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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.01.2013 - 8 LA 226/12 - asyl.net: M20376
https://www.asyl.net/rsdb/M20376
Leitsatz:

Im Falle einer Beistandsgemeinschaft unter volljährigen Familienmitgliedern kommt es für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann.

Schlagwörter: familiäre Beistandsgemeinschaft, schutzwürdige Beistandsgemeinschaft, notwendige Lebenshilfe, Lebenshilfe, psychische Erkrankung, Krankheit, Achtung des Familienlebens, Schutz von Ehe und Familie, volljährige Familienmitgllieder, Sonstige Familienangehörige, Aufenthaltsrecht, Rechtsmissbrauch,
Normen: AufenthG § 36 Abs. 2 S. 1, GG Art. 6 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Das Verwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass die notwendige Lebenshilfe nicht von dem Vater des Klägers geleistet wird. Nach der Zeugenaussage der Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei der Vater weder bereit noch in der Lage, sich (weiter) um seinen Sohn zu kümmern. Wenn die Beklagte hiergegen einwendet, die Aussage der Mutter sei durch nichts belegt, zeigt sie wiederum keine für eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO relevanten Fehler der Tatsachen- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auf. Unabhängig davon - hierauf hat schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen - verkennt die Beklagte auch die sich aus Art. 6 Abs. 1 GG nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Schutzwirkungen im Hinblick auf Beistandsgemeinschaften zwischen volljährigen Familienmitgliedern. Danach fordert Art. 6 Abs. 1 GG eben nicht nur, dass bei entsprechendem Bedarf überhaupt eine familiäre Betreuung ermöglicht wird (so noch Senatsbeschl. v. 6.1.2010 - 8 ME 217/09 -; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.2.2004 - 11 S 1131/03 -, juris, Rn. 8 m.w.N.). Darüber hinaus sind auch die Vorschläge der betroffenen Grundrechtsträger zur aufenthaltsrechtlichen Gestaltung der familiären Bestandsgemeinschaft zu berücksichtigen (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 27.8.2010 - 2 BvR 130/10 -, juris Rn. 44), und zwar grundsätzlich, ohne dass es im Falle einer Beistandsgemeinschaft unter volljährigen Familienmitgliedern für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG darauf ankommt, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2011 - 2 BvR 2625/10 -, juris Rn. 15; v. 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -, NJW 1990, 895, 896; Senatsbeschl. v. 21.2.2012 - 8 ME 39/12 -; v. 26.8.2011 - 8 LA 129/11 -; v. 11.4.2011 - 8 ME 65/11 -; v. 5.4.2011 - 8 LA 322/10 -; v. 16.11.2010 - 8 LA 224/10 -). Ausnahmen können zwar dann geboten sein, wenn eine missbräuchliche aufenthaltsrechtliche Gestaltung von den betroffenen Grundrechtsträgern vorgeschlagen wird, etwa dann, wenn mehrere Personen versuchen, sich durch Aufteilung der Beistandsleistungen ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.8.2010, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine solche missbräuchliche Gestaltung bestehen hier n [...]