Zur Feststellung der Staatsangehörigkeit von Kindern bei nachträglicher Vaterschaftsanerkennung und zweifelhaften Geburtsurkunden.
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Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Nach § 30 Abs. 2 StAG ist für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und danach nicht wieder verloren gegangen ist.
Danach haben die Kläger einen Anspruch auf die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit. Sie haben nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG in der seit 1999 unverändert geltenden Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Danach erwirbt ein Kind durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn der Vater der Kläger besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat die Vaterschaft für die Kläger nach den deutschen Gesetzen wirksam anerkannt.
Der Vater der Kläger ist bereits am 18. November 1993 in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden und damit deutscher Staatsbürger. Soweit die Beklagte vorträgt, es sei nicht auszuschließen, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren habe, kann dem nicht gefolgt werden. Das OVG NRW hat die Beklagte bereits in seinem Beschluss vom 2. März 2009 (19 E 303/08) darauf hingewiesen, dass einfache Zweifel daran, dass der Vater der Kläger möglicherweise dadurch, dass er auch pakistanischer Staatsangehöriger sein könnte, die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren habe, nicht ausreichen. Die Beklagte habe diejenigen konkreten Umstände mitzuteilen, aus denen sie ableite, dass der Vater der Kläger seine deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 StAG durch Wiedererwerb der pakistanischen Staatsangehörigkeit verloren haben könnte. Allein etwa aus dem Besitz pakistanischer Ausweisdokumente könne die Beklagte einen solchen nachträglichen Verlust voraussichtlich nicht ableiten. Denn es sei in Betracht zu ziehen, dass der Vater der Kläger unabhängig von seiner Einbürgerung am 18. November 1993 pakistanischer Staatsangehöriger geblieben und die gegenteilige Annahme des ehemaligen Regierungspräsidenten E unzutreffend gewesen sei.
Da die Beklagte bisher weder konkrete Umstände für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von Herrn S1 benannt noch ein förmliches Verfahren zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 StAG eingeleitet hat, ist weiterhin von seiner deutschen Staatsangehörigkeit auszugehen.
Darüber hinaus hat Herr S1 am 24. August 2010 beim Jugendamt der Landeshauptstadt E wirksam seine Vaterschaft mit Zustimmungserklärung von Frau S nach §§ 1592, 1595 BGB anerkannt.
Die Urkunde ist auch nicht nach § 1598 BGB unwirksam. Danach sind die Anerkennung, die Zustimmung und der Widerruf nur unwirksam, wenn sie den Erfordernissen der vorstehenden Vorschriften nicht genügen. Die Aufzählung der Unwirksamkeitsgründe in § 1598 BGB ist abschließend. Deshalb führt auch eine bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 73. Auflage 2012, § 1598 Rn. 2; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, § 1598 Rn 18; OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2008 – 5 Bs 196/08 -, juris).
Die Urkunden über die Anerkennung der Vaterschaft der Kläger vom 24. August 2010 sind wirksam, weil sie den förmlichen Anforderungen der §§ 1594 ff. BGB genügen. Die Mutter der Kinder hat nach § 1595 Abs. 1 BGB zugestimmt, und die Anerkennung des Vaters und die Zustimmung der Mutter sind nach § 1597 Abs. 1 BGB öffentlich beurkundet worden. Damit sind die gesetzlichen Vorgaben für die Vaterschaftsanerkennung eingehalten worden.
Soweit die Beklagte vorträgt, diese Urkunden seien nicht wirksam, da nicht feststellbar sei, ob die leibliche Mutter der Kläger zugestimmt habe, greift dieser Einwand nicht durch.
Die Urkunden sind schon deshalb wirksam, weil die Formvorschriften über die Anerkennung der Vaterschaft eingehalten worden sind. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die leibliche Mutter der Kinder zugestimmt hat, sondern nur, ob eine förmliche Zustimmung der Mutter der Kinder vorliegt. Die Reform des Kindschaftsrechts hat die Elternautonomie gestärkt, indem sie das Zustandekommen einer wirksamen Anerkennung allein an formgebundene Erklärungen des Vaters (Anerkennung) und der Mutter (Zustimmung) geknüpft hat (vgl. BT-Drs. 16/3291 (Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft), Seite 1).
Darüber hinaus kann auch nicht aus dem Umstand, dass in den pakistanischen Geburtsurkunden der Kläger die Mutter nicht aufgeführt worden ist, der Schluss gezogen werden, dass Frau S nicht die leibliche Mutter der Kläger ist. Auch hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung keine nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür, dass Frau S nicht die leibliche Mutter der Kläger sein kann, vorgetragen, so dass das Gericht zu einer weiteren Sachaufklärung keinen Anlass hatte.
Insgesamt dienen die Regelungen zur Vaterschaftsanerkennung der Rechtssicherheit. Das Abstammungsrecht entfaltet grundsätzlich Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtsgebieten und bedarf damit eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber wollte bewusst aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes des Zusammenlebens von Familien Außenstehenden nicht die Möglichkeit einräumen, die Abstammung eines Kindes in Frage zu stellen. Das folgt ausdrücklich aus der Begründung des Gesetzentwurfes zur Ergänzung des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft. Dabei hat der Gesetzgeber auch in Anbetracht der Möglichkeit von missbräuchlicher Anerkennung der Vaterschaft betont, dass es in erster Linie um den Schutz der sozio-kulturellen Lebensgemeinschaft gehe (vgl. BT-DRs. 16/3291, Seite 9 ff.).
Ferner hat er die Folgen der Vaterschaftsanerkennung, insbesondere im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht in den Blick genommen und zur Bekämpfung von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ein Anfechtungsrecht öffentlicher Stellen unter eng begrenzten Voraussetzungen geschaffen. Dabei sollte ausdrücklich die Grundentscheidung des Kindschaftsreformgesetzes, die Entstehung sozial-familiärer Beziehungen zu akzeptieren, weiter gewahrt werden (vgl. BT-DRs. 16/3291, Seite 11, III (Lösung)).
Vor diesem Hintergrund ist unabhängig von dem Bestehen möglicher Zweifel, ob Herr S1 und Frau S tatsächlich die leiblichen Eltern der Kläger sind, von der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft für die Kläger auszugehen. Zudem leben die Kläger seit ihrer Einreise mit ihren (rechtlichen) Eltern zusammen, so dass eine schützenswerte sozial-familiäre Beziehung besteht. [...]