Der für die Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis und eines nationalen Visums gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erforderliche Antrag unterliegt keinen normierten Formerfordernissen. Die Antragstellung kann daher auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten erfolgen.
Die alleinige elterliche Verantwortung wird der Mutter eines nichtehelichen Kindes im englischen Recht nicht (mehr) in Frage gestellt.
[...]
Die zulässige Verpflichtungsklage ist nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO begründet. Die Beklagte zu verpflichten, das beantragte Visum zum Zwecke des Kindernachzuges zu erteilen. Die Versagung des Visums ist rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Er hat im maßgebenden Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums.
Der Anspruch auf Erteilung des Visums zum Kindernachzug folgt aus § 32 Abs. 3 AufenthG. Nach dieser Bestimmung ist dem minderjährigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis - und vor der Einreise gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG ein Visum - zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Außerdem müssen zusätzlich die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels erfüllt sein (§§ 5, 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
Das Nachzugsbegehren ist insoweit nicht vorrangig nach der Vorgängerregelung des § 20 Abs. 3 Satz 1 Ausländergesetz (AuslG) zu prüfen. Die Mutter des im Jahr 1991 geborenen Klägers hat sich vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in Deutschland aufgehalten. Damit gilt nach § 104 Abs. 3 AufenthG hinsichtlich der personen- und familienbezogenen Nachzugsvoraussetzungen weiterhin § 20 AuslG, es sei denn, das Aufenthaltsgesetz gewährt eine günstigere Rechtsposition. Dies ist hier der Fall, da § 32 Abs. 3 AufenthG bei Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis vermittelt, während § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AuslG den Nachzug zu einem allein sorgeberechtigten Elternteil in das Ermessen der Ausländerbehörde stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 -, juris).
Die gesetzliche Altersgrenze von 16 Jahren ist eingehalten, denn zum insoweit ausschlaggebenden Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. BVerwG, a.a.O.) hatte der Kläger das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet. Dabei hat das Gericht im Sinne von § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger den Antrag am 7. November 2007 und damit vor seinem 16. Geburtstag am 11. November 2007 gestellt hat.
Der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und damit gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG auch eines nationalen Visums nach § 81 Abs. 1 AufenthG erforderliche Antrag unterliegt – anders als der Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums (vergleiche insoweit jetzt Art. 9 ff. Visakodex) – keinen normierten Formanforderungen (vgl. auch Nr. 81.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Die Antragstellung kann daher auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten erfolgen. Erforderlich aber auch ausreichend ist insoweit, dass das Verhalten des Ausländers nach den auch im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 BGB vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und der Verkehrsauffassung in diesem Sinne zu verstehen ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. Juli 2009 – 18 B 1661/08 –, juris; Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, Rn. 7; auch BVerwGE 138, 371) und demzufolge ein Begehren auf die Erteilung eines Visums zu einem bestimmten Aufenthalt im Bundesgebiet erkennen lässt (vgl. Nr. 81.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG).
Bei Anlegung dieses Maßstabes hält es das Gericht für erwiesen, dass von einem Antrag auf Erteilung eines nationalen Visums am 7. November 2007 auszugehen ist. Der Kläger respektive seine Mutter L waren von der Ausländerbehörde im Vorfeld auf die Bedeutung des 16. Geburtstages des Klägers für die Rechtsgrundlage eines Visums zum Familiennachzug hingewiesen worden. Sie wussten also, dass es wichtig war, den Antrag vor dem 11. November 2007 zu stellen. Entsprechend hatten sie auch einen insoweit rechtzeitigen Vorsprachetermin am 7. November 2007 bei dem Generalkonsulat vereinbart. Zudem war der Rückflug von Frau L nach Deutschland für den 16. November 2007 gebucht, so dass kaum zu erwarten war, bei Versäumung des vorgesehenen Termins rechtzeitig vor diesem Abflug einen Ersatztermin zu erhalten. Bei dieser Ausgangslage erscheint es von vornherein lebensnah, dass der Kläger und L den vereinbarten Vorsprachetermin am 7. November 2007 auf jeden Fall wahrnehmen wollten. Dass dies dann auch geschehen ist, belegt zur Überzeugung des Gerichts die Aussage der als Zeugin vernommenen L. Auch wenn die Zeugin ein ersichtliches Eigeninteresse am Gegenstand ihrer Vernehmung hatte, erschien sie dem Gericht glaubwürdig und ihre Aussage glaubhaft. [...] Die Darstellung der Zeugin zu Grunde gelegt ist zweifelsfrei, dass in dem Verhalten des Klägers und der ihn vertretenden Frau L am 7. November 2007 eine ausdrückliche, wenn auch mündliche Antragstellung auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu sehen ist.
Auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Dabei erfordern Fälle der vorliegenden Art, bei denen der Zeitpunkt des Visumsantrages für die tatbestandliche Altersgrenze maßgeblich ist, dass die weiteren tatbestandlichen Nachzugsvoraussetzungen im Zeitpunkt sowohl des Erreichens der Altersgrenze als auch der gerichtlichen Entscheidung erfüllt sind (BVerwG, a.a.O.).
Die Mutter des Klägers L, die seit Mai 2007 also auch im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers - im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, ist allein personensorgeberechtigter Elternteil. Dies ist für die Zeit nach der gerichtlichen Sorgerechtsübertragung vom 18. März 2009 unstreitig. Bereits zuvor und damit im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers am 11. November 2007 war Frau L aber im alleinigen Besitz der Personensorgeberechtigung. Das Gericht folgt insoweit dem Ergebnis des Sachverständigen, das dieser in dem zum nigerianischen Sorgerecht eingeholten Rechtsgutachten vertritt.
Für die rechtliche Beurteilung der Sorgerechtsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt ist das nigerianische Recht maßgeblich. Ob sich dies aus Art. 21 EGBGB oder – rückwirkend – aus Art. 16 des am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Haager Kinderschutzübereinkommens ergibt, kann dabei dahinstehen.
Überzeugend weist der Gutachter nach, dass der Child's Rights Act 2003 – CRA –, der im nigerianischen Bundesstaat Lagos im Mai 2007 in Kraft trat, in dem einschlägigen Kap. VIII keine Regelung dazu enthält, wem die elterliche Sorge über ein nichteheliches Kind zusteht. Insbesondere ist mit dem Gutachter davon auszugehen, dass eine solche Bestimmung weder ausdrücklich noch konkludent in Art. 69 CRA getroffen ist (a.A. VG Berlin, Urteil vom 21. August 2008 – VG 38 V 12.08 –, juris). Darin wird dem zuständigen Familiengericht (nur) die Befugnis gegeben, die erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich der Verteilung der elterlichen Sorge zu treffen; nicht geregelt oder vorausgesetzt ist indes, wem die elterliche Verantwortung zusteht, bevor ein solcher Beschluss ergeht. Dieser Auffassung hat sich im Übrigen augenscheinlich auch die Beklagte mittlerweile angeschlossen. Der Gutachter hat ebenso plausibel dargetan, dass es auch sonst keine im nigerianischen Recht kodifizierten Regelungen zur Bestimmung der Sorgeberechtigung in Bezug auf ein nichteheliches Kind gibt.
Auf dieser Grundlage hat der Gutachter überzeugend dargelegt, dass sich die Bewertung, wem das Personensorgerecht im Hinblick auf ein nichteheliches Kind zusteht vorrangig nach wie vor nach dem in Nigeria übernommenen englischen common law richtet. Auch insoweit teilt die Beklagte die Ansicht des Gutachters. Dies gilt auch soweit der Gutachter feststellt, dass im alten common law der Grundsatz galt, ein nichteheliches Kind sei niemandes Kind ("filius nullius“). Das Gutachten spricht im Anschluss davon, dass im Laufe des 19. Jahrhunderts in der englischen Gerichtspraxis dennoch klargestellt worden sei, dass "prima facie" die Mutter die elterliche Sorge ausüben dürfe. Das Gericht folgt der Einschätzung des Gutachters, dass die Stellung der Mutter damit diejenige einer allein Personensorgeberechtigten im aufenthaltsrechtlichen Sinne ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besitzt ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, wenn er "allein" sorgeberechtigt ist, dem anderen Elternteil also bei der Ausübung des Sorgerechts keine substanziellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes (BVerwG, Urteile vom 07. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 und BVerwG 1 C 28/08 - sowie Urteil vom 1. Dezember 2009 - BVerwG 1 C 32/08 -, alle juris). Die Beklagte meint, die der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach dem common law zugebilligte Stellung erfülle diese Anforderungen nicht, da sie nur "prima facie" also "nach erstem Anschein" und damit widerlegbar die Ausübung des Sorgerechts ermögliche. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung Nash (1883) – 10 Q B D. 454 –, auf die der Gutachter unter Bezugnahme auf Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Nigeria (Stand: 31. Oktober 1982) als Grundlage des mütterlichen "prima facie Sorgerechts" rekurriert, insoweit ungenau wiedergegeben ist. Darin ist nämlich von dem "natürlichen Anspruch auf das Sorgerecht" ("natural right to its custody") der Mutter eines nichtehelichen Kindes die Rede (vgl. "The law reports 1881 to 1885", Sp. 667, archive.org/stream/cu31924017175864.
Dass dieses Recht allein auf einer "prima facie" vermuteten tatsächlich gelebten Beziehung zwischen Mutter und Kind beruhen und deshalb mit einer solchen stehen und fallen sollte, ist nicht erkennbar und wird durch den damals zu entscheidenden Sachverhalt gerade widerlegt. Denn dort hatte die Mutter ihr Kind kurz nach der Geburt aus den Händen gegeben und forderte es – erfolgreich – nach sieben Jahren zurück. Im Übrigen hat sich die rechtliche Stellung der Mutter eines nichtehelichen Kindes im englischen Recht nachfolgend weiter verfestigt, so dass ihre grundsätzlich alleinige elterliche Verantwortung nicht (mehr) in Frage gestellt wurde (vgl. Turner/Davis-Ferid, Englisches Familienrecht, 1983, Seite 138; Breuer, Der englische Children Act 1989 und die Ausweitung des Selbstbestimmungsrechts der Familie, 1998, Seite 75, 86).
Ist danach davon auszugehen, dass die Ausübung der elterlichen Sorge bezüglich eines nichtehelichen Kindes nach dem maßgeblichen common law der Mutter zusteht, hindert die Annahme einer hierin liegenden alleinigen Personensorgeberechtigung im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG nicht, dass der andere Elternteil das Recht hat, eine gerichtliche Entscheidung über die Sorgeberechtigung einzufordern. Dies schon deshalb nicht, weil der allein maßgebliche Umfang der zustehenden Rechte nicht davon abhängt, wie beständig diese sind. Wenn die Beklagte weitergehend aus dem vermeintlich schwachen, da nicht abgesicherten Sorgerecht der Mutter eine inhaltliche Beschränkung dergestalt herleitet, dass für rechtlich relevante Entscheidungen ( z.B. die Ausreise des Kindes in ein anderes Land) eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung erforderlich sei, ist hierfür weder ein rechtlicher Ansatzpunkt genannt noch sonst erkennbar.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch übereinstimmt mit der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nicht nachgewiesen, dass eine Legitimation des Kindes erfolgte, die zu einer rechtlichen Teilhabe des Kindesvaters an der Personensorgeberechtigung führte.
Aus den Regelungen des anwendbaren englischen Rechts kann sich für den vorliegenden Fall keine Beteiligung des Vaters am Sorgerecht in Bezug auf den Kläger herleiten lassen. Nur eine nachträgliche Heirat der Eltern oder eine Eintragung des Vaters im Geburtenregister – an beidem fehlt es vorliegend – kann danach dessen sorgerechtliche Verantwortung herbeiführen; dagegen reicht es hierfür nicht aus, dass die Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben (vgl. Breuer, a.a.O., Seite 86 f.; Ellger, Englisches Kindschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der nichtehelichen Kinder, in: Kindschaftsrecht im Wandel, 1994, Seite 422 f.). Deshalb ist auch die weitere Erwägung der Beklagten, dem leiblichen Vater könne durch das Zusammenleben ein prima-facie-Sorgerecht im oben genannten Sinne zukommen, nicht zutreffend.
Auch von einer Legitimation des Kindes aufgrund nigerianischem Stammesgewohnheitsrechtes kann nicht ausgegangen werden.
Insoweit hat der Gutachter in Übereinstimmung mit der zugänglichen Literatur (vgl. Bergmann/ Ferid/Henrich, a.a.O.,Seite 4; Brandhuber/Zeyringer, Standesamt und Ausländer, Stand: Juli 2004, Nigeria, Seite 7; Nwogugu, Family Law in Nigeria, 1990, Seite 294 ff.) dargelegt, dass rechtswirksames Stammesrecht in Nigeria existiert und zum anderen (teilweise) eine Legitimation eines nichtehelichen Kindes durch Anerkennung seitens des Vaters ermöglicht.
Dabei weist der Gutachter indes darauf hin, dass es in Nigeria etwa 200-300 verschiedene Stämme mit eigenem Stammesgewohnheitsrecht gibt, das jeweils nur auf die dem jeweiligen Stamm angehörigen Personen Anwendung findet. Ob es danach überhaupt mit den dem Gericht zur Verfügung stehenden Aufklärungsmitteln erfolgversprechend möglich wäre, eine etwaige Stammeszugehörigkeit insbesondere des Vaters des Klägers, dessen Aufenthalt nicht bekannt ist, und nachfolgend etwaige stammesrechtliche Regeln zur elterlichen Anerkennung eines Kindes zu ermitteln, erscheint zweifelhaft, kann im Ergebnis aber offen bleiben. Denn jedenfalls lässt sich eine Anerkennung des Klägers als eigenes Kind seitens des Kindesvaters nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen. [...]
Der Gutachter hat in seiner ergänzenden Stellungnahme einzelne Handlungen, die als Anerkenntnis zu werten seien, aufgezeigt. Für deren Vorliegen ist hier nichts erkennbar. Allerdings ist der Beklagten in ihrer diesbezüglichen Gutachtenkritik beizupflichten. Denn der Gutachter stützt sich insoweit erkennbar allein auf eine im Internet abrufbare Bachelorarbeit einer nigerianischen Studentin. Dies dürfte als verlässliche Quelle nicht ausreichen. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass andere Möglichkeiten der Vaterschaftsanerkennung ausscheiden.
Dennoch bedarf es keiner weiteren Überprüfung, in welcher Weise im Einzelnen eine solche Anerkennung nach den verschiedenen stammesrechtlichen Vorgaben rechtswirksam erfolgen kann. Denn das Gutachten und die sonstigen vorliegenden Erkenntnisquellen in der Rechtsliteratur gehen übereinstimmend und plausibel davon aus, dass es zwar keines formgebundenen Anerkennungsaktes, aber jedenfalls eines Verhaltens bedarf, das eindeutig nach außen hin auf ein Anerkenntnis seitens des Vaters schließen lässt (vgl. Nwogugu, a.a.O., Seite 295 ff.); ein solches kann offenbar (jedenfalls nach den Regeln einzelner Stämme) auch in der Aufnahme des Kindes in den Haushalt und Behandlung des Kindes wie ein eheliches gesehen werden (Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O.,Seite 21; Brandhuber/ Zeyringer, a.a.O.).
Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Es kann entgegen der Auffassung des Beklagten schon nicht mit der erforderlichen Sicherheit ein – so die Beklagte – dreijähriges oder auch nur überhaupt aussagekräftig langzeitiges Zusammenleben des Kindesvaters mit dem Kläger und L festgestellt werden. L hat im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung ausgesagt, mit dem Vater ihrer Kinder zu keiner Zeit zusammengelebt zu haben. [...] Ein Anzeichen geschweige denn ein Beleg dafür, dass der Kindesvater sich zu dem Kläger als eigenes Kind bekannt hat, ist indes nicht feststellbar. Vielmehr deutet der Umstand, dass der Vater auch bei der Geburt seines zweiten Kindes 1995 nicht in das Geburtsregister als Vater eingetragen wurde, eher darauf hin, dass er (weiterhin) seinen Kindern gegenüber keine elterliche Verantwortung übernehmen wollte.
Da – wie geschildert – die anspruchsbegründende alleinige Sorgeberechtigung von L vorlag und deren Verlust infolge einer Beteiligung des Vaters an der Sorgeberechtigung folglich anspruchsvernichtend wäre, ist der Kläger diesbezüglich nicht materiell beweisbelastet. Ist damit der Verlust des alleinigen Personensorgerechts von L nicht erwiesen, geht dies zulasten der Beklagten.
Auch aus der Tatsache, dass das nigerianische Gericht mit dem Beschluss vom 18. März 2009 das Sorgerecht L übertrug, kann nicht gefolgert werden, dass es nicht schon zuvor L allein zustand. Bereits aus dem Umstand, dass als Antragsgegner der in der Geburtsurkunde des Klägers als Vater ausgewiesene, aber längst verstorbenen Großvater mütterlicherseits betrachtet wurde, folgt, dass das Gericht augenscheinlich nicht davon ausging, es gebe neben L einen weiteren Personensorgeberechtigten. Im Gegenteil spricht auch die augenscheinlich pro forma erfolgte - alleinige - Aufnahme des verstorbenen Großvaters als Antragsgegner in diesem Sorgerechtsverfahren dafür, dass auch das nigerianische Gericht nicht in Erwägung zog, dass dem nicht in der Geburtsurkunde ausgewiesenen leiblichen Vater sorgerechtliche Befugnisse zukämen.
Liegen damit die speziellen Voraussetzungen des Kindernachzugs nach § 32 Abs. 3 AufenthG vor, sind auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), im Zeitpunkt sowohl des Erreichens der Altersgrenze im November 2007 als auch der gerichtlichen Entscheidung erfüllt.
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1, 3 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, wobei Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt werden. Erforderlich ist die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in diesem Sinne zukünftig auf Dauer gesichert ist (BVerwG, InfAuslR 2009, 270). Die verlangte Existenzsicherung kann nicht allein aufgrund einer punktuellen Betrachtung beurteilt werden. Aus dem Zweck der Norm ergibt sich die Notwendigkeit einer gewissen Verlässlichkeit des Mittelzuflusses. Hierzu ist der voraussichtliche Unterhaltsbedarf mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu vergleichen, wobei sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs und des zur Verfügung stehenden Einkommens bei erwerbsfähigen Ausländern grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB II - richtet (BVerwG, NVwZ 2009, 249; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. März 2010 - OVG 3 B 9.08 -, juris).
Bei Anlegung dieses Maßstabes war bzw. ist der Lebensunterhalt des Klägers im November 2007 als auch heute mit den Einkünften von L und dem Stiefvater des Klägers, dessen Beiträge zum Haushaltseinkommen in vollem Umfang zu berücksichtigen sind (vgl. VG Berlin, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 13 V 54.06 –, juris, gesichert. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass das Gericht insoweit von näheren Erläuterungen absieht. Es besteht lediglich Veranlassung darauf hinzuweisen, dass der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise eine saisonal wiederkehrende, für sich genommen indes jeweils befristete Beschäftigung bei der Prognose der Lebensunterhaltssicherung zu behandeln ist, nicht weiter nachgegangen werden muss. Allerdings war L im November 2007 lediglich (wiederholt) als Saisonarbeiterin bis zum Ende der Weihnachtssaison für den Gebäckproduzenten, bei dem sie nunmehr unbefristet vollzeitbeschäftigt ist, tätig. Etwaige Zweifel, ob die Einkünfte auch außerhalb dieser saisonalen Beschäftigung durch Arbeitslosengeld und/oder sonstiges berücksichtigungsfähiges Einkommen unterhaltssichernde Höhe erreichen würden, haben sich in der Folgezeit – rückschauend – nicht bewahrheitet. Das Gericht ist nicht gehindert, die Frage der damaligen Sicherung des Lebensunterhalts anstatt der zum damaligen Zeitpunkt nur möglichen Prognose nunmehr (ungleich aussagekräftiger) anhand der – infolge des Zeitablaufs zugänglichen – tatsächlichen Entwicklung zu bewerten. [...]