bedrohungen der Familie seiner früheren Ehefrau, die wohl dem Bereich der Straftaten "zum Schutz der Familienehre" (sog. "Ehrenmord") zuzuordnen sind, zu schützen, ist nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen über die Verhältnisse in der Türkei ebenfalls nicht anzunehmen.

Nach Art. 7 Abs. 2 QualRL ist staatlicher Schutz vor Verfolgung grundsätzlich dann als gewährleistet anzusehen, wenn die staatlichen Akteure Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Dies ist in der Türkei grundsätzlich der Fall.

Die früher geltende Vorschrift des Art. 462 des türkischen Strafgesetzbuches (tStGB), die eine Strafmilderung (auf bis zu 1/8 der Strafe) für Verbrechen vorsah, die zum Schutz der Familienehre ("töre") begangen wurden, ist mit Art. 19a des Gesetzes Nr. 4928 im Juni 2003 abgeschafft worden. Art. 82 des neuen, ab 1. Juni 2005 geltenden tStGB sanktioniert ausdrücklich eine vorsätzliche Tötung aus Gründen der "Ehre" ("töre saiki") mit erschwerter lebenslanger Haft. Seit dem Jahr 2004 wurden mehrfach sog. "Ehrenmorde" ("töre infazi") mit lebenslangen Haftstrafen geahndet (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 27. Juli 2006 (Stand: Juni 2006), S. 30 f., vom 18. April 2011 (Stand: Februar 2011), S. 17, und Auskunft vom 1. April 2005 an VG Schleswig; Thalheimer, "Ehrenmorde" in der Türkei, in: Der Einzelentscheider-Brief 6/05, S. 4 f.; taz vom 3. Juli 2004; Majid Sattar in FAZ vom 8. August 2006; Gerd Höhler in FR vom 15. August 2006 und vom 30. Januar 2007; ACCORD vom 21. März 2007; Spiegel online vom 6. August 2010).

Der türkische Staat ist auch grundsätzlich willens und in der Lage, gegen kriminelle Übergriffe durch Privatpersonen einzuschreiten und den Betroffenen insoweit Schutz zu gewähren. Nach den vorliegenden Erkenntnissen gilt dies gerade auch für Blutrachetaten, die vom türkischen Staat hart geahndet werden, und zwar unabhängig von der Volkszugehörigkeit der betroffenen Familien bzw. der Täter, da diese den staatlichen Interessen wegen Verstoßes gegen das staatliche Straf- und Gewaltmonopol zuwiderlaufen (vgl. Auswärtiges Amt, u.a. Auskunft vom 17. Juli 2002 an VG Schleswig; VG Aachen, Urteile vom 21. April 2004 - 6 K 1854/02.A - und vom 26. April 2004 - 6 K 261/02.A -, beide unveröffentlicht; VG Braunschweig, Urteil vom 18. August 2003 - 5 A 278/03 -; VG Regensburg, Urteil vom 10. Juli 2003 - RN 13 S -, beide <juris>).

Von einer stillschweigenden oder einvernehmlichen Duldung bzw. Tolerierung der Blutrache durch den türkischen Staat kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein. Dass der türkische Staat einen absoluten, lückenlosen Schutz insoweit nicht gewährleisten kann, liegt auf der Hand und steht der Annahme einer grundsätzlichen Schutzbereitschaft und -fähigkeit des türkischen Staates nicht entgegen, weil ein lückenloser Schutz bei der Bekämpfung kriminellen Unrechts durch keinen Staat garantiert werden kann. Es kann nach alledem nicht davon ausgegangen werden, dass ein nachdrückliches und ernsthaftes Schutzgesuch keine Aussicht auf Erfolg versprochen hätte (vgl. VG Aachen, Urteile vom 23. Oktober 2006 - 6 K 2348/05.A - und vom 11. Oktober 2006 - 6 K 4487/04.A -; a.A. (für Ehrenmorde gegen Frauen) VG des Saarlandes, Urteil vom 24. November 2010 - 6 K 90/10 -, alle <juris>).

Nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG ("erwiesenermaßen") muss aber feststehen, dass der türkische Staat nicht willens oder nicht in der Lage gewesen ist, Schutz vor der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren. Der von Verfolgung Bedrohte muss daher, weil es sich auch insoweit um persönliche Umstände handelt, konkrete Tatsachen und Umstände bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass er erfolglos um Schutz nachgesucht hat. Er muss die persönlichen Umstände, Verhältnisse und Erlebnisse mit Blick auf das Schutzbegehren schlüssig und hinsichtlich Ort und Zeit detailliert und vollständig darlegen (vgl. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 104 m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG)).

Diese Anforderungen sind hier erkennbar nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht substanziiert vorgetragen, dass in seinem konkreten Fall abweichend von der für den Regelfall gültigen Annahme besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er mit einer Versagung staatlichen Schutzes zu rechnen (gehabt) habe. [...]

Die Kammer kann daher aus den genannten Gründen nicht davon ausgehen, dass staatlicher Schutz in der Türkei erwiesenermaßen nicht zu erlangen (gewesen) ist, zumal dem Kläger auch ein Ausweichen in andere Landesteile zugemutet werden könnte (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 18 B 1618/01 -; VG Gießen, Urteil vom 16. Februar 2009 - 10 K 1560/08.GI.A -, beide <juris>).

Damit kann sich der Kläger aber im vorliegenden Zusammenhang - aus Gründen der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes - nicht mit Erfolg auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 lit. c) AufenthG berufen.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist auch hinsichtlich der in seiner Ziffer 3. erfolgten Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die infolge des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz) eingetretene Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich in Asylverfahren von Gesetzes wegen der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in die Türkei geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, <juris>).

Der Kläger hat aber weder einen Anspruch auf die Feststellung eines der unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines sonstigen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbotes nach nationalem Recht (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG).

Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrundezulegen. Der für den Ausländer günstigere sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt und auf den Flüchtlingsschutz übertragen worden ist, war und ist im Rahmen des subsidiären Abschiebungsschutzes nicht anzuwenden. Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab hat auch in die Qualifikationsrichtlinie keinen Eingang gefunden, sondern ist durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 QualRL ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie gilt. Diese Nachweiserleichterung ist nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen der unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, beide a.a.O.; OVG NRW, Urteile vom 17. April 2007 - 8 A 2771/06.A -, und vom 29. Juli 2008 - 15 A 620/07.A -, beide a.a.O.).

Ausgehend hiervon droht dem Kläger in der Türkei weder die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG), noch ist er bei Aufenthalt in der Westtürkei einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG). Der Kläger hat im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG wegen drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (entsprechend Art. 15 Buchst. b QualRL). Der Kläger hat seine Heimat - wie aufgezeigt - unverfolgt verlassen. Konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Foltergefahr bestehen nicht.

Letztlich sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG ebenfalls nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dass dem Kläger aber bei einer Rückkehr in die Türkei eine gezielte, mit Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit) unvereinbare Freiheitsentziehung oder durch gezielte hoheitliche Maßnahmen die Verletzung einer der in Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) oder Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) verbürgten, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannten Menschenrechtsgarantie in ihrem Kern drohen würde, macht er selbst nicht geltend und ist nach dem zuvor zur Frage der Flüchtlingsanerkennung Gesagten auch nicht zu erkennen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist allein das Bestehen einer konkreten individuellen Gefahr für die genannten Rechtsgüter ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 18. Januar 2005 - 8 A 1242/03.A -, <juris>; vgl. zu der früheren - weitgehend wortgleichen - Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zudem: BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 ff., und vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 ff.).

Für das Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr ist der Begriff der Gefahr im Ansatz mit dem im asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit angelegten Gefahrenbegriff identisch, wobei allerdings aufgrund der Tatbestandsmerkmale der "konkreten" Gefahr für "diesen" Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Januar 2005 - 8 A 1242/03.A -, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46, und Urteil vom 9. März 1996 - 9 C 116.95 -, NVwZ 1996, Beilage Nr. 8, S. 57 m.w.N.), die überdies landesweit droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, a.a.O.).

Gemessen an diesen Anforderungen steht dem Kläger ein zielstaatsbezogener Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu.

Hinsichtlich der geltend gemachten Bedrohung durch die Familie seiner früheren Ehefrau steht der Annahme einer solchen konkreten und erheblichen Gefahr bereits entgegen, dass der türkische Staat - wie zuvor dargelegt - nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln grundsätzlich willens und in der Lage ist, dem Kläger in der Türkei effektiven Schutz im Falle etwaiger Bedrohungen und/oder Gewaltanwendungen zu gewähren, wenn er diesen Schutz bei den staatlichen Institutionen einfordert. [...]