VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 04.06.2012 - 22 L 613/12 - asyl.net: M19876
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Leitsatz:

Bei einem Drittstaatsangehörigen, der eine Aufenthaltserlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union besitzt, ist zweifelhaft, ob sein Aufenthaltsrecht nach dem Schengener Übereinkommen selbst bei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit erlischt. Jedenfalls kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass dies dem Betreffenden hätte bekannt sein müssen. Eine Ausweisung wegen unerlaubten Aufenthalts und eine darauf basierende Abschiebungsandrohung sind daher nicht rechtmäßig.

Schlagwörter: Ausweisung, Ermächtigungsgrundlage, Rechtsgrundlage, Erwerbstätigkeit, Ermessen, Grenzen des Ermessens, Drittstaatsangehörige, Schengener Übereinkommen, Schengener Durchführungsübereinkommen,
Normen: AufenthG § 55 Abs. 1, AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt., AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, VwGO § 114 S. 1, SDÜ Art. 21, AufenthG § 50 Abs. 3 S. 2,
Auszüge:

[...]

Die in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides verfügte Ausweisung des Antragstellers begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Diese entspricht nicht den Anforderungen der hier allein in Betracht kommenden und von der Antragsgegnerin herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. AufenthG.

Es spricht zwar Vieles dafür, dass der Antragsteller den in dieser Vorschrift normierten Ausweisungsgrund verwirklicht hat. Jedoch hat die Antragsgegnerin die gesetzlichen Maßstäbe für die Entscheidung über die Ausweisung nicht hinreichend erkannt und beachtet.

Ob der Antragsteller den in § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. AufenthG geregelten Ausweisungsgrund erfüllt hat, kann offen bleiben. Nach dieser Vorschrift kann insbesondere ausgewiesen werden, wer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Ein nicht nur geringfügiger Rechtsverstoß liegt vor, wenn der Antragsteller – wofür nach gegenwärtigem Erkenntnisstand Überwiegendes spricht – während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland ohne die erforderliche Erlaubnis im Restaurant "U Buffet" in Dormagen eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Dem Antragsteller war die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nicht erlaubt. Denn Ausländer dürfen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Der Antragsteller war nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels, der ihn hierzu berechtigt. Ein deutscher Aufenthaltstitel war ihm nicht erteilt worden.

Die in seinem gültigen Nationalpass eingetragene, bis zum 7. August 2013 gültige tschechische Aufenthaltserlaubnis berechtigte ihn gemäß Art. 21 SDÜ (Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 19. Juni 1990 (BGBl. II 1993, S. 1010), zuletzt (mittelbar) geändert durch Art. 6 Nr. 3 a) des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) – Schengener Durchführungsübereinkommen – i.V.m. dem Protokoll (Nr. 19) über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezo-genen Schengen-Besitzstand, Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - PROTOKOLLE -, ABl. 2008, S. 290 – 292) zwar dazu, sich bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Bundesgebiet zu bewegen, sofern er die in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 – Schengener Grenzkodex – aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllt. Eine Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist hiermit jedoch nicht verbun-den. Daraus folgt, dass der Antragsteller mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bun-desgebiet einen gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III bußgeldbewehrten Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG begeht.

Es kann jedoch offen bleiben, ob der Antragsteller tatsächlich eine Beschäftigung im Restaurant "U Buffet" ausgeübt hat. Denn selbst wenn hiervon ausgegangen wird und damit ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. AufenthG vorliegt, stellt sich die streitgegenständliche Ausweisung als rechtswidrig dar. Denn die Antragsgegnerin hat das ihr in diesem Fall zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Die Ermessensentscheidung der Behörde ist durch das Gericht darauf zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch wurde, § 114 S. 1 VwGO, § 40 VwVfG NRW. Die Antragsgegnerin hat mit der Ausweisung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, da sie ihrer Entscheidung eine zu Lasten des Antragstellers fehlerhafte rechtliche Bewertung des Verhaltens des Antragstellers zu Grunde gelegt hat. Sie hat die Entscheidung, den Antragsteller auszuweisen maßgeblich auf die Annahme gestützt, der Antragsteller sei ohne das erforderliche Visum eingereist und habe sich unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Eine unerlaubte Einreise des Antragstellers lässt sich jedoch nicht feststellen und der Vorwurf des illegalen Aufenthalts beruht auf einer fehlerhaften rechtlichen Annahme mit der Folge, dass Erwägungen, die jedenfalls für eine Bewertung der Schwere des vorgeworfenen Verstoßes unverzichtbar sind, nicht angestellt wurden.

Es lässt sich nicht feststellen, dass die Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet, die nach seinen Angaben Ende der 12. Kalenderwoche 2012, also am 23., 24. oder 25. März 2012 erfolgte, unerlaubt war. Denn er durfte sich auf Grund der in seinem Nationalpass eingetragenen, bis zum 7. August 2013 gültigen tschechischen Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 21 SDÜ i.V.m. dem Protokoll (Nr. 19) über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Bundesgebiet bewegen, sofern er die in Art. 5 Abs. 1 Buchsta¬ben a, c und e Schengener Grenzkodex aufgeführten Einreise-voraussetzungen erfüllte.

Dafür, dass der Antragsteller die in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a, c und e Schengener Grenzkodex geregelten Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt seiner Einreise nicht erfüllte, liegen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vor. Insbe-sondere kann allein aus der (hier unterstellten) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller nicht auf einen Grund zur Einreiseverweigerung geschlossen werden. Entge-gen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Erlaubnis zur Einreise nach diesen Vor-schriften nicht auf einen (jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausschließenden) Aufent-halt zu Besuchszwecken beschränkt (vgl. Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 162). Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c Schengener Grenzkodex lässt es sogar ausdrücklich zu, dass die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig, gegebenenfalls also auch durch eine legale Erwerbstätigkeit erworben werden (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 14. Dezember 2010 – 7 K 851/10.F –, juris (Rdn. 57); VG Darmstadt, Beschluss vom 5. Juni 2008 – 5 L 277/08.DA –, juris (Rdn. 35)).

Eine Einschränkung dieses Rechts zur Einreise (etwa auf Besuchszwecke) enthält auch das nationale Recht nicht (anders dagegen die (hier nicht einschlägige) Regelung in § 17 AufenthV. Diese betrifft ausschließlich das Einreise- und Aufenthaltsrecht der gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage II zur Verordnung (EG) Nr. 539/2001 – EG-VisaVO – von der Visumspflicht befreiten Drittstaatsangehörigen und trifft eine nach § 4 Abs. 3 EG-VisaVO zulässige nationalrechtliche Ausnahme von der Visumsbefreiung).

Der Einreiseerlaubnis des Antragstellers könnte hier allein das Fehlen der Einreisevoraus-setzung nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e Schengener Grenzkodex entgegenstehen. Da-nach ist Voraussetzung für die Einreiseerlaubnis, dass der Ausländer keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internatio-nalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellt. Es lässt sich jedoch nach gegenwärti-gem Erkenntnisstand nicht feststellen, dass der Antragsteller bei seiner Einreise die inso-fern allein in Betracht kommende erste Alternative dieser Vorschrift erfüllte, also eine Ge-fahr für die öffentliche Ordnung darstellte.

Der Begriff der öffentlichen Ordnung in diesem Sinne umfasst auch das Schutzgut der öf-fentlichen Sicherheit nach dem deutschen Ausländer- und Polizeirecht (vgl. Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 212). Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e Schengener Grenzkodex kann insbesondere dann angenommen werden, wenn das Ausländer- und Arbeitsrecht für den beabsichtigten Aufenthaltszweck des Drittausländers keine legale Verwirklichungsmöglichkeit vorsieht und somit zu befürchten ist, dass der Ausländer den Aufenthalt illegal erreichen will (vgl. Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 213 m.w.N.).

Dafür, dass der Antragsteller bei seiner Einreise beabsichtigte, im Bundesgebiet entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sind jedoch keine hinreichenden Anhaltpunkte erkennbar. Allein der kurze zeitliche Abstand zwischen der nach seinen Angaben erfolgten Einreise am 23., 24. oder 25. März 2012 und einer hier unterstellten Beschäftigung im Restaurant "U Buffet" seit dem 25. März 2012 lässt einen solchen Schluss nicht zu. Diese zeitliche Abfolge ist zwar ein starkes Indiz dafür, dass der Aufnahme der Beschäftigung ein entsprechender vor der Einreise gefasster Plan des Antragstellers zu Grunde lag. Mangels weiterer Erkenntnisse ist aber auch nicht mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass der Antragsteller jedenfalls bei seiner Einreise zunächst den Besuch des nach seinen Angaben mit ihm befreundeten Restaurantbesitzers beabsichtigte und er erst nach seiner Ankunft in E den Entschluss zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit fasste.

Ermessensfehlerhaft ist die Ausweisung ferner insoweit, als die Antragsgegnerin aus der rechtlich fehlerhaften Annahme, dem Antragsteller seien Einreise und Aufenthalt nur zu Besuchszwecken erlaubt gewesen, den Schluss zieht, der Antragsteller habe sich unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Es spricht zwar Vieles dafür, dass der Aufenthalt des Antragstellers aus anderen Gründen ab der (hier unterstellten) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Restaurant "U Buffet" unerlaubt war, wegen der dargestellten fehlerhaften Rechtsanwendung lässt die Ermessensausübung in der angefochtenen Verfügung jedoch Erwägungen vermissen, die jedenfalls für eine Bewertung der Schwere des vorgeworfenen Verstoßes unverzichtbar sind.

Es spricht Vieles dafür, dass der Aufenthalt des Antragstellers ab der (hier unterstellten) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Restaurant "U Buffet" unerlaubt war. Denn mit Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erforderliche Erlaubnis beging der Antragsteller eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III. Es dürfte damit ab diesem Zeitpunkt an der in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e Schengener Grenzkodex normierten Voraussetzung für die Erlaubnis zu Einreise und Aufenthalt fehlen, da der (mit der teilweise bereits verwirklichten Gefahr der Begehung einer Ordnungswidrigkeit einhergehende) Aufenthalt des Antragstellers eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Diese dürfte auch so schwer wiegen, dass sie nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit außer Betracht zu bleiben hat (vgl. hierzu Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 213).

Zweifelhaft ist (bei Unterstellung einer Erwerbstätigkeit des Antragstellers) allein, ob damit das aus Art. 21 SDÜ folgende Aufenthaltsrecht des Antragstellers unmittelbar erlischt (so: VG München, Urteil vom 27. Juli 2010 – M 10 K 09.3655 – juris (Rdn. 28 ff); zweifelnd VG Frankfurt Urteil vom 14. Dezember 2010 – 7 K 851/10.F –, juris (Rdn. 59); VG Darmstadt, Beschluss vom 5. Juni 2008 – 5 L 277/08.DA –, juris (Rdn. 37)), oder aus Gründen der Rechtssicherheit das Erlöschen des Aufenthaltsrechts eine entsprechende behördliche Entscheidung voraussetzt (dies befürwortend: Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 218 ff. zu Art. 20 SDÜ).

Dies kann hier jedoch ebenfalls offen bleiben. Selbst wenn von einem unmittelbaren Erlöschen des Aufenthaltsrechts ausgegangen wird, hat die Behörde jedenfalls im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens, ob das Vorliegen des dann gegebenen Ausweisungstatbestandes nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG wegen unerlaubten Aufenthalts zum Anlass für eine Ausweisung genommen wird oder hiervon abgesehen wird, zu berücksichtigen, dass der Ausländer, der von einem Einreise- und Aufenthaltsrecht nach Art. 21 SDÜ Ge-brauch macht, (von offensichtlichen Fallkonstellationen abgesehen) nur schwerlich ab-schätzen kann, ob sein Aufenthalt eine Gefahr i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e Schenge-ner Grenzkodex für die öffentliche Ordnung darstellt und damit zugleich sein weiterer Aufenthalt unerlaubt wird. Dies setzt eine rechtliche Einordnung einer Mithilfe in einem Betrieb als (unerlaubte) Erwerbstätigkeit, die Gewichtung eines etwaigen Verstoßes unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sowie eine Beurteilung der durchaus schwierigen Rechtsfrage voraus, ob das Aufenthaltsrecht aus Art. 21 SDÜ unmittelbar oder erst nach entsprechender behördlicher Entscheidung erlischt. Lässt sich nicht feststellen, dass dem Ausländer bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (wie etwa bei Begründung einer offensichtlich schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung), dass sein Aufenthalt mit Begehung eines Rechtsverstoßes unerlaubt wird, kann ihm der weitere Verbleib im Bundesgebiet trotz vermeintlichen Erlöschens seines Aufenthaltsrechts kaum zum Vorwurf gemacht werden.

So liegt der Fall hier. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller damit rechnete, dass er durch die Tätigkeit im Restaurant "U Buffet" eine (unerlaubte) Beschäftigung ausübte, die unmittelbar das Erlöschen seines Aufenthaltsrechts bewirkte. Mit der (hier unterstellten) Beschäftigung über den Zeitraum von drei Tagen ohne die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erforderliche Erlaubnis hat der Antragsteller auch nicht in dem oben genannten Sinne offensichtlich eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung begründet. Der Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist nicht strafbewehrt, sondern erfüllt lediglich den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (§ 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III). Die nach § 404 Abs. 3 SGB III vorgesehene Geldbuße von bis zu fünftausend Euro liegt zudem allenfalls im mittleren Bereich der Sanktionierung von Ordnungswidrig¬keiten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber selbst diesem Rechtsverstoß keine besondere Schwere beimisst. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Einreise- und Aufenthaltsrecht aus Art. 21 SDÜ, von dem der Antragsteller Gebrauch gemacht hat, (anders als dasjenige aus Art. 20 SDÜ i.V.m. den Regelungen der EG-VisaVO sowie § 17 AufenthV) gerade nicht von vornherein einen Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit ausschließt (die Einordnung der unerlaubten Beschäftigung als schwerwiegenden Verstoß mit Verweis auf § 17 AufenthV bei Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl., 2007, S. 220 (zu Art. 20 SDÜ) lässt sich daher auf die rechtliche Konstellation bei Art. 21 SDÜ nicht übertragen).

Dem entsprechend sieht auch das nationale Recht einen Grund für eine Zurückweisung eines Ausländers an der Grenze im Falle der beabsichtigten unerlaubten Erwerbstätigkeit nur für diejenigen Ausländer vor, die über ein Schengen-Visum verfügen oder für einen Kurzaufenthalt von der Visumspflicht befreit sind, vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 2a AufenthG. Ausländer, die auf der Grundlage des Art. 21 SDÜ mit einem von einem Mitgliedstaat ausgestellten nationalen Aufenthaltstitel einreisen, sind von diesem speziellen Zurückweisungsgrund nicht erfasst. Mangels eines vergleichbaren unmittelbaren Regelungszusammenhangs zwischen Erwerbstätigkeit und Legalität des Aufenthalts kann im Falle eines sich auf der Grundlage des Art. 21 SDÜ in Deutschland aufhaltenden Ausländers nur bei Vorliegen entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte im Einzelfall davon ausgegangen werden, dass er mit einem Wegfall seines Aufenthaltsrechts unmittelbar durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hätte rechnen müssen. Derartige Anhaltspunkte, die dem Antragsteller eine solche Rechtsfolge seines Verhaltens hätten vor Augen führen müssen, sind hier jedoch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Ermessensentscheidung solche auch nicht aufgezeigt.

Auch die in Ziffern 4 und 5 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene Abschiebungsandrohung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie findet eine Rechtsgrundlage weder in §§ 58 und 60 AufenthG, auf die sie ausweislich der Begründung des Bescheides gestützt wurde, noch kann sie auf die hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommende Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gestützt werden.

Als vollstreckungsrechtliche Maßnahme setzt die Abschiebungsandrohung eine bestehende Ausreisepflicht voraus (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 18 A 2620/08 -, juris (Rdn. 13) = InfAuslR 2009, 232 ff.). Ausreisepflichtig ist der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Dies wäre der Fall, wenn sein ursprünglich aus Art. 21 SDÜ folgendes Einreise- und Aufenthaltsrecht durch die (hier nur unterstellte) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unmittelbar erloschen ist. Davon abgesehen erlischt das Aufenthaltsrecht erst mit Ablauf der in Art. 21 SDÜ geregelten Frist von drei Monaten ab Einreise. Diese Frist ist, soweit ersichtlich, derzeit noch nicht ausgeschöpft, sondern endet unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers frühestens am 23. Juni 2012.

Ob das Aufenthaltsrecht des Antragstellers durch die Aufnahme einer Beschäftigung erloschen ist, kann hier jedoch (wie schon zuvor im Rahmen der rechtlichen Überprüfung der Ausweisung) offen bleiben. Denn selbst wenn von einer bestehenden Ausreisepflicht des Antragstellers ausgegangen wird, bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Denn in diesem Fall verstößt sie gegen § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Danach ist ein ausreisepflichtiger Ausländer, dem Einreise und Aufenthalt in einen/einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen/einem anderen Schengen-Staat erlaubt sind, aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dem Antragsteller sind Einreise und Aufenthalt in Bezug auf das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik auf Grund der in seinen Nationalpass eingetragenen, bis zum 7. August 2013 gültigen tschechischen Aufenthaltserlaubnis erlaubt. Eine Aufforderung, sich in das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik zu begeben, ist gegenüber dem Antragsteller – soweit ersichtlich – nicht ausgesprochen worden. Vielmehr wurde ihm in Ziffer 5 der Ordnungsverfügung die Abschiebung nach Vietnam oder in ein anders Land, in das er zur Einreise berechtigt ist, angedroht.

Die durch das Fehlen der nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erforderlichen Aufforderung, sich in das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik zu begeben, begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung führen dazu, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung der Abschiebungsandrohung zunächst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung überwiegt. Dabei kann offen bleiben, ob eine Abschiebungsandrohung (jedenfalls – wie hier – mit Nennung des Herkunftslandes des Ausländers als Zielstaat) erst dann ergehen darf, wenn der Ausländer einer ihm (zuvor) auferlegten Verpflichtung, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates zu begeben, nicht nachgekommen ist oder besondere Umstände die sofortige Ausreise des Ausländers gebieten. Hierfür spricht der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 – RückführungsRL – (ABl. 2008 Nr. L 348 S. 98), dessen Umsetzung § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011, BGBl. I S. 2258, dient. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der RückführungsRL findet Absatz 1 der Vorschrift (Erlass einer Rückführungsentscheidung) nur dann Anwendung, wenn der Ausländer der ihm auferlegten Verpflichtung, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben, nicht nachkommt oder die sofortige Ausreise des Ausländers aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit geboten ist. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG dagegen davon aus, dass mit der Aufforderung zur Ausreise in das Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates oder Schengen-Staates zugleich gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung angedroht werden könne (so die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 17/5470 S. 22), allerdings ohne zu differenzieren, ob als Zielland der angedrohten Abschiebung der andere Mitgliedstaat und/oder das Heimatland zu nennen ist. Selbst wenn die Abschiebungsandrohung zugleich mit der Aufforderung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ergehen kann, ist die hier streitgegenständliche Androhung der Abschiebung des Antragstellers in sein Heimatland rechtswidrig, da der Antragsteller weder zuvor noch zugleich aufgefordert wurde, sich in das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik zu begeben.

Es kann schließlich auch dahingestellt bleiben, ob die in Ziffer 4 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung gesetzte – nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 18 A 2620/08 -, juris = InfAuslR 2009, 232 ff,) selbständig anfechtbare – Ausreisefrist den Anforderungen des § 59 Abs. 1 AufenthG entspricht. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, da die in Satz 1 dieser Vorschrift geregelte grundsätzliche Mindestdauer von sieben Tagen unterschritten wird, aber hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der besonderen in Satz 2 der Norm genannten Voraussetzungen für eine kürzere Fristbestimmung weder im streitgegenständlichen Bescheid aufgezeigt werden noch sonst ersichtlich sind. [...]