Eine Person, die verdächtigt wird, mit Islamisten zu sympathisieren, hat in Tadschikistan Verfolgung zu befürchten. Dabei können auch karitative Aktivitäten als Mittel zur Durchsetzung anderer, gegen das Regime gerichteter Ziele gewertet werden.
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Das Gericht hat in Würdigung der - in den wesentlichen Punkten - gleichbleibenden und kohärenten Schilderungen des Klägers zu den Vorfällen im Dezember 2009, im Februar 2010 und im Juli 2010 und deren Folgen sowie aufgrund der dem Gericht zugänglichen und in das Verfahren eingeführten Presseberichte und Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen zu der Strategie der Sicherheitskräfte in der tadschikischen Republik, vermeintliche oder tatsächliche Regimegegner aufzuspüren, keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger wegen seiner Aktivitäten innerhalb des ca. zehnköpfigen Moschee-Komitees für einen Sympathisanten der fundamental-islamischen Kräfte gehalten worden ist, die die Umwandlung der Republik Tadschikistan in einen islamischen Gottesstaat anstreben, und dass er deshalb in menschenverachtender Weise gequält, schwer verletzt und wiederholt massiv bedroht worden ist. Die vom Kläger beschriebene ausschließlich mildtätige Zielsetzung des ca. zehnköpfigen Moschee-Komitees kann ohne weiteres für wahr gehalten werden. Dieses Selbstverständnis des Klägers und seiner Freunde, lediglich Bedürftigen zu helfen, schließt jedoch mit Blick auf die enormen Einkommensunterschiede in Tadschikistan und die prekären Lebensbedingungen weiter Bevölkerungskreise nicht die Annahme aus (so aber die Begründung des Bescheides vom 2. Februar 2011, S. 7, vorletzter Absatz), dass die tadschikischen Sicherheitskräfte diese mildtätigen Aktivitäten der Gruppe als Mittel zur Durchsetzung ganz anderer - letztlich für das Regime gefährlicher - politischer Ziele gewertet haben.
Für die erlittene Ausgrenzung des Klägers aus der staatlichen Friedensordnung und für den daraufhin gefassten Ausreiseentschluss ist ferner nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob und in welchem Maße der Vorwurf der tadschikischen Sicherheitskräfte, der Kläger gehöre der terroristischen Gruppe "Hizb-Ut-Tahir" an oder sympathisiere jedenfalls mit ihr, fundiert war. Denn zu der Frage, ob die Drohungen, die Sistierungen und die Freilassung gegen Lösegeld nichts weiter gewesen sein könnte, als eine unstatthafte, wenngleich nicht unübliche Geldbeschaffungsmaßnahme, konnte sich der Kläger keine verlässliche Überzeugung verschaffen. Immerhin hat der Kläger nach glaubhaften eigenen Angaben vor Gericht die wiederholt gegen ihn eingesetzten menschenverachtenden Methoden der Polizei zur Anzeige gebracht, auf diese Weise versucht, sich gegen die erlittene staatliche Willkür zu wehren, hingegen statt Abhilfe nur weitere Behelligungen und Übergriffe bewirkt. Deshalb durfte er sich allein aufgrund der erneuten Drohungen der Sicherheitskräfte nach dem dritten massiven Übergriff im Juli 2010 vor weiteren Behelligungen nicht hinreichend sicher fühlen und zur Flucht entschließen. Dass dem Kläger und seiner Familie Pässe ausgestellt wurden und dass sie die Republik Tadschikistan über den Flughafen Duschanbe unbehelligt verlassen konnten, ist weder Anlass noch tragfähiges Indiz dafür, das im Asylverfahren geschilderte Geschehen für unwahr zu halten. [...]