In Usbekistan sind homosexuelle Handlungen von Männern mit Strafe bedroht. Dementsprechend ist ein Mann, der glaubhaft schildert, homosexuell zu sein, bei Rückkehr von Verfolgung bedroht und ihm steht Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG zu.
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In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr in Usbekistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen droht. Diese Gefahr geht vom usbekischen Staat aus und besteht landesweit, so dass es keine inländische Fluchtalternative für den Kläger gibt. Diese Überzeugung hat das Gericht aufgrund des vom Kläger im Verhandlungstermin vom 16. August 2012 gewonnenen persönlichen Eindrucks sowie der in das Verfahren eingeführten Gutachten, Auskünfte und sonstigen Dokumente gewonnen.
Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger homosexuell und seine Homosexualität identitätsprägend für ihn im Sinne des Artikel 10 Abs. 1 lit. d) Satz 1 der Qualifikationsrichtlinie ist. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich etwa im Jahre 2000 seiner homosexuellen Identität endgültig bewusst geworden sei und seither nur noch Beziehungen zu Männern pflege. Eine Beziehung zu einer Frau komme für ihn nicht infrage, weil ihm das keinen Spaß bringe und er dazu keine Lust habe. Überzeugend hat er dargestellt, dass er seit 2007 in einer festen homosexuellen Beziehung mit seinem Partner, der ihn auch zur mündlichen Verhandlung begleitet hat, lebt. Anlass, die Glaubwürdigkeit des Klägers in Frage zu stellen, hat das Gericht nicht. Er hat nämlich bei seinen Anhörungen durch das Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung plausibel und im Kern gleichbleibend geschildert, wie er seine homosexuelle Veranlagung entdeckt und sich diese entwickelt hat.
Homosexuelle sind des Weiteren in Usbekistan eine Gruppe mit deutlich abgegrenzter Identität, da sie von der sie umgebenden - überwiegend muslimischen - Mehrheitsgesellschaft als andersartig betrachtet werden. Letzteres zeigt sich schon auch daran, dass homosexuelle Handlungen unter Männern in Usbekistan mit Strafe bedroht sind und es deshalb keine "bekennenden" Homosexuellen in Usbekistan gibt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Juli 2011).
Dem Kläger ist - ungeachtet der Frage, ob ihm dies überhaupt möglich wäre - nicht zuzumuten, das persönlichkeitsprägende Merkmal seiner Homosexualität zu unterdrücken oder zu verheimlichen (vgl. hierzu: Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 19 Rdn. 171; Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 13. November 2007 - 1 A 1824/07 - juris).
Ohnehin ist davon auszugehen, dass die usbekischen Behörden sehr schnell auf die homosexuelle Veranlagung des Klägers aufmerksam würden, weil sie offenkundig ist. Angesichts der Offenkundigkeit seiner Homosexualität droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Usbekistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit politische Verfolgung in Form von Freiheitsentzug. Denn nach wie vor sind homosexuelle Handlungen von Männern in Usbekistan mit Strafe bedroht. § 120 des usbekischen Strafgesetzbuches sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Juli 2011).
Hinzu kommt, dass dem Kläger, so er in Usbekistan in Haft geriete, Folter drohte. Denn nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen ist Folter in Usbekistan weit verbreitet und wird systematisch von Polizei und Sicherheitskräften angewandt, um Häftlinge zu Aussagen zu zwingen, die sie belasten. Die Beamten betrachten Folter als wirksames Mittel, um Verurteilungen und die Einhaltung interner Quoten zu gewährleisten (vgl. Human Rights Watch. Auskunft vom 13. Dezember 2011 sowie Bericht "No one left to witness" vom Dezember 2011, amnesty international. Jahresbericht 2012 vom 24. Mai 2012).
Nach alledem war die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. [...]