Für eine Person, die bei Rückkehr in den Iran wegen Alkoholtrinkens auffällig zu werden droht und damit nach iranischen Vorstellungen straffällig wird, besteht die Gefahr einer unmenschliche Behandlung, da sie der Leibesstrafe durch Auspeitschen zugeführt wird. Alkoholkonsum gehört im Iran zu den Kapitalverbrechen.
Das verspätete Berichten über eine traumatisierende Situation ist eine durchaus übliche Reaktion und spricht nicht notwendigerweise für gesteigertes Vorbringen. Es handelt sich dabei um eine übliche und nachvollziehbare Vermeidungsstrategie einer traumatisierten Person.
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Die weiterhin aufrechterhaltene Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin abgelehnt wurde, festzustellen, dass hinsichtlich der Person des Klägers Abschiebungsverbote für den Iran bestehen (§113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und soweit der Kläger aufgefordert wurde, auszureisen und ihm die Abschiebung in den Iran bei Nichteinhalten der Ausreisefrist angedroht wurde, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass zu seinen Gunsten Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich des Iran festgestellt werden. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, § 60 Abs. 2 AufenthG. Der Kläger muss bei einer unterstellten Rückkehr in den Iran die konkrete Gefahr einer erniedrigenden Bestrafung bzw. Behandlung befürchten. Er wird als Alkholabhängiger versucht sein, zur Suchtbefriedigung erneut Alkohol zu trinken. Hierbei hat er im Iran eine erneute Bestrafung durch Auspeitschung zu befürchten.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts bereits einmal im Iran wegen Alkoholtrinkens ausgepeitscht worden. Die Gefahr, im Iran erneut wegen Alkoholgenusses ausgepeitscht zu werden, ist hinreichend konkret im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG. Gemäß der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (QualfRL) ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen emsthaften Schaden erlitten hat, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, Art. 4 Abs. 4 QualfRL.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich so zugetragen hat, wie es der Antragsteller selbst erwähnt und seine Prozessbevollmächtigte geschildert hat, nämlich dass er bereits einmal, etwa im Alter von 15 bis 16 Jahren, im Iran wegen des Genusses von Alkohol einer Bestrafung durch Auspeitschen unterzogen wurde. Der Umstand der erlittenen Auspeitschung wird durch den Abschlussbericht der Einzelfallhelferin des Klägers vom 15. August 2011 bestätigt. Die in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreterin der Beklagten hat dies in der mündlichen Verhandlung zunächst selbst nicht in Zweifel gezogen. Sie hat auch keinen Bedarf zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung gesehen. Das Gericht hat selbst keinen Zweifel daran, dass dem Kläger insoweit geglaubt werden kann, obwohl er die erlittene Auspeitschung im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt in Eisenhüttenstadt am 13. September 2010 nicht erwähnte.
Entgegen der im Nachgang zur mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Beklagten spricht in diesem Fall vielmehr gerade der späte Vortrag einer bereits einmal erlittenen Auspeitschung für den Wahrheitsgehalt des Vorbringens. Dass dies vorgetragen werden konnte, ist nämlich nur dem Umstand geschuldet, dass der Kläger einer Vertrauensperson im Rahmen seiner jugendhilferechtlichen Einzelfallbetreuung diesen von ihm als besonders belastend empfundenen Vorfall berichten konnte. Es fällt ihm auch heute noch ersichtlich schwer, den Vorfall auch nur anzusprechen. [...]
Dass der Kläger von sich aus dem Gericht nur lückenhaft von der erlittenen Auspeitschung berichtete und sich erst nach einiger Zeit seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland einer vertrauten Person zu öffnen vermochte, spricht - entgegen der zuletzt geäußerten Auffassung der Beklagten - für den Wahrheitsgehalt des von ihm geschilderten Umstandes, dass er Opfer einer Leibesstrafe geworden ist. Das späte Offenbaren gegenüber einer Vertrauensperson - soweit man beim Kläger von angesichts seiner Verfassung von Vertrauen sprechen kann - ist ein Indiz dafür, dass der Kläger traumatisiert war und noch ist, so dass er zunächst überhaupt nicht in der Lage war, selbst von diesem Vorfall zu berichten und es ihm auch jetzt noch schwerfällt, diesen Vorfall unbekannten Personen gegenüber überhaupt nur zu erwähnen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein solches Verhalten bei tatsächlich traumatisierten Personen eine durchaus übliche Reaktion sein kann (vgl. dazu Middeke, "Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl- und Abschiebungsprozess", DVBI. 2004, 150, 151 ff.; Ebert/Kindt, "Die posttraumatische Belastungsstörung im Rahmen von Asylverfahren", VBIBW, 2004, 41, 43; Fischer/Riedesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie, 3. Auflage, dort nur die Übersicht auf S. 45; Berliner Feuerwehr. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), www.berliner-feuerwehr.de.). Es handelt sich daher zur Überzeugung des Gerichts angesichts der Umstände des Einzelfalles auch vor dem Hintergrund des Fluchtgeschehens um einen glaubhaften Vortrag, obwohl - oder gerade weil - der Vortrag erst spät erfolgte. Hierin kann eine durchaus übliche und nachvollziehbare Vermeidungsstrategie einer traumatisierten Person gesehen werden, was das Verhalten des Klägers nachvollziehbar erklärt.
Der Einwand der Beklagten, eine Auspeitschung hätte zu Narben auf dem Rücken führen müssen, ist hierbei durch nichts belegt. Es erscheint durchaus denkbar, dass bei einer Auspeitschung im Iran, die im Beisein der Eltern durchgeführt wird, die Schläge - aus welchen Gründen auch immer - so ausgeführt werden, dass es zu keinen Vernarbungen kommt. Das Hauptziel der Schmerzzufügung und der Erniedrigung durch die Anwesenheit der Eltern ist durch diese Form der Bestrafung jedenfalls, wie bei dem Kläger deutlich zu erkennen ist, nachhaltig erreicht worden.
Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG bereits zur Überzeugung des Gerichts zuzubilligen, denn eine Auspeitschung ist eine unmenschliche und erniedrigende Bestrafung im Sinne dieser Vorschrift (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Oktober 1995 - 2 BvR 384/95 -, zitiert nach Juris, Rn. 58).
Selbst wenn man einmal zu Lasten des Klägers und im Sinne der Beklagten annehmen wollte, der Prognosemaßstab des Art. 4 Abs. 4 QualfRL könne nicht gelten, weil die zur Überzeugung des Gerichts erfolgte Auspeitschung im Alter von 15 bis 16 Jahren nicht stattgefunden habe, führt jedenfalls die schwere Alkoholabhängigkeit unter Berücksichtigung der individuellen Disposition des Klägers dazu, ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG festzustellen.
Die Alkoholabhängigkeit des Klägers hat mittlerweile eine derartige Ausprägung erreicht, dass zur Überzeugung des Gerichtes eine Verurteilung und Bestrafung nach dem iranischen Strafrecht sogar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG liegt aber bereits dann vor, wenn dem Betroffenen bei verständiger, nämlich objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles eine unmenschliche Behandlung oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Ablegung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob im Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betroffenen Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis hat deshalb nicht zwingend zur Voraussetzung, dass auf Grund einer etwa mathematischen Betrachtungsweise eine mehr als 50 %-ige Wahrscheinlichkeit vor dessen Eintritt bestehen muss. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden "zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes" die für die Verletzung des Schutzgutes sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht dabei letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - BVerwG 9 C 154.90 -, zitiert nach Juris, Rn. 28). Wird ein vernünftig denkender Mensch die Gefahr außer Betracht lassen, so ist die Zumutbarkeit einer Rückkehr gegeben. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse wird der Kläger mit überwiegender, jedenfalls aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen haben, nach einer Rückkehr in den Iran wegen Alkoholtrinkens auffällig und damit nach iranischen Vorstellungen straffällig zu werden, um deshalb der Leibesstrafe durch Auspeitschen zugeführt zu werden.
Der Alkoholkonsum gehört zu den Kapitalverbrechen (Hadd), die im Iran streng bestraft werden, da göttliches Gesetz missachtet wird. Sowohl der Koran als auch die islamische Überlieferung verurteilen den Genuss von Alkohol. Im Koran finden sich Suren, die vor dem Trinken warnen. Das iranische Strafrecht sieht für den Genuss von alkoholischen Getränken eine Strafe von 80 Peitschenhieben vor. Die Auspeitschung wird ausgeführt, wenn die schuldige Person wieder nüchtern ist. Es besteht zudem die Gefahr, dass bei der dritten Bestrafung die Tötung des Delinquenten vorgenommen wird (vgl. SFH vom 30. Juni 2007, Iran: Sanktionen bei Verstoß gegen moralische Normen).
Der Kläger selbst ist schwer alkoholkrank und nicht in der Lage, sein Suchtverhalten über mehrere Tage zu kontrollieren. Deshalb wird sich der Kläger alsbald nach seiner Rückkehr in den Iran - wie bereits in früher Jugend - Alkohol beschaffen. Er wird dann mit Sicherheit auffällig werden. Es kommt nämlich bei ihm hinzu, dass er beim Alkoholkonsum unter bestimmten Voraussetzungen Aggressionen entwickelt, die nach außen deutlich zu Tage treten. [...]
Selbst wenn man schließlich unterstellen wollte, der Kläger sei in der Lage, sein Suchtverhalten so zu kontrollieren, dass er ausschließlich und unbemerkt im Verborgenen den Alkohol konsumieren und sich diesen im Iran auch - was gänzlich unwahrscheinlich erscheint - gefahrlos würde beschaffen können, muss ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG festgestellt werden. Dem Kläger droht nämlich auch unabhängig von seiner Alkoholkrankheit bei einer Rückkehr/Abschiebung in den Iran eine unmenschliche Behandlung in Form der Folter. Iraner, die - wie der Kläger - ihr Heimatland illegal verlassen haben, müssen bei einer Rückkehr auf Grund der strikten Kontrollen damit rechnen, durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt befragt zu werden, besonders zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung kann mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2011). Bei einer Inhaftierung besteht - jedenfalls für den Kläger - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, der Folter unterworfen zu werden. Zwar ist die Folter nach Art 38 der iranischen Verfassung verboten. Dieses Verbot steht jedoch nur auf dem Papier. Tatsächlich existieren zahlreiche glaubhafte Berichte über zahlreiche Fälle seelischer und körperlicher Folter bei Verhören und in der Haft mit einer Vielzahl unterschiedlicher Foltermethoden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27. Februar 2011, S. 36).
Nach einer Auskunft der SFH vom 18. August 2011 zur Behandlung von abgewiesenen Asylbewerbern geht das Gericht davon aus, dass die Rückkehrkontrollen nicht nur auf eine gewisse Strenge angelegt sind sondern sich daneben auch durch Willkür kennzeichnen. Nach dieser Auskunft haben Gespräche mit verschiedenen Kontaktpersonen gezeigt, dass die Behördenpraxis bei der Rückkehr von Iranern willkürlich und unvorhersehbar ist. So gelingt es gewissen Risikopersonen, die Kontrollen zu passieren, während andere sofort bei der Rückkehr ins Land festgenommen werden.
Der Kläger hat den Iran ohne Reisepass illegal verlassen. Es mag durchaus sein, dass - wie die Beklagte einwendet - westlichen Botschaften keine Fälle von psychischer oder physischer Folter im Rahmen der Befragung von Zurückgeführten bekannt geworden sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2011). Damit ist indes nicht belegt, dass derartiges nicht vorgekommen ist. Dies widerspricht nämlich der übrigen Auskunftslage hinsichtlich des Iran und der Logik der im Iran herrschenden Willkür. Unabhängig davon ist dem Gericht in einem anderen Verfahren - in dem der Prozessvertreter der Beklagten den dortigen Kläger indes klaglos gestellt hat - anschaulich berichtet worden, dass die Einreise nach einer kurzen Befragung zunächst problemlos verlief. Erst nach einer Woche habe man den Rückkehrer aufgesucht und unter Folter zu seinem Aufenthalt in Deutschland befragt. Dieses Vorgehen iranischer Behörden erscheint dem Gericht durchaus plausibel. Nachdem man bei der Einreise die notwendigen Daten erhoben hat, besteht für den iranischen Staat zunächst kein Anlass, Befragungen unter Folter sofort durchzuführen. Diese können nachhaltiger und viel zielgerichteter durch die örtlichen staatlichen Stellen an den Herkunftsorten der Zurückkehrenden im Lande selbst vorgenommen werden.
Jedenfalls ist immer in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat ist und die Behörden willkürlich handeln, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkommt, sowie willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen sind (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27. Februar 2011, S. 36, 39, 40). Es mag durchaus Einiges dafür sprechen, dass der iranische Staat sich an seinen Grenzübergangsstellen, etwa auf dem Flughafengelände noch in gewisser Weise zurückhält, um an anderer Stelle dann aber seine erniedrigenden Behandlungen oder Foltermaßnahmen quasi nachzuholen.
Unabhängig wie der iranische Staat im Einzelnen vorgeht und ob die gesamte Gruppe der illegal ausgereisten Iraner von Gefahren nach § 60 Abs. 2 AufenthG bedroht ist, wie es etwa des Verwaltungsgericht Stuttgart annimmt (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 28. März 2011, - A 11 K 1578/10 -, zitiert nach Juris, Rn. 20 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), kann jedenfalls dem Kläger unter der Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Falles nicht zugemutet werden, in den Iran zurückzukehren, selbst wenn man nicht von einer Gefahr für die gesamte Gruppe der illegal ausgereisten Iraner ausgeht.
Im Fall des Klägers kommt nämlich hinzu, dass er schon aufgrund seiner Erscheinung und seines Verhaltens geradezu ein klassisches Ziel für eine nachhaltige Befragung durch iranische Stellen bietet. Er hat den Iran nicht nur illegal verlassen, sondern befindet sich zudem in einer Verfassung, die zur Überzeugung des Gerichtes auch im nüchternen Zustand zu einer besonders intensiven Befragung bei der Einreise im Iran führen wird. Der Kläger ist nämlich auffällig unsicher, trägt aber, wie die Zeugin anschaulich und überzeugend berichten konnte, eine innere Wut gegen nach außen getragene tatsächlich oder vermeintliche fundamentalistische islamische Überzeugungen in sich. Bei den Handlungsweisen von iranischen Sicherheitsbehörden, wie sie bei einer nachhaltigen Befragung vorkommen, ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger sein Verhalten nicht adäquat der durchaus bedrohlichen Situation wird anpassen können. Es ist vielmehr überwiegend wahrscheinlich, dass er seine Einstellung und eine im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchaus erkennbare islamkritische und regimekritische Haltung nicht wird verbergen können. Sein Verhalten ist - wie es in der mündlichen Verhandlung zu Taöe°irat - das eines modernen durch einen westlichen Lebensstil geprägten, unangepassten und noch immer pubertierenden Jugendlichen, der seine Unangepasstheit einerseits und seine Unsicherheit andererseits nicht verbergen kann, was im Iran in dieser Form offenkundig keine Billigung finden wird (vgl. zu den "sittlichen" Normen im Iran, SFH, Auskunft vom 30. Juni 2007, S. 15). Sein Verhalten, seine Kleidung und seine Körpersprache werden ihn zum einen von vornherein verdächtig machen und werden ihn zum anderen aber auch als geeignetes Opfer von Übergriffen erscheinen lassen. Dies führt zur Überzeugung des Gerichts dazu, dass der Kläger bereits bei einer Einreise sogleich am Flughafen, jedenfalls aber im Landesinnern, mit der Gefahr von Folter oder erniedrigender Behandlung rechnen muss.
Mithin liegen die Voraussetzungen für eine Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG auch wegen der illegalen Ausreise jedenfalls beim Kläger unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Falles vor.
Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob sich der Kläger derzeit noch in einer weltanschaulichen Findungsphase befindet oder er sich bereits endgültig unter Abfall vom Islam eine atheistische Weltsicht angeeignet hat ("die ganzen Religionen" - sind - "Blödsinn") und ihm auch deshalb im Iran flüchtlings- oder abschiebungsschutzrelevante Gefahren drohen. [...]