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Zitieren als:
BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 1/11 R - asyl.net: M20585
https://www.asyl.net/rsdb/M20585
Leitsatz:

Für die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG ist lediglich der formale Aufenthaltsstatus maßgeblich; solange Ausländer keinen anderen Aufenthaltsstatus als einen der in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten besitzen, sind sie nur nach dem AsylbLG leistungsberechtigt. Selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen für einen anderen Aufenthaltsstatus bereits vorliegen, entsteht eine Änderung erst mit Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die nicht in § 1 Abs. 1 AsylbLG erwähnt wird.

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Sachleistungen, Geldleistungen, Barleistungen, Pflege, Pflegeleistungen, Pflegegeld, Sachleistungsprinzip, Sachleistungen,
Normen: AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 4, AsylbLG § 1 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 3, AsylbLG § 3, AsylbLG § 6 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Zutreffend - und vom Kläger in der Revisionsinstanz auch nicht mehr angegriffen - hat das LSG hierzu entschieden, dass § 69a BSHG iVm § 28 BSHG (bis 31.12.2004) bzw. § 64 SGB XII i.V.m. § 19 Abs 3 SGB XII (ab 1.1.2005) als Rechtsgrundlage für die begehrten Leistungen ausscheiden. Die im Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereisten Eltern des Klägers gehörten im streitbefangenen Zeitraum dem Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG an. Sie hielten sich als Ausländer tatsächlich im Bundesgebiet auf und waren in diesem Zeitraum im Besitz von Duldungen und damit nach § 9 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 120 Abs. 2 BSHG bzw. § 23 Abs 2 SGB XII von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen. Für die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG ist lediglich der formale Aufenthaltsstatus maßgeblich; solange Ausländer also keinen anderen Aufenthaltsstatus als einen der in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten besitzen, sind sie nur nach dem AsylbLG leistungsberechtigt (BVerwG, Beschluss vom 28.9.2001 - 5 B 94/00 -, juris RdNr 5; Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 1 AsylbLG RdNr 59; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 1 AsylbLG RdNr 2). Der Aufenthaltsstatus der Eltern des Klägers hat erst mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Änderung erfahren, selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür bereits zuvor vorgelegen haben mögen. Leistungen nach § 2 AsylbLG (in der bis 27.8.2007 geltenden Fassung) i.V.m. dem BSHG bzw. dem SGB XII scheiden ebenfalls aus. Der Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG scheitert bereits an der erforderlichen Vorbezugszeit von (im streitbefangenen Zeitraum) 36 Monaten mit (Grund-)Leistungen nach § 3 AsylbLG; die verstorbenen Eltern des Klägers befanden sich nicht einmal die entsprechende Zeit in der Bundesrepublik Deutschland, sodass auf die verfassungsrechtliche Problematik der Vorbezugszeit nicht einzugehen ist.

Schließlich ergeben sich auch keine Ansprüche aus § 6 Abs. 1 AsylbLG. Nach dessen Satz 1 können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind; solche Leistungen sind auch Pflegesachleistungen (BVerwG, Beschluss vom 20.7.2001 - 5 B 50/01; Birk in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 6 AsylbLG RdNr 4; Hohm in Gemeinschaftskommentar AsylbLG, § 6 RdNr 162, Stand November 2011; Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 6 AsylbLG RdNr 69). Abweichend von der Systematik des § 69a BSHG und des § 64 SGB XII sieht das AsylbLG jedoch kein pauschaliertes Pflegegeld vor; ein pauschaliertes Pflegegeld wäre - ausgehend vom Sachleistungsprinzip des AsylbLG und speziell des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG - auch systemfremd. § 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG formuliert deshalb folgerichtig, dass Leistungen als Sachleistungen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren sind. Damit tritt die Geldleistung lediglich an die Stelle der eigentlich zu erbringenden Sachleistung. Daraus folgt zwingend, dass ein Anspruch auf Geldleistungen nur bestehen kann, wenn der Leistungsberechtigte tatsächlich Aufwendungen hat, und dass Geldleistungen nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind. Aufwendungen wegen der Pflege setzen andererseits eine - wie auch immer geartete - finanzielle Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus.

Gerade dies ist nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), die nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen sind, nicht der Fall. Das LSG ist nach Vernehmung der Ehefrau des Klägers zur Überzeugung gelangt, dass diese die notwendigen Pflegeleistungen, soweit sie nicht für 2 bis 3 Tage ohnedies auf Kosten der Beklagten von einem Pflegedienst vorgenommen worden waren, unentgeltlich und ausschließlich aus familiären Gründen erbracht hat. Mit seinem im Revisionsverfahren wiederholten Vortrag, er und seine Ehefrau hätten nach Begutachtung durch den ärztlichen Dienst der Beklagten mit einer Zahlung von Pflegegeld gerechnet und seine Ehefrau habe nur vor dem Hintergrund dieser Vorstellung die Pflege erbracht, greift er zwar die Beweiswürdigung des LSG an; ein Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung hat er aber mit seinem Vortrag, der allein darauf abzielt, das LSG hätte zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, nicht dargelegt. Sind die verstorbenen Eltern des Klägers damit keine Verpflichtung gegenüber Dritten zur Abwendung ihrer Hilfebedürftigkeit eingegangen, die ggf. ersatzweise einen Geldanspruch gegenüber der Beklagten auslösen könnte, kommt von vornherein ein Geldanspruch anstelle des vorrangigen Pflegesachleistungsanspruchs nicht in Betracht (BVerwG, Beschluss vom 20.7.2001 - 5 B 50/01). [...]