Eine Wohnsitzauflage stellt keine räumliche Beschränkung im Sinne von § 12 Abs. 2 und 3 AufenthG dar. Sie ordnet zwar eine Residenzpflicht an, schränkt die Freizügigkeit im Bundesgebiet im Übrigen aber nicht ein. Dementsprechen ist eine Verlassensanordnung, die sich auf eine Wohnsitzauflage in einem anderen Bundesland stützt, rechtswidrig.
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Die Beschwerde ist begründet. Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2011 vorerst verschont zu bleiben. Die in der Ordnungsverfügung enthaltenen Regelungen (Grundverfügung und Zwangsmittelandrohung) sind rechtswidrig.
Rechtswidrig ist die in der Grundverfügung an den Antragsteller gerichtete Anordnung, "die Stadt N. unverzüglich, spätestens bis zum 31.01.2012, zu verlassen, sich zurück in den Kreis X. zu begeben und dort ihren Wohnsitz zu nehmen". Für die Anordnung, die Stadt N. zu verlassen und sich nach X. zu begeben (Verlassensanordnung), sind weder die Voraussetzungen der von der Antragsgegnerin angeführten noch die der für solche Anordnungen einschlägigen Rechtsgrundlage gegeben. Die Anordnung der Wohnsitznahme in X. ist ermessensfehlerhaft.
Die Antragsgegnerin stützt die Verlassensanordnung auf § 12 Abs. 3 AufenthG i.V.m. dem Umstand, dass die dem Antragsteller erteilte Aufenthaltserlaubnis eine Wohnsitzauflage (Wohnsitznahme nur in X. gestattet) enthielt. Nach § 12 Abs. 3 AufenthG hat ein Ausländer den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen. Der Antragsteller hält sich aber nicht einer räumlichen Beschränkung zuwider im Gebiet der Stadt N. auf. Eine Wohnsitzauflage ist keine räumliche Beschränkung i.S.v. § 12 Abs. 2 und 3 AufenthG. Sie ordnet zwar eine Residenzpflicht an, schränkt die Freizügigkeit im Bundesgebiet im Übrigen aber nicht ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2008 – 1 C 17.07 - , BVerwGE 130, 148; vgl. auch 12.2.5.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG).
Dementsprechend ist der Antragsteller durchaus berechtigt, sich im Gebiet der Stadt N. aufzuhalten, und darf nicht aufgefordert werden, die Stadt zu verlassen.
§ 12 Abs. 3 AufenthG käme, wie angemerkt sei, aber auch dann nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Verlassensanordnung in Betracht, wenn eine räumliche Beschränkung gegeben wäre. § 12 Abs. 3 AufenthG legt dem Ausländer zwar eine gesetzliche Verpflichtung auf, die Norm als solche ermächtigt die Ausländerbehörde aber nicht zum Erlass von Ordnungsverfügungen. Hierfür ist vielmehr der Rückgriff auf die ordnungsbehördliche bzw. polizeiliche (vgl. § 71 Abs. 5 AufenthG) Generalklausel erforderlich (vgl. auch Zeitler, HTK-AuslR, § 12 AufenthG Anm. 3.1).
Ebenfalls aufgrund der ordnungsbehördlichen Generalklausel des § 14 OBG NRW ist die Antragsgegnerin grundsätzlich befugt, vom Antragsteller entsprechend der Wohnsitzauflage die Aufgabe seines Wohnsitzes in N. und die Wiederbegründung des Wohnsitzes in X. zu verlangen (vgl. zu entsprechenden Anordnungen der Rückkehr eines Asylbewerbers in das Bundesland, dem er zugewiesen war: BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 9 C 155/90 -, NVwZ 1993, 276). Der darauf bezogene und auch auf die einschlägige Ermächtigungsgrundlage abhebende Verfügungsteil ist aber ermessensfehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat ihre Ermessensausübung im Rahmen des § 14 OBG NRW, die zur Anordnung der Wohnsitznahme in X. geführt hat, ausdrücklich und ausschließlich auf die "Vorgaben des § 12 Abs. 3 AufenthG" gestützt. Diese Vorgaben gelten jedoch – wie oben ausgeführt – nicht für die hier gegebene Durchsetzung einer Wohnsitzauflage.
Rechtswidrig ist nach den vorstehenden Ausführungen auch die Androhung des unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der nicht bestehenden Verlassenspflicht. [...]