OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 02.10.2012 - 8 LA 209/11 (= ASYLMAGAZIN 12/2012, S. 419) - asyl.net: M20110
https://www.asyl.net/rsdb/M20110
Leitsatz:

1. Die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht unmittelbar anwendbar; sie vermitteln den Rechtsunterworfenen jedenfalls keine subjektiven Rechte.

2. Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention gebietet eine eine Absenkung der nach der bisherigen Rechtsprechung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geforderten hohen Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bei Fehlen einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG (vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, Urt. v. 12.7.2001, 1 C 5.01, BVerwGE 115, 1, 9) nicht.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: subjektives Recht, Kinderrechtskonvention, Kindeswohl, verfassungskonforme Anwendung, Verfassungsmäßigkeit, extreme Gefahrenlage, Vorrang, vorrangig, minderjährig, Minderjährige, Abschiebungsverbot, Abschiebungsschutz,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 1 S. 1, UN-KRK Art. 3 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7,
Auszüge:

[...]

Letztlich kann der Senat aber dahinstehen lassen, ob Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention unmittelbar anwendbar ist und subjektive Rechte zu vermitteln vermag. Denn selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, ergäbe sich hieraus kein zwingendes Erfordernis, den nach der bisherigen Rechtsprechung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geforderten Maßstab der hohen Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bei Fehlen einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG abzusenken. Denn Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention erfordert eben nur, dass das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig berücksichtigt wird. Nach dieser Bestimmung (vgl. auch Art. 21 UN-Kinderrechtskonvention, wonach dem Kindeswohl bei der Adoption weitergehend "höchste Bedeutung" zuzumessen ist) genießt das Kindeswohl aber keinen absoluten Vorrang vor anderen Gesichtspunkten und steht damit auch einer Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht generell und unter allen Umständen entgegen. Gefordert wird lediglich in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen den Belangen des Kindes und den öffentlichen Belangen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.3.2012 - 3 B 21.11 -, juris Rn. 33; Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.7.2011 - 10 ZB 10.3028 -, NVwZ-RR 2012, 161; Senatsbeschl. v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 -, juris Rn. 62 f.), die im Rahmen des geltenden Asylrechts zu verwirklichen ist.