OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.08.2012 - 3 B 37.11 (= ASYLMAGAZIN 12/2012, S. 431 ff.) - asyl.net: M20140
https://www.asyl.net/rsdb/M20140
Leitsatz:

Die Bundesrepublik Deutschland kann von den Verwaltungsgerichten nur dann zur Erteilung eines Schengen-Visums verpflichtet werden, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz alle Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Eine stattgebende Entscheidung mit der Verpflichtung, dem Visumantragsteller bei späterer Vorlage von im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch fehlenden Unterlagen (z.B. gültiges Reisedokument, Reisekrankenversicherung) ein Besuchsvisum zu erteilen, ist ausgeschlossen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Schengen-Visum, Besuchsvisum, Visumsantrag, Visumantrag, gültiges Reisedokument, Reisedokument, Pass, Passpflicht, Visakodex, Schengener Grenzkodex, Belege, Sicherung des Lebensunterhalts, Verpflichtungserklärung, Bonitätsprüfung, Rückkehrbereitschaft, Zweifel an der Rückkehrbereistschaft, begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, Jordanien, wirtschaftliche Existenz, Krankenversicherung, Reisekrankenversicherung,
Normen: VO 810/2009 Art. 2 Nr. 3, AufenthG § 6 Abs. 1 Nr. 1, VO 810/2009 Art. 19 Abs. 1, VO 810/2009 Art. 19 Abs. 2, VO 810/2009 Art. 10 Abs. 3 b, VO 810/2009 Art. 12, VO 810/2009 Art. 21 Abs. 1, SGK Art. 5 Abs. 1 a, VO 810/2009 Art. 19 Abs. 3, AufenthG § 68, VO 810/2009 Art. 14 Abs. 1, AufenthG § 68, VO 810/2009 Art. 32 Abs. 1 b, VK Art. 14 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Die Klage ist aber unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines einheitlichen, für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültigen (vgl. Art. 2 Nr. 3 VK) Visums und auch keinen Anspruch auf eine erneute Ermessensausübung der Beklagten über den Visumantrag.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224), kann einem Ausländer nach Maßgabe des VK ein Visum für geplante Aufenthalte im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an erteilt werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie der dort in Bezug genommene VK sind maßgeblich, auch wenn der Kläger den Visumantrag vor Inkrafttreten des VK am 5. April 2010 (vgl. Art. 58 Abs. 2 VK) und des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG n.F. am 26. November 2011 (vgl. Art. 13 Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 [BGBl. I S. 2258]) gestellt hat, nämlich am 9. Juli 2009. Denn die Mitgliedstaaten dürfen inzwischen ein Visum, das vom sachlichen Geltungsbereich des VK erfasst ist, nur noch unter Beachtung der dortigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erteilen. Dies gilt auch dann, wenn die Erteilung des Visums, wie hier, noch nach altem Recht abgelehnt wurde und der Betroffene dagegen Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 11 ff.; Urteil vom 15. November 2011, a.a.O., Rn. 8).

a) Der Visumantrag ist gemäß Art. 19 Abs. 1, 2. Spiegelstrich VK schon unzulässig. Der Kläger besitzt entgegen Art. 10 Abs. 3 Buchst. b, Art. 12, Art. 21 Abs. 1 VK i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a SGK kein gültiges Reisedokument. Der der Beklagten im Visumverfahren vorgelegte Reisepass war nur bis zum 22. Mai 2012 gültig. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Hörensagen und ohne Nennung näherer, die Ausstellung und Gültigkeit betreffender Umstände bekundet hat, nach telefonischer Mitteilung des Klägers verfüge dieser nunmehr wieder über ein gültiges Reisedokument, ist dies unsubstanziiert. Humanitäre Gründe, die es nach Art. 19 Abs. 4 VK ermöglichen würden, den Visumantrag trotz Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments für zulässig zu erachten, liegen schon deswegen nicht vor, weil den Ausführungen des Klägers nicht entnommen werden kann, dass die Vorlage eines gültigen Reisedokuments, über das er nach Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten schon seit etwa zwei Monaten verfügen soll, für ihn unzumutbar ist.

Die Unzulässigkeit des Visumantrags führt zur Klageabweisung. Die Auslandsvertretung darf das Schengen-Visum nur erteilen, wenn im Zeitpunkt ihrer Entscheidung alle Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nur dann kommt auch die gerichtliche Verpflichtung der Beklagten in Betracht, für die grundsätzlich auf dieSach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 19). Kommt es bei der Erteilung des Visums zu Verzögerungen, so hat der Antragsteller für eine Aktualisierung seiner Angaben und der von ihm zu erbringenden Nachweise nicht nur im Verwaltungs-, sondern auch im gerichtlichen Verfahren zu sorgen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Beklagte nicht bedingt zur Visumerteilung verpflichtet werden. Hiergegen spricht im Falle der durch die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments bedingten Unzulässigkeit des Visumantrags schon, dass die zuständige Auslandsvertretung die Bearbeitung eines unzulässigen Visumantrags gemäß Art. 19 Abs. 3 VK unverzüglich einzustellen und das von dem Antragsteller eingereichte Antragsformular sowie die von ihm vorgelegten Dokumente zurückzugeben, die erhobenen biometrischen Daten zu vernichten, die Visumgebühr zu erstatten und von einer weiteren Prüfung des Antrags abzusehen hat. Selbst in Fällen aber, in denen ein zulässiger Visumantrag unbegründet ist, muss die Beklagte beim Fehlen erforderlicher Belege, die gemäß Art. 14 Abs. 1 VK schon bei der Beantragung eines Visums vorzulegen sind, das Visum gemäß Art. 23 Abs. 4 Buchst. c, Art. 32 VK verweigern. Der Visumantragsteller ist, wie bereits ausgeführt, seinerseits gehalten, für die Aktualisierung seiner Angaben und der von ihm zu erbringenden Nachweise zu sorgen. Eine durch die Erfüllung noch fehlender Voraussetzungen aufschiebend bedingte Verpflichtung der Beklagten zur Visumerteilung ist dem VK fremd und führte, wenn sie im Urteilswege erfolgte, zu neuem, im Vollstreckungsverfahren auszutragenden Streit über die Erfüllung materieller Tatbestandsvoraussetzungen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würde eine erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens erfolgende Erbringung von Nachweisen auch nicht mehr "im Verlauf des Verfahrens" erfolgen. Zwar wird das Visumverfahren nach Rechtskraft einer stattgebenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung fortgesetzt und der Antragsteller kann und muss gegebenenfalls in diesem Verfahren Nachweise aktualisieren. Dies betrifft aber nur Nachweise, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz aktuell gewesen sind und den Anspruch auf Visumerteilung belegt haben, nicht jedoch solche, die der Antragsteller (überhaupt) erst in dem späteren Verwaltungsverfahren vorlegt (vgl. grundsätzlicher OVG Münster, Beschluss vom 6. Mai 2011 - 12 A 2039.10 -, juris Rn. 5: § 113 Abs. 5 Satz 1, 1. Hs. VwGO ist nicht erfüllt, solange ein Tatbestandsmerkmal der anspruchsbegründenden Norm nicht gegeben ist).

b) Der Visumantrag ist auch unbegründet. Die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht gegeben, es liegen Verweigerungsgründe vor.

(1) Das Visum ist nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Nr. iii) VK zu verweigern, da der Kläger nicht gemäß Art. 21 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. b VK i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. EU Nr. L 105 S. 1) - Schengener Grenzkodex (SGK) - belegt hat, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während seines Aufenthalts im Schengengebiet verfügt.

Genauere Vorgaben zur Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts enthalten Art. 21 Abs. 5 VK, Art. 5 Abs. 3 SGK, neben denen § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine zusätzliche und weitergehende eigenständige Bedeutung hat (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Februar 2012, § 6 Rn. 37 S. 25 f.). Hiernach muss der Kläger ausreichende Mittel für Unterkunft und Verpflegung nachweisen (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Buchst. c VK), wobei ein mittleres Preisniveau für preisgünstige Unterkünfte zugrunde gelegt wird. Auf die Aufforderung des Senats, Mittel zum Lebensunterhalt zu belegen, hat der Kläger einzig zwei Verpflichtungserklärungen vorgelegt. Sie sind von Herrn und Frau A... auf dem dafür vorgesehenen Formblatt, jedoch nicht unter Mitwirkung der Ausländerbehörde abgegeben worden. Zwar können gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 4 SGK auch Verpflichtungserklärungen berücksichtigt werden, wenn dies in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Eine solche Vorschrift stellt § 68 AufenthG dar. Dort wird aber in § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorausgesetzt, dass sich der Dritte (gerade) gegenüber der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt des Ausländers zu tragen, was Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ist (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das bedeutet, dass die Erklärung bei jener Ausländerbehörde eingehen und amtlich entgegengenommen werden muss (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O. Stand März 2012, § 68 Rn. 12). Dem genügen die von dem Kläger vorgelegten Verpflichtungserklärungen nicht, da nicht erkennbar ist, dass sie der zuständigen Ausländerbehörde vorliegen. Auch eine aus anderen Gründen bestehende Vollstreckbarkeit ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen setzt die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung nach dem insoweit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 4 SGK maßgeblichen nationalen deutschen Recht voraus, dass derjenige, der sie abgegeben hat, leistungsfähig ist. Bezieht er ein Arbeitseinkommen, so dient als Anhaltspunkt für seine Leistungsfähigkeit bei einem angestrebten Daueraufenthalt die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO. Durch die Verpflichtungserklärung werden nämlich keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichtungsgeber begründet, so dass die öffentliche Mittel (vor-)leistende Behörde möglicherweise gehalten ist, einen auf § 68 AufenthG gestützten Erstattungsanspruch gegenüber dem Verpflichtungsgeber geltend zu machen. Verweigert dieser die Zahlung und kommt es zur Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (§ 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), so kann sein Arbeitseinkommen nur in dem gesetzlich zulässigen Maße gepfändet werden (§ 5 Abs. 1 VwVG, § 319 AO, § 850 c ZPO bzw. die entsprechenden Vorschriften in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder). Die Bonitätsprüfung kann daher nur dann zu Gunsten des Verpflichtungsgebers ausgehen, wenn er über pfändungsfreies Einkommen in ausreichender Höhe verfügt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2012 - OVG 2 B 10.11 -, juris Rn. 45 m.w.N.; Beschluss vom 8. September 2009 - OVG 12 M 47.09 -; juris). Hierzu lassen sich keine dem Kläger günstigen Feststellungen treffen. Frau A... verfügt nach seiner Mitteilung über eine kleine Rente, deren Höhe er nicht beziffert hat. Für Herrn A... legt er lediglich eine (einzige) Gehaltsabrechnung für Juli 2012 vor, ungeachtet der Aufforderung des Senats, auch den Einkommensteuerbescheid für 2011 sowie eine zweite Gehaltsabrechnung einzureichen. Auch zur Höhe der von Herrn und Frau A... zu zahlenden Miete macht der Kläger keine Angaben. Die vorgenannte Gehaltsabrechnung für Juli 2012 weist ein Nettoeinkommen von 1.382,85 Euro aus. Bei Berücksichtigung der bestehenden Unterhaltspflicht für Frau A... sowie die beiden gemeinsamen Kinder ist, ohne dass es noch auf eine genaue Berechnung ankäme, die maßgebliche Pfändungsfreigrenze in § 850c Abs. 1 ZPO nicht überschritten.

Was die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers angeht, hat er nicht substanziiert dargelegt, über die erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen oder sie gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c SGK rechtmäßig erwerben zu können. Sein Prozessbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur vage darauf verwiesen, nach Bekundung des Herrn A..., der den Kläger vor ungefähr einem halben Jahr in Jordanien besucht habe, stamme der Kläger aus gut situierten Verhältnissen und verfüge über ein hinreichendes Einkommen. Der Prozessbevollmächtigte hat hinzugesetzt, er sei im Handel tätig und berate Firmen. Einkommensunterlagen sind dem Senat nicht vorgelegt worden. Über bestehende Unterhaltspflichten zugunsten der beiden Kinder des Klägers ist nichts bekannt. Sein Prozessbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur pauschal bekundet, seines Wissens zahle der Kläger den Kindern freiwillig Unterhalt, Genaueres könne er nicht sagen. In dem Schriftsatz vom 21. März 2011 hat der Kläger seine wirtschaftliche Situation selbst als dramatisch bezeichnet. Soweit er mit Schriftsatz vom 28. Februar 2011 angegeben hat, aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau durch die deutsche Botschaft in Amman habe er seine wirtschaftliche Existenz verloren, hat sein Prozessbevollmächtigter diese klare Äußerung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht überzeugend durch den Hinweis zu relativieren versucht, die Ehefrau habe bis zu der Kündigung (lediglich) ihren wirtschaftlichen Beitrag zum Familieneinkommen geleistet. Unsubstanziiert hat er hinzugesetzt, die Existenz des Klägers sei auch deswegen vernichtet worden, weil der gegen ihn gerichtete Vorwurf der Tätigkeit für eine terroristische Organisation seinen Ruf beschädigt habe, weswegen er seine Handelstätigkeit nicht mehr so wie zuvor habe ausüben können, zwischenzeitlich habe sich die Situation gebessert. Es ist weder nachvollziehbar, welche konkrete Handelstätigkeit er ausgeübt habe, noch ist erklärlich, dass der von der Beklagten erhobene Vorwurf - zumal noch im Jahre 2011 - derartige Wirkung gehabt hätte.

(2) Ferner stehen der Visumerteilung gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. b) VK begründete Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Klägers entgegen. Die Auslandsvertretung hat zu beurteilen, ob bei dem Kläger das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums das Hoheitsgebiet zu verlassen (Art. 21 Abs. 1 Halbs. 2 VK). Der Kläger ist seinerseits verpflichtet, Angaben vorzulegen, anhand derer seine Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums zu verlassen, beurteilt werden kann (Art. 14 Abs. 1 Buchst. d VK).

Es bestehen konkrete Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Klägers (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 15. November 2011, a.a.O. Rn.18; Hailbronner, AuslR, Stand März 2012, § 6 AufenthG Rn. 66).

Der Kläger hat zum einen vage und wechselnde Angaben zum Reisezweck gemacht. In dem Visumantrag vom 8. Juli 2009 hat er angegeben, er sei von Herrn F... in B...- seinem Schwiegervater - ...eingeladen worden. Seinerzeit hat die Ehe mit Frau M... noch bestanden, sie und die Kinder haben mit dem Kläger in Jordanien gewohnt. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 hat der Kläger bekundet, er werde gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern im Bereich Freiburg bei Rückkehr nicht zu einer Bezugsperson, sondern in eine Mietwohnung ziehen. Hiernach hat er, obwohl er lediglich ein Besuchsvisum beantragt hatte, während des Bestehens seiner Ehe an eine dauerhafte Rückkehr ins Bundesgebiet gedacht. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 hat er vage hinzugesetzt, er bleibe in Jordanien "gemeldet" und wolle im Bundesgebiet "seine Familie bzw. die Familie der Ehefrau" besuchen. Welche in gleichem Zusammenhang angegebenen geschäftlichen Angelegenheiten er im Bundesgebiet hat sondieren wollen, erschließt sich nicht. Nebulös und ebenfalls auf einen beabsichtigten Daueraufenthalt hindeutend ist sein weiteres Vorbringen, er wolle die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Hinblick auf mögliche spätere Asylanträge entkräften. Soweit er in dem Schriftsatz vom 23. Juni 2010 pauschal angegeben hat, die Einreise ins Bundesgebiet solle der Aufrechterhaltung der familiären Bindung zu seiner (mittlerweile wieder) in Deutschland lebenden Familie dienen, ferner der beruflichen Orientierung, um die sozialen Voraussetzungen für die Sorge um die Familie sichern zu können, ergeben sich auch hieraus ernsthafte Zweifel an bloßen Besuchsabsichten, zumal der Kläger (nur) "zunächst" einen zeitlich beschränkten Aufenthalt vorgesehen hatte, um nachfolgend familiär abzustimmen zu können, in welchem Umfang ein längerer Aufenthalt in Betracht komme. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sein Prozessbevollmächtigter nunmehr bekundet, er, der Kläger, wolle seine geschiedene Ehefrau und die Kinder besuchen. Nach der - allerdings nur pauschalen - Angabe des Prozessbevollmächtigten hält er mit der geschiedenen Ehefrau weiterhin Kontakt, sie wünsche seinen Besuch sehr, besonders wegen der beiden gemeinsamen Kinder. Eine Verpflichtungserklärung habe sie nicht unterschreiben wollen, weil sie befürchtet hat, den Kläger wieder an sich zu binden. Unbeschadet der Frage allerdings, welchen Kontakt des Klägers zu den gemeinsamen Kindern die geschiedene Ehefrau wünscht, ist nicht substanziiert dargetan, dass der Kläger selbst ernstlich hieran interessiert ist. Sein Prozessbevollmächtigter hat eingeräumt, er, der Kläger, habe keine Beziehungen mehr nach Deutschland, höchstens zu Herrn A..., dieser habe ihn vor einem halben bis einem Jahr in Jordanien besucht. Die schriftsätzliche Darlegung, er habe ein dringendes Interesse, die Kinder nach der langen Trennung zu sehen und den Kontakt wieder herzustellen, lässt darauf schließen, dass dieser Kontakt bislang nicht besteht. Dabei hätte er durch Telefonate und im Internet ohne Weiteres aufrechterhalten werden können, auch unter Vermittlung der geschiedenen Ehefrau, wenn diese und der Kläger wie behauptet an dem Kontakt interessiert wären.

Zum anderen ist der Kläger in Jordanien nur in geringem Ausmaß verwurzelt. Dies setzt einen Anreiz zur Rückkehr in das Bundesgebiet, wo er sich bereits von 1998 bis 2003 aufgehalten und mit den Lebensverhältnissen vertraut gemacht hat. Der Kläger hat Bindungen an Jordanien über die bereits angeführte, unsubstanziierte Angabe hinaus, er habe sich dort eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut, nicht dargelegt. Dabei ist er durch den Senat ausdrücklich angehalten worden, nicht nur zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern auch zu seiner Rückkehrbereitschaft vorzutragen. Er hat weder finanzielle Mittel im Wohnsitzstaat noch ein Arbeitsverhältnis oder seinen sonstigen beruflichen Status anhand konkreter Dokumente belegt, ebenso wenig Immobilienbesitz (vgl. Anhang II Abschnitt B. VK). Darüber hilft auch die im Visumvorgang befindliche arabischsprachige Unterlage mit dem Vermerk "Besitz der Mutter" nicht hinweg. Seine bereits angeführten schriftsätzlichen Äußerungen, er habe aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau durch die deutsche Botschaft in Amman die wirtschaftliche Existenz verloren bzw. seine wirtschaftliche Situation sei dramatisch, weisen darauf hin, dass er in Jordanien wirtschaftlich nicht Fuß gefasst hat und keinen entsprechenden Grund hat, dorthin zurückzukehren. Sein Vorbringen liefert auch keine Erkenntnisse zu etwaigen, in Jordanien vorhandenen persönlichen oder sozialen Bindungen, die auf einen Anreiz schließen ließen, das Bundesgebiet vor Ablauf der Geltungsdauer des Besuchsvisums zu verlassen.

Das Verwaltungsgericht hält dem Kläger demgegenüber mit der Erwägung, er werde einen Anspruch auf Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht aufs Spiel setzen, indem er bei nicht fristgemäßer Rückkehr nach Jordanien die Abschiebung und damit ein Einreiseverbot nach § 11 AufenthG riskiere, eine weitsichtige Verhaltensweise zugute, ohne dafür konkrete Anhaltspunkte im Verhalten des Klägers aufzuzeigen. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Kläger einen Anspruch auf Familiennachzug hat, den er im Falle seiner Abschiebung gefährden könnte. Eine von §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vorausgesetzte familiäre Bindung zu seinen Kindern, die über das formale Verwandtschaftsverhältnis hinausginge, ist aus den oben genannten Gründen nicht ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht angeben können, ob der Kläger das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder innehat. Vermutet hat er, dass dem nicht so ist. In diesem Falle bestünde höchstens ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG und auch dies nur, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt würde und die Ausländerbehörde von der gegenwärtig nicht erkennbaren Sicherung des Lebensunterhalts(§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) absähe. Ferner wäre vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch die im Raum stehende Frage weiter aufzuklären, ob der Kläger terroristische Organisationen unterstützt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 4 AufenthG). Nicht berücksichtigt wird von dem Verwaltungsgericht schließlich, dass es nach Einreise zu vermeintlichen Besuchszwecken grundsätzlich leichter fällt, den dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet zu betreiben.

Dem danach begründeten Risiko einer rechtswidrigen Einwanderung ist ein umso größeres Gewicht beizumessen, als zu besorgen ist, dass der Kläger, der, wie erwähnt, Unterlagen zu seinem Einkommen nicht vorgelegt hat, in der Bundesrepublik Deutschland in den Genuss von Sozialleistungen käme. Die Beklagte hat ein legitimes Interesse daran, eine rechtswidrige Einwanderung gerade auch wegen der damit verbundenen Belastung der öffentlichen Kassen zu verhindern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni2010 - OVG 2 B 16.09 -, InfAuslR 2011, 56 = juris Rn. 36).

(3) Das Visum ist ferner gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Nr. vii) VK zu verweigern, weil der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass er über eine angemessene Reisekrankenversicherung verfügt.

Das Erfordernis einer Reisekrankenversicherung ergibt sich aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. g i.V.m. Art. 15 Abs. 1 VK. Hiernach hat der Antragsteller nachzuweisen, dass er im Besitz einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung ist, die die Kosten für den etwaigen Rücktransport im Krankheitsfall oder im Falle des Todes die Kosten für ärztliche Nothilfe und/oder die Notaufnahme im Krankenhaus während seines Aufenthalts bzw. seiner Aufenthalte im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten abdeckt. Gemäß Art. 21 Abs. 3 Buchst. e) VK hat das Konsulat diese Einreisevoraussetzung (schon) bei der Bearbeitung des Visumantrags zu prüfen. Nichts anderes gilt, wie ausgeführt, für das Prüfprogramm des Verwaltungsgerichts.

Der Kläger hat zwar die Kopie eines Versicherungsscheins vorgelegt, wonach er für den Zeitraum bis zum 22. Januar 2013 eine Reisekrankenversicherung abgeschlossen hat. Es steht aber nicht fest, dass die Versicherung angemessen ist. Der Kläger hat lediglich einen teils in englischer, teils in arabischer Sprache gehaltenen Versicherungsschein in Ablichtung zu den Gerichtsakten gereicht, ohne die von dem Senat ausdrücklich erbetene deutsche Übersetzung hinzuzufügen (vgl. § 184 Satz 1 GVG). Dies betrifft besonders eine sich aus dem Annex des Versicherungsscheines ergebende, nur auf Arabisch vorliegende Regelung zu dem Risiko von Tod und Invalidität.

Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 6 Satz 1 VK liegen nicht vor. Hiernach kann die Pflicht zum Abschluss einer Versicherung als erfüllt betrachtet werden, wenn in Anbetracht der beruflichen Situation des Antragstellers davon ausgegangen werden kann, dass ein angemessener Versicherungsschutz besteht. Dies ist angesichts der aus den oben genannten Gründen unklaren beruflichen Situation des Klägers nicht der Fall.

(4) Nach alledem kann bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Visumerteilung dahinstehen, ob das Visum auch deswegen zu versagen ist, weil der Kläger aufgrund der Unterstützung terroristischer Aktivitäten gemäß Art. 21 Abs. 1 VK, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e SGK i.V.m. Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Nr. vi VK eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit darstellt.

c) Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Visumerteilung nicht erfüllt sind, kann sich von vornherein kein Anspruch des Klägers auf erneute Ermessensausübung der Beklagten über seinen Visumantrag ergeben. Ob die Visumerteilung bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen im Ermessen der Beklagten steht oder ob es sich um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2010, a.a.O., Rn. 23; Funke-Kaiser, a.a.O., § 6 Rn. 36; Hailbronner, a.a.O., § 6 AufenthG Rn. 76; offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 22; Urteil vom 15. November 2011, a.a.O., Rn. 10; vgl. ferner VG Berlin, Beschluss vom 10. Februar 2012, a.a.O., Rn. 38 ff), bedarf insoweit keiner Entscheidung.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch (wenigstens) auf die Erteilung eines Visums mit beschränkter Gültigkeit (vgl. Art. 2 Nr. 4 VK) nur für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 25 VK. Die Erteilung eines solchen Visums ist im Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums mit enthalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 27 ff.), da es gegenüber dem einheitlichen, für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültigen Visum in räumlicher Hinsicht ein "Minus" darstellt. Der Erteilung steht Art. 32 VK nicht entgegen, denn es ist trotz Vorliegens eines Verweigerungsgrundes möglich, über Art. 25 Abs. 1 Buchst. a Nr. i) VK ein räumlich beschränktes Visum unter anderem dann zu erteilen, wenn der betreffende Mitgliedstaat es aus humanitären Gründen für erforderlich hält, von dem Grundsatz abzuweichen, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c, d und e SGK festgelegten Einreisevoraussetzungen erfüllt sein müssen. Hierbei können - anders als bei der Erteilung eines einheitlichen Visums (vgl. BVerwG, Urteil vom15. November 2011, a.a.O., Rn. 19) - familiäre Bindungen an berechtigterweise im Bundesgebiet lebende Familienangehörige sowohl aus humanitären Gründen als auch aufgrund internationaler Verpflichtungen berücksichtigt werden (vgl. zur Beschreibung der humanitären Gründe Funke-Kaiser, a.a.O., § 6 Rn. 52).

Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass der Kläger kein gültiges Reisedokument vorgelegt hat, auch im Verfahren auf Erteilung eines Visums mit beschränkter Gültigkeit zur Unzulässigkeit des Visumantrags führt. Jedenfalls ist der Visumantrag unbegründet. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 VK sind nicht erfüllt.

Zwar kann die Erteilung eines beschränkten Visums mit Blick auf den besonderen Schutz familiärer Beziehungen nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta geboten sein, was bei begründeten Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011, a.a.O., Rn. 27 ff.). Im Falle des Klägers ist indes schon nicht erkennbar, dass er eine von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GR-Charta geschützte Bindung zu seinen im Bundesgebiet lebenden minderjährigen Kindern unterhält oder überhaupt Kontakt zu ihnen hat. Erst recht erreichen etwaige familiäre Bindungen nicht das Gewicht humanitärer Gründe. [...]