Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG an einen ohne erforderliches Visum eingereisten Drittstaatsangehörigen zum Ehegattennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen steht nach erfolglos abgeschlossenem Asylverfahren § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Aus § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG kann kein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG, zu denen auch das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum gehört, entnommen werden (entgegen OVG Hamburg, Beschl. v. 5.11.2012, 2 Bs 28/12, n.v.).
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
2. Denn der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht unabhängig davon § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen.
a) Die Antragstellerin hat am 18. Dezember 2012 die Klage auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zurückgenommen. Deshalb darf ihr gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Etwas anderes gilt gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur im Fall eines Anspruchs der Antragstellerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu ihrem deutschen Ehegatten erfordert neben den in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 AufenthG genannten Voraussetzungen grundsätzlich auch, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gegeben sind (BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, BVerwGE 138, 353). Die Antragstellerin hat angesichts ihrer Einreise ohne das dafür erforderliche Visum wegen der Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG jedoch keinen (strikten) Anspruch auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels, so dass nicht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG von der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzusehen ist. Der Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG muss ein strikter Rechtsanspruch sein, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall "auf null" reduziert ist (BVerwG, Urt. v. 16.12.2008, BVerwGE 132, 382).
b) Ein solcher strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis liegt, auch wenn unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von der Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgesehen werden kann, nicht vor. Angesichts der unerlaubten Einreise der Antragstellerin im April 2010 und ihres inzwischen unanfechtbar abgelehnten Asylantrages kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht gemäß § 39 AufenthV ausnahmeweise im Bundesgebiet eingeholt werden. Selbst wenn die Fachanweisung der Antragsgegnerin Nr. 1/2012 (Abschn. A VI) dahingehend zu verstehen sein sollte, dass ihr Ermessen im Falle eines Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zugunsten der Antragstellerin "auf null" reduziert ist (so OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012, a.a.O.), wäre damit noch kein strikter Rechtsanspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG gegeben.
c) Aus § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG kann kein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG, zu denen auch das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum gehört, entnommen werden (entgegen OVG Hamburg, Beschl. v. 5.11.2012, 2 Bs 28/12, n.v.). Der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG gibt keinen Hinweis darauf, dass mit "Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" eine nur reduzierte Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemeint sein könnte. Auch aus der Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Dr.s 15/420, S. 73) ergibt sich nicht, dass nach Durchführung eines Asylverfahrens von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG abgesehen werden sollte. Gegen eine solche Betrachtung spricht insbesondere die Erwägung, dass mit der Regelung des § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen werden soll, dass Ausländer durch unbegründete Asylbegehren und exzessives Ausnutzen aller Verfahrensmöglichkeiten ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet erhalten können. Eine Besserstellung von ohne Visum eingereisten Asylbewerbern gegenüber denjenigen Ausländern, die ebenfalls unerlaubt eingereist sind und bei denen daher § 5 Abs. 2 AufenthG bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu berücksichtigen ist, kann weder dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 AufenthG noch seinem Regelungszweck entnommen werden (so im Erg. auch OVG Münster, Beschl. v. 30.4.2010, EzAR-NF 28 Nr. 31).
Etwas Anderes kann auch nicht aus der Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EG (ABl. L 251/12 v. 3.10.2003) hergeleitet werden. Mit ihrem Wortlaut ist zweifelsfrei zu vereinbaren, an eine Einreise ohne das hierfür erforderliche Visum die Folge zu knüpfen, einen erst im Aufnahmestaat gestellten Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Die Richtlinie sieht in Art. 5 Abs. 3 vor, dass (Satz 1) der Antrag zu stellen und zu prüfen ist, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich der Zusammenführende aufhält, und dass (Satz 2) abweichend davon ein Mitgliedstaat es gegebenenfalls zulassen kann, dass ein Antrag gestellt wird, wenn sich die Familienangehörigen bereits in seinem Hoheitsgebiet befinden. Diesem Rahmen entsprechen die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG (OVG Hamburg, Beschl. v. 21.9.2011, 3 Bs 42/11 n.v.).
3. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus § 25 Abs. 5 AufenthG. Die voraussichtliche Zeit der Trennung der Antragstellerin von ihrem Ehegatten, die das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Veröffentlichungen der deutschen Botschaft Sarajewo auf zwei bis drei Monate nach Vorlage der notwendigen Unterlagen eingeschätzt hat, hat nicht eine solche Dauer, dass allein deshalb auf der Grundlage des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK von einem rechtlichen Ausreisehindernis ausgegangen werden müsste. Die Ehegatten haben bei Eingehung der Ehe gewusst, dass die Antragstellerin unerlaubt eingereist und sie nach Abschluss des Asylverfahrens nur wegen Passlosigkeit geduldet war. Sie mussten mithin mit einer Trennung zur Nachholung des Visumsverfahrens rechnen. [...] Die Antragstellerin hat auch nicht in Zweifel gezogen, dass sie über deutsche Sprachkenntnisse in dem gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 8 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug zu einem deutschen Ehegatten erforderlichen Umfang (einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechend Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens) verfügt. Allein der Umstand, dass die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung der Antragstellerin psychisch zusetzt, macht die temporäre Trennung von ihrem Ehemann nicht unzumutbar.
Angesichts des Aufenthaltes der Antragstellerin in ihrer Heimat von März 2006 bis April 2010 ist davon auszugehen, dass eine zeitweilige Rückkehr dorthin keinen unzumutbaren Eingriff in ihr Privatleben darstellt. Zwar leben ihr Ehemann, ihre Eltern und Geschwister hier. Die Trennung von ihnen hat aber nur temporären Charakter. Sonstige soziale oder berufliche Bindungen im Inland sind nicht erkennbar. Sie hat keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Ihr Ehemann ist ohne festes Einkommen. Sie hat in der Vergangenheit hier von staatlichen Leistungen gelebt, wenn sie bei zeitweiliger Rückkehr in ihre Heimat auf dortige Sozialleistungen angewiesen sein sollte, ändert das ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht wesentlich. [...]