In Kamerun besteht ein nationales HIV/Aids Programm, bei dem lediglich eine geringe Eigenbeteiligung besteht. Die bestehende Korruption im Gesundheitswesen, die Überlastung des medizinischen Personals und dessen schlechte Bezahlung führen jedoch zu ernsthaften Problemen bei der Umsetzung des Programms. Soweit HIV-infizierte Personen Resistenzen gegen ihre Medikamente entwickeln, sind sie oftmals auf teurere, in Kamerun nicht erhältliche bzw. privat zu bezahlende Medikamente angewiesen.
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Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen leidet die Antragstellerin vorrangig an einer HIV-Infektion und einer Epilepsie, daneben sind Anpassungsstörung, schwere Depression und Gammopathie unklarer Genese von ihren behandelnden Ärzten diagnostiziert worden. Sie benötigt Combivir und Kalektra als antiretrovirale Therapie bzw. Levetiracetam und Citalopram für die Epilepsie. Ohne die Einnahme der Medikamente besteht innerhalb relativ kurzer Zeit ein deutlicher Abfall des Immunstatus und eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Patientin bzw. ein erneutes Auftreten von Epilepsieanfällen. Sie benötigt regelmäßige Verlaufskontrollen.
Zwar besteht nach der derzeitigen Auskunftslage (Lagebericht Kamerun des Auswärtigen Amtes vom 14.06.2011, Az.: 508-516.80/3 CMR) - wie auch vom VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil a.a.O. im Erstverfahren ausgeführt - in Kamerun grundsätzlich die Möglichkeit, eine antiretrovirale Therapie (ART) zu beginnen bzw. eine im Ausland begonnene Therapie in Kamerun weiterzuführen. Seit Mai 2007 sind grundsätzlich die Behandlungskosten und Medikamente im nationalen HIV/AIDS-Programm, zu dem jedermann Zugang hat, frei. Bei der Registrierung wird einmalig eine Gebühr von 3.000 CFA (ca. 4,50 Euro) fällig. Seit Mai 2007 wird ART landesweit kostenlos und in öffentlichen und akkreditierten privaten Krankenhäusern, aber auch von kirchlichen Anbietern zur Verfügung gestellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die sog. "First-Line-Medikamente" in Kamerun kostenlos abgegeben werden. Allerdings müssen alle Laboruntersuchungen (etwa zur Bestimmung der CD4-Zellen, der Viruslast, etc.) von den Patienten selbst bezahlt werden. Die Eigenbeteiligung beläuft sich nach einer Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jaunde vom 02.11.2010 an das Bundesamt, Geschäfts. Z.: RK-1-516.80, auf maximal 6.000 FCFA (ca. 9,00 Euro) für die Eigenbeteiligung an den alle 3 - 6 Monaten stattfindenden Laborkontrollen. Nach der Auskunftslage führen die im Land bestehende Korruption im Gesundheitswesen, die Überlastung des medizinischen Personals und deren schlechte Bezahlung zu ernsthaften Probleme bei der Umsetzung des staatlichen Programms. Insoweit wird auch auf die von dem Verfahrensbevollmächtigten eingeführten Stellungnahmen der Missionsärztlichen Klinik Würzburg vom 16.09.2011 bzw. die Auskunft der FSH vom 12.09.2011 Bezug genommen. Danach hatten 2009 auch nicht einmal die Hälfte der fortgeschritten HIV-Infizierten Zugang zum staatlichen kostenlosen System. Soweit HIV-infizierte Personen Resistenzen gegen ihre Medikamente entwickeln, sind sie oftmals auf teurere, in Kamerun nicht erhältliche bzw. privat zu bezahlende Medikamente angewiesen.
Hiervon ausgehend würde es der Antragstellerin bereits nicht beachtlich wahrscheinlich gelingen, über das nationale HIV/AIDS Programm die benötigten Medikamente zu erhalten. Nach einer Auskunft der deutschen Botschaft Jaunde vom 28.03.2011 an das VG Stuttgart zum Verfahren A 8 K 5180/10 werden die von ihr benötigten Medikamente nicht kostenlos abgegeben. Zusätzlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Medikamente auch nur soweit vorrätig abgegeben werden können und diese auch nicht jederzeit in allen Behandlungszentren verfügbar sind.
Erschwerend kommt jedoch vorliegend hinzu, dass diese zusätzlich an Epilepsie leidet.
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.06.2011, Az.: Gz: 508-516.80/3 CMR besteht grundsätzlich keine kostenlose Gesundheitsversorgung in Kamerun. Für bestimmte Berufsgruppen (z.B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten. In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt.
Dies bedeutet nach der Erkenntnislage, dass diese die hierfür notwendigen Medikamente, Arztbesuche und Kontrolluntersuchungen auch aus eigener Tasche finanzieren müsste, was ihr realistisch nicht möglich sein wird. HIV-Infizierte, deren Krankheit bekannt ist, haben in Kamerun große Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Arbeitgeber lassen zudem ohne Einverständnis der Angestellten HIV/AIDS-Tests durchführen und entlassen ihre Arbeitnehmer im Falle einer HIV-Erkrankung (vgl. Bundesamt, Kamerun/Gesundheitswesen, Juli 2008). HIV-Infizierte in Kamerun sind häufig isoliert und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Staatliche Unterstützung in sozialer Not gibt es in Kamerun nicht. Es kann nicht erwartet werden, dass Verwandte die lebenslange und auch teure Behandlung werden finanzieren können und wollen, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese aus einer Familie mit überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen stammt.
Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass es bei der Antragstellerin bereits ohne Behandlung der HIV-Infektion und der Epilepsie alsbald zu einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes kommen würde und deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Bezug auf Kamerun vorliegen. [...]