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VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 19.07.2012 - 11 K 9/12 (= ASYLMAGAZIN 1-2/2013, S. 50 ff.) - asyl.net: M20165
https://www.asyl.net/rsdb/M20165
Leitsatz:

§ 10 Abs. 4 Satz 1 StAG ist als gesetzliche Definition des unbestimmten Rechtsbegriffes "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" zu verstehen, die derjenige Ausländer besitzt, der die Anforderungen der Sprachprüfung tatsächlich erfüllen würde. Bei offenkundigem Erfüllen des Erfordernisses ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache wird die Beibringung eines solchen Zertifikates von dieser Vorschrift nicht verlangt. Wie zu verfahren ist, wenn ein solches Zertifikat Deutsch zwar tatsächlich im Einbürgerungsverfahren vorgelegt wird, die Umstände seiner Erlangung aber im Dunkeln bleiben und objektiv der Eindruck besteht, ausreichende Sprachkenntnisse liegen nicht vor, lässt das Gesetz offen.

§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG wohnt - wie § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - ein prognostisches Element inne, wonach auch im Falle der Einbürgerung gesichert sein muss, dass der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme der genannten Sozialleistungen jedenfalls auf eine absehbare Zeit bestritten werden kann (Anschluss an VG Berlin, Urt. v. 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, <juris>).

Die kurdische PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) zählen zu den Organisationen, deren Wirken unter § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG fällt (wie BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 1.11 -, <juris>). Tritt eine solche inkriminierte Organisation in verfassten Strukturen in Erscheinung (e.V.), so liegt ein Unterstützen vor, wenn der Betreffende in den Organen dieser Organisation tätig ist. Dies gilt auch, wenn die Übernahme der Funktionärstätigkeit mit dem Willen geschieht, nicht selbst Verantwortung übernehmen zu wollen, aber als "Strohmann" das Tätigwerden der eigentlich Verantwortlichen vor den Blicken der deutschen Behörden zu verbergen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: unbestimmter Rechtsbegriff, Rechtsbegriff, Sprachkenntnisse, Deutschkenntnisse, ausreichende Sprachkenntnisse, ausreichende Deutschkenntnisse, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, Einbürgerung, Sicherung des Lebensunterhalts, PKK, Anspruch auf Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Unterstützung, terroristische Vereinigung, Zertifikat,
Normen: StAG § 10 Abs. 4 S. 1, StAG § 10 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, StAG § 11 S. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

2. Der Kläger besitzt danach keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, - was hier unstreitig gegeben ist - einzubürgern, wenn er die in dieser Vorschrift unter Nr. 1 bis Nr. 7 bezeichneten Voraussetzungen - sofern von diesen nicht nach § 12 oder nach § 12 a Abs. 1 StAG abgesehen wird oder abgesehen werden kann - erfüllt und kein Grund vorliegt, der gemäß § 11 Satz 1 StAG diesen Einbürgerungsanspruch hindert.

Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Kläger die Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG erfüllt, wonach für eine Anspruchseinbürgerung insoweit erforderlich ist, dass der Einbürgerungsbewerber über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde nicht deutlich, dass diese Voraussetzung beim Kläger wirklich gegeben wäre. Zahlreiche Rückfragen des Einzelrichters, etwa zur Lebenssituation der Kinder, mussten ihm von seiner im Gerichtssaal anwesenden Ehefrau übersetzt werden. Antworten des Klägers selbst bestanden häufig nur aus einem Wort. Zwar bestimmt § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG, die Voraussetzungen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache liegen immer dann vor, wenn der Ausländer die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B 1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt. Der Kläger hat auch ein solches Zertifikat Deutsch im Einbürgerungsverfahren vorgelegt, das im April 2008 von einer Frankfurter Sprachenschule ausgestellt wurde. Ob er damit allerdings tatsächlich die Tatbestandsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG erfüllt, erscheint zweifelhaft. Absatz 4 Satz 1 der Norm geht nicht etwa davon aus, dass die Vorlage eines Zertifikates in jedem Fall gleichbedeutend ist mit der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals. Umgekehrt wird, bei offenkundigem Erfüllen des Erfordernisses ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache, die Beibringung eines solchen Zertifikates von dieser Vorschrift auch gar nicht verlangt. § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG ist vielmehr als gesetzliche Definition des unbestimmten Rechtsbegriffes "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" zu verstehen, die derjenige Ausländer besitzt, der die Anforderungen der Sprachprüfung des entsprechenden Zertifikates tatsächlich erfüllen würde. Dies scheint beim Kläger aber ausgesprochen zweifelhaft. Wie zu verfahren ist, wenn ein solches Zertifikat Deutsch zwar tatsächlich im Einbürgerungsverfahren vorgelegt wird, die Umstände seiner Erlangung aber im Dunkeln bleiben, und objektiv der Eindruck besteht, ausreichende Sprachkenntnisse liegen nicht vor, lässt das Gesetz offen. Im vorliegenden Fall muss dieser Frage auch nicht weiter nachgegangen werden, denn ein Einbürgerungsanspruch des Klägers besteht auch aus anderen Gründen nicht.

Seiner Einbürgerung nach § 10 StAG steht bereits entgegen, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. oben) die Voraussetzung des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Norm nicht ausreichend erfüllt.

Erforderlich insoweit ist, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestreiten kann bzw. gegebenenfalls eine solche Inanspruchnahme nicht zu vertreten hätte. Zwar hat der Gesetzgeber des StAG insoweit eine etwas andere Formulierung gewählt, als sie in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG enthalten ist. Gleichwohl ist der Bedeutungsgehalt der Vorschrift insoweit identisch, als ihm ein prognostisches Element innewohnt, wonach auch im Falle der Einbürgerung gesichert sein muss, dass der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme der genannten Sozialleistungen jedenfalls auf eine absehbare Zeit bestritten werden kann (vgl. eingehend VG Berlin, Urt. v. 16.08.2005 - 2 A 99.04 -, <juris> zur wortgleichen Vorgängervorschrift). Der rechtlichen Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG käme keine nennenswerte Bedeutung zu, würde man die Vorschrift - allein - so verstehen, dass der Einbürgerungsbewerber lediglich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vorgang der Einbürgerung frei sein müsse von der Inanspruchnahme der genannten Sozialleistungen. Ein Einbürgerungsbewerber hätte es dann gleichsam in der Hand, trotz fehlender Unterhaltssicherung seine Einbürgerung zu beantragen und lediglich während der Endphase der Verfahrensbearbeitung etwa eine kurze Erwerbstätigkeit aufzunehmen, nach dem Vollzug der Einbürgerung aber in die Inanspruchnahme von Leistungen zurückzufallen. Hätte der Gesetzgeber solches ermöglichen wollen, hätte er auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG praktisch ganz verzichten können. Dasselbe gilt mit Blick auf die Frage, ob nur die tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII als einbürgerungsschädlich anzusehen ist, wohingegen ein materieller Leistungsanspruch, der nicht geltend gemacht wird, die Einbürgerung nicht hindern solle (so Geyer, HK-AuslR, § 10 StAG Rz 17). Auch dann könnte ein Einbürgerungswilliger seinen Leistungsbezug nur für relativ kurze Zeit unterbrechen, sich etwa von Verwandten unterstützen lassen, um nach erfolgter Einbürgerung alsbald den Leistungsbezug fortzusetzen. Eine derartige Auslegung ist mit dem Gesetzeszweck unvereinbar (VG Berlin, a.a.O.).

§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG verlangt daher, jedenfalls für einen überschaubaren Prognosezeitraum, einen gesicherten Lebensunterhalt. Dies ist beim Kläger derzeit aber (noch) nicht zu erkennen. Der Kläger befand sich während seines Inlandsaufenthaltes nahezu fortlaufend im Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bzw. solchen nach dem SGB II. Nur eine relativ kurze Zeit, während der Verfahrensbearbeitung seines Einbürgerungsantrages, war er durch eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit (bei seinem Bruder) und ergänzendem Bezug von Kindergeld und Kindergeldzuschlag in der Lage, für sich und seine Angehörigen auf Leistungen nach dem SGB II zu verzichten. Ausgehend von diesem Befund erlaubt die nunmehr neu aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einem andere Arbeitgeber zum 01.07.2012, also wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung, im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. oben) nicht die Prognose, der Kläger werde auf absehbare Zeit vom Bezug von Sozialleistungen frei sein. Die bisherige Erwerbsbiographie des Klägers im Bundesgebiet trägt diese Annahme nicht. Nachdem auch sein jetziger Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von zwei Wochen aufweist, kann derzeit allenfalls von einer vagen Hoffnung gesprochen werden, ein entsprechender Leistungsbezug werde aufgrund eigener Erwerbstätigkeit des Klägers, des Bezuges von Kindergeld und eventuell vielleicht Kindergeldzuschlag, in einem absehbaren Prognosezeitraum nicht notwendig werden. Damit ist die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG jedoch noch nicht erfüllt.

Ein Weiteres kommt hinzu. Der Einbürgerung des Klägers steht auch § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen.

Nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist der Anspruch auf Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn zwar die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG geforderte Erklärung abgegeben wird, aber tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber nach dieser Vorschrift inkriminierte Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn dass sich der Einbürgerungsbewerber von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen inzwischen abgewendet hat.

In der Rechtsprechung unbestritten ist, dass die kurdische PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - zu den Organisationen zählt, deren Wirken unter § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG fällt (zuletzt BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 – 5 C 1.11 -, DVBl 2012, 843 <juris>).

Beim Kläger liegen auch tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG die PKK unterstützt hat.

Als Unterstützung ist dabei jede eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. Bestimmung objektiv vorteilhaft ist und die von der Person erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der jeweiligen Bestrebung vorgenommen wird (BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 - 5 C 20.05 -, NVwZ 2007, 956; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 -, NJW 2005, 3590). Dazu zählen etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - <juris>; Berlit in GK-StAR § 11 StAG RdNr. 96 ff.). Tritt die inkriminierte Organisation in verfassten Strukturen in Erscheinung (e.V.), so liegt ein Unterstützen vor, wenn der Betreffende in den Organen dieser Organisation tätig ist (Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 StAG Rn. 8; VGH Kassel, Beschl. v. 06. 01. 2006 - 12 UZ 3731/04 - NVwZ-RR 2006, 429). Dies gilt auch, wenn die Übernahme der Funktionärstätigkeit mit dem Willen geschieht, nicht selbst Verantwortung übernehmen zu wollen, aber als "Strohmann" das Tätigwerden der eigentlich Verantwortlichen vor den Blicken der deutschen Behörden zu verbergen (VG Stuttgart, Urt. v. 12.10.2005 - 11 K 1429/04 -, <juris>). Aber auch die aktive Mitgliedschaft im einem Verein, der organisatorischer Zusammenschluss einer nach § 11 S. 1 StAG inkriminierten Bestrebung ist, kann einem Einbürgerungsanspruch bereits entgegenstehen (vgl. VG Gießen, Urt. v. 03.05.2004 - 10 E 2961/03 -, BeckRS 2005, 24267). Dies gilt, wenn feststellbar ist, dass der vereinsrechtliche Zusammenschluss gerade dazu dient, der betreffenden Gruppierung sowohl zum organisatorischen Zusammenhalt nach innen als auch zur öffentlichkeitswirksamen Darstellung nach außen zu verhelfen. Dasselbe gilt schließlich, wenn durch zahlreiche Teilnahme an - öffentlichen oder internen - Veranstaltungen der nämliche Effekt erzielt werden soll, um durch das gemeinsame Auftreten der Anhängerschaft Abwanderungstendenzen entgegenzusteuern und die Mobilisierung - auch neuer Anhänger - zu ermöglichen.

Allerdings muss die Bedeutung einer Unterstützung derartiger Bestrebungen seines Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem Unterstützen fehlt es, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele einer Organisation, nicht aber auch deren Bestrebungen i.S.v. § 11 S. 1 Nr. 1 StAG befürwortet - sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch vereinsrechtlich erlaubte mitgliedschaftliche Tätigkeiten nach außen vertritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 -, zum insoweit verwandten Begriff des "Unterstützens einer Vereinigung, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt" - Ausweisungs- und besonderer Versagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG, <jetzt § 54 Nr. 5 AufenthG> NVwZ 2005, 1091). Dass der Einbürgerungsbewerber inkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 11 S. 1 Nr. 1 StAG unterstützt oder unterstützt hat, muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (vgl. BTDrs. 14/533 S. 18 f.). Andererseits genügen allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, nicht. Erforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, bei der auch die Ausländern zustehenden Grundrechte (etwa Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen sind. Dabei können aber auch legale Betätigungen herangezogen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - <juris>; VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.; Berlit, a.a.O. RdNr. 87 ff.). Mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2012, a.a.O.; VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.).

Gemessen an diesen Maßstäben liegen ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die entsprechenden Bestrebungen der PKK in der Vergangenheit unterstützt hat. Bereits im vorangegangenen Asylverfahren und im Asylwiderrufsverfahren hat sich der Kläger darauf bezogen, in seinem Heimatland Türkei die PKK unterstützt zu haben und nicht etwa darauf, lediglich zu Unrecht der Unterstützung verdächtigt worden zu sein. In den Asylverfahren wurde auch vorgetragen, er habe über einen Rundfunksender am 27.12.2000 eine Großbotschaft an den "Führer aller Führer" Öcalan verbreitet sowie Gratulationen an die Kämpfer und Inhaftierten und einen Aufruf an andere Kurden, nicht zu schweigen. Der Kläger hat sich daher in der Vergangenheit stets solcher Unterstützungshandlungen ausdrücklich berühmt.

Vor diesem Hintergrund sind dann aber auch die Aktivitäten des Klägers im Bundesgebiet zu betrachten. Der Kläger war zunächst Mitglied im Mesopotamischen Kulturverein e.V. in ..., der "... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist"; (VGH Ba.-Wü., Urt. v. 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, <juris>; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urt. v. 08.07.2009 - 13 S 358/09 -, <juris>). Dabei ist davon auszugehen, dass die Angaben des Klägers, dort nur ein Jahr lang Mitglied gewesen zu sein, nicht zutrifft. Nach der Erkenntnis des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 16.05.2012, a.a.O.), bezeichnet die bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 aufgefundene Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004, auf der auch der Kläger im vorliegenden Verfahren verzeichnet ist, die einzelnen Mitglieder mit dem Zeitpunkt ihres Eintritts ("seit dem Jahr 2000"). Da auch die Mitgliedsnummer des Klägers ein entsprechendes Datum aufweist, bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme (vgl. oben), dass der Kläger schon etliche Jahre im Mesopotamischen Kulturverein e.V. Mitglied war. Dies mag zunächst dahinstehen, da auch die Beklagte über ein diesbezügliches aktives Engagement des Klägers im oben dargestellten Sinne insoweit nichts berichtet.

Jedenfalls aber mit der Übernahme eines Vorstandspostens anlässlich der Gründungsversammlung des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins e.V. in ... liegt eine weitere Unterstützungshandlung insoweit vor. Denn der Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein e.V. weist eine solche Übereinstimmung mit dem Mesopotamischen Kulturverein e.V. in ... auf, dass auch insoweit die Annahme gerechtfertigt ist, dieser stelle den örtlichen "PKK-Verein", nunmehr für ... dar.

Nach dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 09.02.2009, der in den Verwaltungsakten der Beklagten enthalten ist (Anl. zu AS 27), ist der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein e. V." in ... ebenfalls Mitglied der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM), welcher wiederum der PKK nahe steht. Bei der YEK-KOM handelt es sich um einen Dachverband, in dem überwiegend PKK-nahe örtliche Kurdenvereine zusammengeschlossen sind. Im Arbeitsprogramm der YEKKOM ist die "logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans" verankert. Die von der YEK-KOM bei ihren Veranstaltungen und Aktionen dargestellten Themen liegen im Interessenbereich der PKK, worunter insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbotes sowie die Freilassung Abdullah Öcalans fallen. Hochrangige YEK-KOM Funktionäre beteiligen sich an PKK-Aktionen und treten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen (vgl. VGH Ba.-Wü., Urt. v. 16.05.2012, a.a.O.; und bereits Urt. v. 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, <juris Rn. 47>). Der "Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein e. V." in ... dient insoweit im Raum ... als Anlaufstelle für Anhänger und Sympathisanten der PKK. In den Vereinsräumlichkeiten finden auch interne Veranstaltungen mit Bezügen zur PKK statt (vgl. die Aufzählung im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz v. 09.02.2009).

Die Übernahme eines Vorstandspostens im Rahmen der Gründungsveranstaltung ist daher im oben dargestellten Sinne ebenfalls als Unterstützungshandlung anzusehen. Als Kassenwart gehört der Kläger dem Vereinsvorstand an und konnte damit kraft seines Amtes auf die inhaltliche Ausrichtung des Vereins Einfluss nehmen. Die Funktion des Kassenwartes weist dem Kläger darüber hinaus eines besondere Vertrauensstellung zu. Der Einzelrichter schließt es aus, dass die klandestin operierende PKK, bzw. ihre örtlichen Unterstützer-Vereine (vgl. oben) gerade finanzielle Angelegenheiten, die für das operative Geschäft der Organisation von tragender Bedeutung sind, einer aus ihrer Sicht unzuverlässigen Person anvertrauen würde. Auch insoweit ist maßgeblich, dass nichts anderes zu gelten hätte, wenn der Kläger das Amt des Kassenwartes nur "pro Forma" geführt hätte, im Hintergrund aber ein anderer Funktionsträger die Finanzen im Interesse der PKK geführt hätte, dessen Wirken aber durch das formale Amt des Klägers im Verborgenen geblieben wäre. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits als Gründungsmitglied die inhaltliche Ausrichtung des Vereins mit beeinflussen konnte. Eine Unterstützungshandlung im oben dargestellten Sinne liegt daher auch insoweit vor.

Aber auch die vorausgesetzte Erkenn- und Zurechenbarkeit (vgl. oben) dieser Unterstützungshandlungen in Bezug auf die inkriminierten Bestrebungen der PKK muss vorliegend bejaht werden. Der Kläger hat sich schon Jahre zuvor im Umfeld der PKK bewegt. Er stand der PKK bereits in der Türkei nahe und trat schon 2000 dem Mesopotamischen Kulturverein in Stuttgart bei. Es können für ihn daher keine Zweifel geherrscht haben, dass nach den konkreten Vorgängen in den Vereinsräumen, den Abläufen von Veranstaltungen, gezeigten Fahnen, vorhandenen Portraits oder gehaltenen Reden, er sich jeweils bei ureigenen PKK-Vereinigungen befunden haben muss. Ein zufälliges "Hineinschlittern" eines politisch Unbedarften ist hier völlig ausgeschlossen. [...]