1. In § 60 Abs. 5 AufenthG wird auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.November 1950 (EMRK) lediglich insoweit verwiesen, als sich aus ihr Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil andernfalls ein geschütztes Rechtsgut im Bundesgebiet (hier: Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK) verletzt würde, fallen nicht unter § 60 Abs. 5 AuslG; solche inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse sind nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Asylverfahren, sondern von den Ausländerbehörden zu berücksichtigen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322 zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990).
2. Die Frage, ob ein minderjähriger Familienangehöriger eines bleibeberechtigten Ausländers im Falle einer alleinigen Rückkehr ins Heimatland einer extremen allgemeinen Gefahrenlage im Hinblick auf ein fehlendes Existenzminimum ausgesetzt ist, ist allein von der Ausländerbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu prüfen; ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht von vornherein nicht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305).
Amtliche Leitsätze
2. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die minderjährigen Kläger Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK haben. § 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten lediglich insoweit, als sich daraus Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (sog. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Konsequenterweise kann das Bundesamt im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit auch nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zur Feststellung verpflichtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322 zur Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 4 AuslG). Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig. Zu den ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen zählen beispielsweise fehlende Ausweise oder Ersatzpapiere, krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, aber auch ein etwaiges Verbot, durch die Abschiebung eine mit Art. 6 GG nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken (vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - Juris). Der Schutz des Familienlebens im Bundesgebiet nach Art. 8 EMRK begründet deshalb kein Abschiebungsverbot, das im Asylverfahren berücksichtigungsfähig ist. Vielmehr können sich aus der Abschiebung ergebende Folgen für eine tatsächlich bestehende familiäre Beziehung grundsätzlich nur von den Ausländerbehörden durch Zuerkennung eines entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Status berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.06.2007 - 10 B 65.07 - Juris; vgl. auch Hailbronner, AuslR, § 60 AufenthG, RdNr. 146). Deshalb kann - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - der Anspruch der minderjährigen Kläger auf Schutz des Familienlebens im Bundesgebiet nach Art. 8 EMRK, den sie auf die Erkrankung ihrer Mutter und das sich daraus für diese ergebende Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG stützen, nicht im Rahmen des Asylverfahrens mit Erfolg geltend gemacht werden. Etwaige durch Art. 8 EMRK geschützte Bindungen der Kläger im Bundesgebiet sind allein von der Ausländerbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu prüfen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 - 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192).
3. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zugunsten der Kläger liegen nicht vor. Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang sinngemäß darauf, dass sie für den Fall ihrer alleinigen Rückkehr in den Irak ihr Existenzminimum nicht sichern könnten und sie deshalb dort keine Überlebenschance hätten. Die danach geltend gemachte extreme allgemeine Gefahrenlage für die Kläger im Falle einer alleinigen Rückkehr in den Irak kann jedoch ebenfalls keinen Anspruch gegenüber dem Bundesamt - hier nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG - begründen. Denn die Existenzgefährdung der Kläger im Zielstaat ist lediglich weitere (mittelbare) Folge des Eingriffs, gegen den sich die Kläger in erster Linie wenden, nämlich von ihrer Mutter getrennt zu werden. Die vorrangig zu prüfende Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Kläger von ihrer Mutter zulässig ist, ist aber ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse zu entscheiden; diese hat im Rahmen dieser Prüfung die Folgen der Trennung umfassend zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305; Urt. v. 23.05.2000 - 9 C 2.00 - Juris).