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VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 02.11.2012 - 6 K 592/10.A - asyl.net: M20310
https://www.asyl.net/rsdb/M20310
Leitsatz:

Die notwendigen Kosten für die Behandlung eines Diabetes mellitus Typ II liegen in Guinea im Bereich von 170 bis 200 € monatlich. Das Gesundheitswesen ist völlig unzureichend.

Schlagwörter: Diabetes mellitus, insulinpflichtig, insulinpflichtiger Diabetes Typ 2, Insulin, Guinea, medizinische Versorgung, chronische Erkrankung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Hiervon ausgehend ist der Kläger in Guinea wegen seiner Erkrankung extremen Gefahren ausgesetzt.

Wie der Kläger durch Vorlage seines Gesundheitspasses im Folgeantragsverfahren nachgewiesen hat, leidet er seit dem Jahr 2000 an einer insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2. Nach dem ebenfalls vorgelegten Mdikamentenplan der behandelnden Allgemeinärztin Dr. ... vom 07.11.2011 ist der Kläger lebenslang auf Insulin-Injektionen (3 x täglich) angewiesen. Es besteht insoweit folgender Bedarf an Medikamenten: […]

Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen ist es schon schwierig, diese oder wirkungsgleiche Medikamente überhaupt in Guinea zu erhalten (Stellungnahme der Missionsärztlichen Klinik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg an das VG Düsseldorf vom 25.09.2006 und Bericht der Deutschen Botschaft vom 18.01.2006). Danach kann man allenfalls in Conakry Insulin kaufen und auch nur, wenn es z.B. gerade keine Probleme mit der Kühlkette gegeben hat. Auch seien entsprechende Spritzen oder Pens sowie die notwendigen Sticks für Blutzuckermessungen auf dem Markt nur schwer zu besorgen. Außerhalb Conakrys seien die Chancen, in Guinea Medikamente und die genannten Materialien zu erhalten, "katastrophal" (Univ. Würzburg, S. 2).

In jedem Fall erwächst dem Kläger wegen seines Insulinbedarfs aber deshalb eine konkrete erhebliche Gefahr in Guinea, weil er den Umständen nach nicht in der Lage ist, dort Insulin im zum Überleben erforderlichen Umgang käuflich zu erwerben. Dafür fehlen ihm die erforderlichen Mittel und er könnte nicht damit rechnen, dass ihm diese von anderer Seite bereitgestellt werden würden. In Deutschland kostet ein der Medikation des Klägers entsprechender 10-Tagesbedarf an Insulin ca. 80 Euro (vgl. www.medvergleich.de). Nach dem Bericht der Deutschen Botschaft vom 18.01.2006 betrugen die monatlichen Kosten für Insulin in Guinea damals ca. 15 Euro pro 10 ml. Bei einem Bedarf von 90 ml täglich wären das 135 Euro monatlich. Berücksichtigt man die Preissteigerungen seit 2006 und nimmt man Spritzen, Pens, Sticks und die übrigen vom Kläger benötigten Medikamente dazu, dürften sich die anfallenden notwendigen Kosten im Bereich von ca. 170 bis 200 Euro monatlich bewegen. Diese Kosten hätte der Kläger selbst zu tragen, weil es in Guinea keine freie Heilfürsorge gibt (Deutsche Botschaft, 18.01.2006) und auch keine Famlienangehkörigen ersichtlich sind, die sich an den Kosten beteiligen könnten.

Vor dem Hintergrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in Guinea und unter Einbeziehung seiner individuellen Möglichkeiten ist davon auszugeben, dass der Kläger nicht in der Lage sein wird, die durch seine Krankheit verursachten Kosten für Medikamente zu decken.

Guinea ist eines der ärmsten Länder der Welt mit einem völlig unzureichenden Gesundheitswegen (Auswärtiges Amt, Länderinformation Guinea, Stand: März 2003). 54 % der Gesamtbevölkerung lebten in extremer Armut; staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden, so dass allein die Familie für die "normale" guineische Bevölkerung die unabdingbare Basis ihres Überlebens darstellt (vgl. VG Aachen, Urt. v. 03.04.2008, 4 K 1271/06.A; Institut für Afrikakunde, Stn. v. 25.04. und 08.06.2006 an das VG Minden). Große[n] Teile[n] der Bevölkerung fällt es schwer [ist], die wirtschaftliche Existenz zu sichern. So sei es für einen 17-Jährigen ohne seine Familie in Guinea wie in anderen Regionen und Ländern nicht unmöglich, aber auch nicht einfach, seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Der Kläger verfügt über keine berufliche Ausbildung und hat nach seinen Angaben keine Angehörigen in Guinea. Selbst wenn er dort ein durchschnittliches Einkommen erzielen würde, könnte er davon die benötigten Medikamente nicht bezahlen. Das Durchschnittseinkommen liegt in Guinea bei 1.000 US-$ jährlich (http://www.lexas.biz/laenderlexikon/guinea.aspx). Dies genügte nicht, um die notwendigen Kosten von monatlich ca. 170-200 Euro (rund 220- 258 US-$) aufzubringen. [...]