OVG Mecklenburg-Vorpommern

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Zitieren als:
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 02.11.2011 - 2 M 180/11 - asyl.net: M20212
https://www.asyl.net/rsdb/M20212
Leitsatz:

In den von § 84 Abs. 1 AufenthG nicht erfassten Fällen bleibt es der zuständigen Behörde unbenommen, den Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Sofortvollzug, Rücknahme, Rücknahmebescheid, Suspensiveffekt, aufschiebende Wirkung, Aufenthaltserlaubnis, Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis, Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung,
Normen: AufenthG § 84 Abs. 1, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, AsylVfG § 75, VwVfG M-V § 48 Abs. 1, VwVfG M-V § 48 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Nicht zu folgen ist dem Antragsteller, soweit er meint, dass im Hinblick auf die Rücknahmeentscheidung die Anordnung des Sofortvollzugs schon deshalb unzulässig sei, weil "die Regelung des § 84 Abs. 1 AufenthG als Spezialgesetz abschließenden Charakter hat und insoweit dann auch die Anwendbarkeit des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO verdrängt." Soweit § 84 Abs. 1 AufenthG die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen aufenthaltsrechtliche bzw. asylrechtliche Entscheidungen entfallen lässt, stellt sich die Norm als Regelung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO dar. In diesen Fällen bedarf es also keiner behördlichen Vollzugsanordnung. In den von § 84 Abs. 1 AufenthG nicht erfassten Fällen bleibt es demgegenüber der zuständigen Behörde unbenommen, den Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen (vgl. Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, § 75 AsylVfG, Rn. 7). Dass diese Norm unberührt bleibt, stellt für den Anwendungsbereich von § 75 AsylVfG dessen letzter Satz ausdrücklich klar.

Zumindest im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis keine formellen Fehler im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO aufweist.

Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Senats genügen allerdings formelhafte, allgemein gehaltene Redewendungen nicht dem Begründungserfordernis. Ausnahmsweise kann aber auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug genommen oder es dürfen diese Erwägungen wiederholt werden, wenn sich daraus die besondere Dringlichkeit und die insoweit von der Behörde vorgenommene Interessenabwägung erkennen lässt (vgl. Beschl. des Senats vom 22.05.2008 - 2 M 58/08 -, Rn. 5 m.w.N., zit. nach juris). Dies gilt insbesondere für Ermessensentscheidungen, wenn die Behörde diese unter Berücksichtigung des insgesamt zur Verfügung stehenden Sachverhalts umfassend schriftlich begründet hat.

Diesen Anforderungen genügt die in der Verfügung vom 11.04.2011 gegebene Begründung für die Vollzugsanordnung. Darin wird u.a. auf die Begründung für die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis verwiesen. Diese Begründung beschränkt sich – anders als der Antragsteller in der Beschwerdebegründung wohl meint – nicht auf Angaben, die schon zur Erfüllung des Tatbestandes der für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen gesetzlichen Grundlage des § 48 Abs. 1, 2 VwVfG M-V erforderlich waren. Unter dem ausdrücklich genannten Aspekt der "Abwägung" zwischen dem Interesse des Antragstellers, "weiter in Deutschland zu leben und dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts" führt der Bescheid vom 11.04.2011 zur Begründung der Ermessensentscheidung u.a. an, dass "nach Auskunft aus dem Bundeszentralregister" in Bezug auf den Antragsteller "mehrere Verurteilungen vorwiegend wegen Diebstahl und Urkundenfälschung zu verzeichnen seien" (siehe Seite 4 des angefochtenen Bescheides). Mit diesen Erwägungen geht die Antragsgegnerin auf die besonderen Umstände des Falles ein, die ohne Weiteres auch geeignet sind, das besondere Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Rücknahmeentscheidung zu begründen. Außerdem wird in die Abwägung eingestellt, dass der Antragsteller "zumindest auch die Ausweisungstatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 1 a und 2 AufenthG" erfülle. Auch mit diesen Ausführungen, deren Richtigkeit die Beschwerdebegründung nicht in Zweifel zieht, geht die Antragsgegnerin über das zur Erfüllung des Rücknahmetatbestandes Notwendige hinaus. [...]