Bei der Versorgung mit Basismedikamenten und anderen medizinischen Basisprodukten im Kosovo kann es zu Engpässen kommen. In einem solchen Fall müssen diese privat finanziert werden.
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Der zu erwartenden Gefahr kann nicht mit den im Heimatland zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten begegnet werden.
In den neunziger Jahren wurde der Gesundheitssektor sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Wiederherstellung einer umfassenden medizinischen Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem schreitet nur langsam voran. Die Mittel reichen nur für eine Gesundheitsversorgung auf einfachem Niveau aus. Patienten müssen weiterhin Einschränkungen hinnehmen (veraltete Ausstattung, Wartezeiten, Mangel an Fachärzten) (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 17.06.2012, 508-516.80/3 KOS).
Das öffentliche Gesundheitssystem gliedert sich in drei Ebenen. Die primäre Gesundheitsversorgung wird über die medizinischen Haupt-Familienzentren abgewickelt, die kosovoweit in mehr als 30 Gemeinden zu finden sind, jedoch nur über begrenzte diagnostische Möglichkeiten verfügen. Diesen Hauptzentren sind die medizinischen Familienzentren und Gesundheitsambulanzen nachgeordnet, die meist in den Vororten oder Dörfern ansässig sind und eine Erstversorgung anbieten. Einige dieser Zentren verfügen über keine dauerhaft anwesenden Ärzte. Die sekundäre Gesundheitsversorgung wird von sechs Regionalkrankenhäusern geleistet, die sich in den größeren Städten befinden. Alle Krankenhäuser sind in Betrieb, aber die Kapazitäten der Röntgen- und labormedizinischen Abteilungen sind begrenzt. (IOM, Länderinformationsblatt Kosovo, Juni 2012). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina gewährleistet, die medizinische Dienstleistungen von hoher Komplexität zu hohen Kosten anbietet. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (Auswärtiges Amt a.a.O.).
Ein Krankenversicherungssystem existiert noch nicht. Die Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens werden staatlich finanziert. Für medizinische Leistungen sowie für bestimmte Basismedikamente (verzeichnet in der sogenannten "Essential Drug List") zahlt der Patient Eigenbeteiligungen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben werden. Von der Zuzahlungspflicht befreit sind Invaliden und Empfänger von Sozialhilfeleistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre. Bei der Versorgung mit Basismedikamenten und anderen medizinischen Basisprodukten kann es zu Engpässen kommen. In einem solchen Fall müssen diese dann privat finanziert werden (BAMF, Erkenntnisse, Kosovo, Medizinische Versorgungslage, November 2011; BIRN, Public Health Monitoring Report, Prishtina January 2012, kosovo.birn.eu.comn.
Neben dem öffentlichen Gesundheitssystem gibt es mittlerweile eine große Anzahl von Privatpraxen und einige privat geführte medizinische Behandlungszentren, die eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten anbieten. Alle außerhalb der Basisversorgung im öffentlichen Gesundheitssystem in Anspruch genommenen privatärztlichen Leistungen sind vom Patienten selbst zu bezahlen. Die Kosten sind im Regelfall weitaus höher als die im öffentlichen Gesundheitssystem zu leistenden Zuzahlungen. Im Vergleich mit z.B. in Deutschland erhobenen Kosten sind privatärztliche Behandlungskosten in Kosovo deutlich niedriger (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
Jede Gesundheitseinrichtung, öffentlich oder privat, ist verpflichtet, allen Bürgern ihre Leistungen ohne Diskriminierung zuteilwerden zu lassen (IOM, Länderinformationsblatt Kosovo, Juni 2012). Der Botschaft ist kein einziger Fall bekannt, in dem die medizinische Behandlung eines Patienten wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe abgelehnt wurde (Deutsche Botschaft Pristina, Auskunft vom 27.06.2011 an das VG Freiburg, RK 516.80-E 84.10).
Es stehen der Antragstellerin aufgrund ihrer chronischen Erkrankung alle Medikamente kostenlos zur Verfügung. Da Engpässe nicht ausgeschlossen werden können, ist aber davon auszugehen, dass die Ausländerin zumindest einen Teil der Medikamente privat zahlen muss.
Aufgrund des langen Aufenthaltes (seit dem 05.07.1992) in der Bundesrepublik Deutschland ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sie noch über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt und finanziell unterstützt werden kann (Unterkunft, Lebensmittelversorgung usw.) und damit alle Medikamente erhalten kann. Aufgrund ihres Alters ist auch nicht ersichtlich, wie sie die Kosten für die Medikamente tragen soll.
Im Übrigen ist festzustellen, dass nach den Angaben des behandelnden Arztes eine fortschreitende Niereninsuffizienz besteht und die Dialysepflicht droht, wenn die derzeitige Therapie nicht weitergeführt werde.
Bezüglich der Behandlung einer Niereninsuffizienz stellt sich die medizinische Lage im Kosovo wie folgt dar:
Das jährliche Budget des Gesundheitsministeriums für Hämodialyse beträgt drei Mio. Euro. In sechs Dialysezentren in Pristina, Prizren, Peje, Gjilane, Gjakove und Mitrovica sind derzeit 100 regelmäßig technisch gewartete Dialysegeräte sowie das dafür benötigte Verbrauchsmaterial verfügbar. Die Zahl der dialysepflichtigen Patienten beträgt derzeit (Mai 2012) 730. Die Versorgung erfolgt unabhängig von der Herkunft des Patienten. In Pristina werden in der Universitätsklinik Pristina sowie im Zentrum Kodra e Trimave derzeit 180 Dialysepatienten versorgt.
Da Nierentransplantationen in Kosovo grundsätzlich nicht möglich sind und viele Patienten nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, eine Transplantation im Ausland durchführen zu lassen, reduziert sich die Patientenzahl nicht, sondern steigt jährlich um ca. 10 % an. Die Kapazitäten verknappen sich deshalb immer mehr, so dass die Dialysegeräte im Drei- und Vierschichtbetrieb mit verkürzten Zeiten genutzt werden. Nach ärztlichen Studien, besteht für 12 % aller dialysepflichtigen Patienten in Kosovo ein Infektionsrisiko, an Hepatitis B zu erkranken. für eine Infektion an Hepatitis C besteht dieses Risiko für über 40 % der Patienten. Die für die Behandlung von Hepatitis B und C erforderlichen Medikamente sind in Kosovo nicht erhältlich. Begleitmedikamente, z.B. gegen Herzerkrankungen, Anämie u.ä.. können wegen der knappen Haushaltslage im öffentlichen Gesundheitssystem zumeist nicht zur Verfügung gestellt werden, (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 17.06.2012, 508-516.80/3 KOS).
Aufgrund der Auskunft, dass die Begleitmedikamente zumeist nicht zur Verfügung stehen, und die Antragstellerin aufgrund der drohenden Ansteckungsgefahr auch nicht auf die Möglichkeiten einer Dialysebehandlung im Kosovo verwiesen werden kann, ist festzustellen dass auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nunmehr vorliegen. [...]