VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 26.06.2012 - 4 K 1983/11 - asyl.net: M19823
https://www.asyl.net/rsdb/M19823
Leitsatz:

Ein Ausländer, der - wie die Klägerin - seit mehr als acht Jahren in Deutschland lebt, kann dann, wenn er zwar nur im Besitz einer Duldung ist, wenn aber mit hinreichender Sicherheit damit zu rechnen ist, dass das Abschiebungshindernis bzw. der Duldungsgrund in absehbarer Zukunft, das heißt mindestens innerhalb des nächsten Jahres, fortbestehen wird, ausnahmsweise einen Anspruch auf Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins haben.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Wohnberechtigungsschein, Aufenthaltsdauer, dauerhaft, Wohnungssuche, Duldung, Aufenthaltsgestattung, Prognose, Zukunft, Abschiebungshindernis,
Normen: LWoFG § 15 Abs. 2 S. 1, LWoFG § 4 Abs. 7, AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 60a,
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.01.2011 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 06.09.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten; die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 LWoFG erteilt die zuständige Stelle auf Antrag einen längstens auf ein Jahr befristeten Wohnberechtigungsschein, wenn der Wohnungssuchende mit seinen Haushaltsangehörigen die maßgebliche Einkommensgrenze einhält. Wohnungssuchender ist nach § 4 Abs. 7 LWoFG, wer sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhält oder aufhalten will und rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, für sich und seine Haushaltsangehörigen auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen, und die hierfür erforderliche Wohnung sucht. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 LWoFG, das heißt, ob der Betreffende in der Lage sein wird, auf längere Dauer einen Wohnsitz im Geltungsbereich des Landeswohnraumförderungsgesetzes als Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen, sind im Wege einer Prognose unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin Wohnungssuchende im Sinne von § 4 Abs. 7 LWoFG. Da auch die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die einkommensbezogenen Voraussetzungen, vorliegen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ist ihr damit ein Wohnberechtigungsschein zu erteilen.

Die Klägerin lebt seit 2004, also seit mehr als acht Jahren, in F. und hält sich damit nicht nur vorübergehend hier auf. Dass sie sich auch künftig dauerhaft hier aufhalten will, hat sie hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Das wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin freiwillig aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten wegziehen will und von dort wegziehen müsste.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie aber auch rechtlich in der Lage, für sich und ihre bei ihr lebende Tochter auf längere Dauer in F. einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen.

Was mit längerer Dauer gemeint ist, erschließt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 LWoFG, wonach ein Wohnberechtigungsschein längstens für die Dauer von einem Jahr erteilt werden kann. Dementsprechend ist auch bei der Prognose zur Dauer des Aufenthalts ein Zeitraum von längstens einem Jahr in den Blick zu nehmen. Dem tragen auch die Durchführungshinweise des Wirtschaftsministeriums zum Landeswohnraumförderungsgesetz vom 31.07.2010 - DH-LWoFG - Rechnung, indem dort unter der Nr. 3.3.3 zu § 4 Abs. 7 LWoFG bei Ausländern der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis mit einer Geltungsdauer von mindestens einem Jahr gefordert wird und ein Ausländer mit einem Aufenthaltsrecht von weniger als einem Jahr nicht als Wohnungssuchender gilt (vgl. auch Bayer. VGH, Beschluss vom 15.03.2007 - 12 C 06.3346 -, juris, in dem ein Ausländer mit einer auf sechs Monate befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht als Wohnungssuchender angesehen wurde).

Grundsätzlich ist demnach ein Ausländer, der - wie die Klägerin - nur im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist, rechtlich nicht in der Lage, für sich auf längere Dauer in Deutschland einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen. Denn eine Duldung vermittelt keinen rechtmäßigen Aufenthalt, sie bedeutet nur eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, das heißt, sie schützt den Inhaber nur vorübergehend vor einer Vollstreckung seiner Ausreisepflicht während der Geltung der Duldung (siehe gesetzliche Überschrift zu § 60a AufenthG sowie § 60a Abs. 4 AufenthG), die entweder aufgrund kurzer Befristungen in jeweils kurzen Abständen endet oder durch eine auflösende Bedingung jederzeit enden kann. Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für die Aufenthaltsgestattung eines Asylbewerbers nach § 55 AsylVfG, da diese lediglich dazu dient, dem Asylbewerber die Durchführung seines Asylverfahrens zu ermöglichen (vgl. Nr. 3.3.3 DH-LWoFG zu § 4 Abs. 7 LWoFG) und sie mit Abschluss des Asylverfahrens kraft Gesetzes erlischt (vgl. § 67 Abs. 1 AsylVfG).

Dennoch kann es in Ausnahmefällen geboten sein, einem Ausländer, der Inhaber einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung ist, die Berechtigung zuzusprechen, auf die Dauer von mindestens einem Jahr für sich einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen (a. A. zu § 27 Abs. 2 Satz 1 WoFG [des Bundes] VG Münster, Beschluss vom 07.02.2008 - 5 L 19/08 -, juris). Für den Bereich der Aufenthaltsgestattung ist das in Nr. 3.3.3 DH-LWoFG zu § 4 Abs. 7 LWoFG anerkannt, indem dort ausgeführt ist: Ein Asylbewerber, der lediglich über eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) verfügt, kann ausnahmsweise Wohnungssuchender sein, wenn ihm laut Auskunft der Ausländerbehörde nach Abschluss des Asylverfahrens voraussichtlich eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Geltungsdauer von mindestens einem Jahr erteilt werden wird. Mit dieser Ausnahme tragen die DH-LWoFG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.08.2003, AuAS 2003, 239) Rechnung. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht einem Asylbewerber die Berechtigung zur Beantragung eines Wohnberechtigungsscheins (allerdings nach dem heute nicht mehr geltenden § 5 WoBindG a. F.) zugesprochen und in den Gründen ausgeführt: Zwar treffe es zu, dass die Aufenthaltsgestattung ihrer Funktion nach nicht auf einen Daueraufenthalt gerichtet sei, sondern dem Asylbewerber zur Durchführung des Asylverfahrens im Bundesgebiet zustehe. Das schließe es aber nicht aus, dass ein Asylbewerber einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne, nämlich dann, wenn er sich an einem Ort unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile.

Aus vergleichbaren Gründen kann es auch bei dem Inhaber einer Duldung geboten sein, Ausnahmen anzuerkennen, nämlich dann, wenn er sich an einem Ort unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilen wird. Denn es ist ein bekanntes Phänomen, dass manche Ausländer nur eine Duldung besitzen, obwohl sie sich seit vielen Jahren (in Einzelfällen sogar seit Jahrzehnten) in Deutschland aufhalten und allen Beteiligten bewusst ist, dass sie auch weitere Jahre, wenn nicht gar für immer, in Deutschland bleiben werden, weil ihrer Abschiebung auf Dauer (tatsächliche oder rechtliche) Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG entgegenstehen. Sie bekommen oftmals nur deshalb keinen Aufenthaltstitel, weil sie u. a. entweder die (Regel-)Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und/oder 2 AufenthG nicht erfüllen, § 10 AufenthG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht oder weil die Erteilung eines Aufenthaltstitel durch das (formelle) Hindernis des § 79 Abs. 2 AufenthG gesperrt ist - gerade auf den zuletzt genannten Aspekt hat sich die Ausländerbehörde im Fall der Klägerin berufen.

Für die im Rahmen von § 4 Abs. 7 LWoFG anzustellende Prognose kommt es demnach nicht allein auf die (formale) Rechtsstellung des Ausländers (siehe aber VG Münster, Beschluss vom 07.02.2008, a.a.O.), sondern vielmehr darauf an, ob damit gerechnet werden kann, dass das Aufenthaltsrecht oder das Abschiebungshindernis bzw. der Duldungsgrund in absehbarer Zukunft, das heißt innerhalb des nächsten Jahres (siehe oben), entfallen wird. Wenn ein Ausländer sich bereits seit mehreren Jahren mit einer Duldung in Deutschland aufhält und hinreichend sicher ist, dass er auch künftig nicht abgeschoben werden kann, oder mit anderen Worten, wenn sich die Duldung zu einer Berechtigung verdichtet hat, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, dann sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 LWoFG hinsichtlich der zeitlichen Prognose erfüllt (so auch Otte, in: Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 1, Stand: Aug. 2011, § 27 WoFG Anm. 3.2).

Soweit in Nr. 3.3.3 DH-LWoFG zu § 4 Abs. 7 LWoFG in Bezug auf (lediglich) geduldete Ausländer ausgeführt ist, bei ihnen scheide eine Anerkennung als Wohnungssuchende schon deshalb (generell) aus, weil sie sich aufgrund der bestehenden Ausreisepflicht nicht rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzes aufhielten, steht das mit der nach § 4 Abs. 7 LWoFG zu treffenden Prognose über ihre Aufenthaltsdauer nicht in Einklang. Der Grund für diese (nach Auffassung der Kammer fehlerhafte) Ansicht wird deutlich anhand der nachfolgenden Begründung in Nr. 3.3.3 DH-LWoFG zu § 4 Abs. 7 LWoFG: Danach komme bei geduldeten Personen, bei denen mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die dafür zuständige Stelle in Betracht (§ 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG) und solle die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt sei. Diese Tatbestände gewährleisteten, dass Ausländer, die unverschuldet an der Ausreise gehindert seien (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG), nicht auf Dauer im Duldungsstatus verbleiben müssten, sondern eine Aufenthaltserlaubnis erhielten und dann als Wohnungssuchende gälten. Diese Sichtweise berücksichtigt nicht hinreichend, dass es, wie oben ausgeführt, zahlreiche Fälle (von so gen. Kettenduldungen) gibt, in denen die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen scheitert, die nicht in § 25 AufenthG geregelt sind, der weitere Verbleib des betreffenden Ausländers in Deutschland aber dennoch ohne jeden Zweifel ist.

An der hier vertretenen Auffassung hält die Kammer auch in Kenntnis der Gesetzesbegründung zu dem (nach den Grundsätzen der konkurrierenden Gesetzgebung, vgl. die Art. 72 Abs. 1 und 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) durch das Landeswohnraumförderungsgesetz verdrängten § 27 Abs. 2 (Bundes-)Wohnraumförderungsgesetz, der inhaltlich mit § 4 Abs. 7 LWoFG übereinstimmt, fest. Zwar ist hierzu in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass ein Ausländer nur dann antragsberechtigt sei, wenn er sich für längere Zeit berechtigt im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalte (BT-DrS 14/5538, S. 58, Spalte 2). Doch gibt es keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass mit dem Begriff "berechtigt" eine strikte Unterscheidung zwischen Ausländern mit rechtmäßigem Aufenthalt und lediglich geduldeten Ausländern beabsichtigt war. Für ein solches Verständnis findet sich im Wortlaut des Gesetzes (und zwar weder in § 27 Abs. 2 WoFG noch in § 4 Abs. 7 LWoFG) kein Anhaltspunkt, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, das dort zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr wird in § 27 Abs. 2 WoFG ebenso wie in § 4 Abs. 7 LWoFG allein auf eine Prognose über die Begründung eines dauerhaften Wohnsitzes abgestellt. Eine derartige Prognose fällt bei einem Ausländer mit dauerhaftem Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG im Grundsatz genauso aus wie bei einem Ausländer mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht (im Erg. ebenso Otte, a.a.O., § 27 WoFG Anm. 3.2, wo wörtlich ausgeführt ist: Die mehrfache, über einen längeren Zeitraum reichende Duldungsverlängerung muss sich allerdings zu einer "Berechtigung verdichtet" haben, sich "im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufzuhalten.").

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bei der Klägerin die Prognose, dass sie weiterhin, auf längere Dauer, das heißt, mindestens für die Dauer eines weiteren Jahres, ihren Wohnsitz in F. haben wird, gerechtfertigt, weil die Beendigung ihres Aufenthalts in Deutschland gegen ihren Willen in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. Das kommt bereits in der Stellungnahme der Ausländerbehörde der Beklagten gegenüber dem Amt für Wohnraumversorgung der Beklagten vom 22.12.2010 zum Ausdruck, in der ausgeführt ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien bei der Klägerin und ihrer Tochter nicht möglich bzw. beabsichtigt.

Diese Einschätzung der Ausländerbehörde ist rechtlich nicht zu beanstanden. [...] Denn ein Verbot, die Klägerin abzuschieben, ergibt sich vor allem daraus, dass ihre Tochter, mit der sie unstreitig in einer familiären Lebensgemeinschaft lebt, nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage ebenfalls Kind eines kongolesischen Vaters, des Herrn M., ist, der in der Form einer Niederlassungserlaubnis ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Deutschland besitzt. Herr M. hat die Vaterschaft wirksam anerkannt, so dass er nach § 1592 Nr. 2 BGB rechtlich als Vater gilt. Diese Rechtslage ist für die Kammer im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend und so lange bindend, bis aufgrund einer Vaterschaftsanfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass Herrn M. nicht der Vater ist (vgl. § 1599 Abs. 1 BGB). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gibt es eine solche rechtskräftige Feststellung nicht. Das Regierungspräsidium F. hat zwar die Vaterschaft von Herrn M. nach den §§ 1600 ff. BGB angefochten, das Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Nachdem das Amtsgericht F. durch Beschluss vom 15.04.2010 den Antrag des Regierungspräsidiums F. zurückgewiesen hat, befindet sich das Verfahren in der Beschwerde beim Oberlandesgericht K., das nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt habe, nicht vor Oktober 2012 über den weiteren Fortgang zu entscheiden. Für die Dauer dieses anhängigen Verfahrens gilt nach § 1600c Abs. 1 BGB, dass die Vaterschaft des Herrn M. (bis zum Beweis des Gegenteils) vermutet wird.

Danach haben alle Beteiligten im Rechtsverkehr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die Tochter der Klägerin auch die leibliche Tochter des Herrn M. ist. Die Klägerin behauptet, ohne dass die Beklagte dies in dem vorliegenden Verfahren substantiiert bestritten hat, dass der Vater sich auch um seine Tochter kümmere und sie regelmäßig an den Wochenenden und gelegentlich auch in der Woche betreue sowie im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten Unterhalt für seine Tochter zahle. Nach den Gründen des Beschlusses des Amtsgerichts F. vom 15.04.2010 habe der Vater dies bestätigt und auch das Jugendamt (der Beklagten) gehe von einer Vater-Kind-Beziehung aus und habe bestätigt, dass der Kontakt zwischen Vater und Tochter vertraut wirke und die Tochter körperlichen Kontakt zu ihrem Vater suche. Außerdem steht fest, dass die Klägerin und Herr M. gemeinsam das Sorgerecht für das Kind ausüben. Bei dieser Sachlage ist von einer unter dem Schutz von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stehenden familiären Lebensgemeinschaft zwischen Herrn M., seiner Tochter und der Klägerin als Mutter der gemeinsamen Tochter auszugehen, obwohl die Eltern nicht zusammen leben und nicht ehelich miteinander verbunden sind. Selbst in Fällen, in denen der leibliche Vater - anders als Herr M. - nicht das Sorgerecht für sein Kind besitzt, aber dennoch einen familiären Umgang mit seinem Kind pflegt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Vater ein Recht zum Kontakt mit seinem Kind hat und dass vor allem auch das Kind ein grundrechtlich verbürgtes Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 23.01.2006, NVwZ 2006, 682, und vom 08.12.2005, InfAuslR 2006, 122; vgl. auch Beschluss der Kammer vom 04.04.2007 - 4 K 515/07 -, juris, m.w.N.). Das ist gilt erst recht in einem Fall, in dem der Vater - wie hier Herr M. - sorgeberechtigt ist.

Durch das Recht des Herrn M. zum Daueraufenthalt in Deutschland würde eine Abschiebung der Klägerin zu einer erzwungenen Trennung ihrer Tochter entweder von ihr oder von ihrem Vater führen. Das wäre mit Art. 6 GG nicht vereinbar. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass dieses Verbot in absehbarer Zeit entfallen wird. Das könnte nur dadurch geschehen, dass entweder Herr M. seinen Kontakt zu dem Kind einstellt und dadurch die unter dem Schutz von Art. 6 GG stehende Beziehung zwischen dem Vater und dem Kind faktisch endet oder dass in dem anhängigen Vaterschaftsanfechtungsverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass Herr M. nicht der Vater der Tochter der Klägerin ist. Solange eine solche Feststellung jedoch nicht durch das hierfür zuständige Gericht getroffen wurde, verbietet es sich aufgrund der gesetzlichen Vermutungsregelung (siehe oben), die Vaterschaft des Herrn M. in Zweifel zu ziehen. Ferner gibt es auch dafür, dass Herr M. seine Kontakte zu dem Kind einstellen wird, keine Anhaltspunkte.

Die Klägerin ist auch insoweit in der Lage, für sich und ihre Tochter in F. einen selbständigen Wohnsitz außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft, in der sie bisher gelebt hat, zu begründen, als sie wirtschaftlich die Kosten einer von ihr anzumietenden Unterkunft aufbringen kann. Sie lebt, wie gesagt, seit mehr als acht Jahren im Bundesgebiet und hat deshalb, wie ihr vom zuständigen Sozialamt der Beklagten mit Schreiben vom 12.12.2010 bestätigt worden ist, gemäß § 2 AsylbLG einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch, zu denen nach § 35 SGB XII auch die Übernahme angemessener Kosten für eine Unterkunft gehört.

Nach alledem ist auch weiterhin, zumindest für die Dauer eines Jahres, auf die es hier allein ankommt (siehe oben), davon auszugehen, dass die Klägerin (und ihre Tochter) in F. bleiben und hier ihren Wohnsitz haben werden und deshalb Wohnungssuchende im Sinne der §§ 15 Abs. 2 und 4 Abs. 7 LWoFG sind.

Andere Gründe, die der Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins für die Klägerin entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar. Solche Gründe könnten u. a. sein, dass die Klägerin aufgrund gesetzlicher Regelungen oder behördlicher Entscheidungen verpflichtet wäre, in bestimmten Wohnräumen bzw. Unterkünften zu leben. Das ist bei der Klägerin, deren Duldung allein aufenthaltsrechtliche, das heißt asylunabhängige, Gründe hat, nicht (mehr) der Fall. Insbesondere ist sie auch nach Auffassung der Beklagten nicht mehr verpflichtet in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber zu wohnen (vgl. hierzu u. a. OVG Mecklenb.-Vorp., Beschluss vom 17.02.2004 - 2 L 261/03 -, juris, m.w.N.). [...]