Der Wohnsitzauflage zur Aufenthaltserlaubnis eines Sozialhilfe beziehenden Ausländers, bei dem nach nationalem Recht ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (AufenthG 2004) festgestellt worden ist, stehen die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG Qualifikationsrichtlinie - (EGRL 83/2004) nicht entgegen.
(Amtlicher Leitsatz)
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2.1 Die Beklagte hat die Ablehnung der Aufhebung der Wohnsitzauflage in der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung abgelehnt, dass er Sozialleistungen nach SGB II bezieht und dass damit entsprechend der Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. Juli 2005 eine Streichung nicht möglich sei. Nach dieser Weisung sind bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des AufenthG Wohnsitz beschränkende Auflagen gemäß § 12 Abs. 2 AufenthG zu erteilen und aufrecht zu erhalten, soweit und solange Leistungen nach dem SGB II, SGB XII oder AsylbLG gewährt werden. Eine Streichung oder Änderung der Wohnsitz beschränkenden Auflage zur Ermöglichung eines den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde überschreitenden Wohnortwechsels bedarf der vorherigen Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Gleiches sieht Ziff. 12.2.5.2.2. und 12.2.5.2.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVwV) zum AufenthG) vor.
Diese Ermessenslenkung dient ersichtlich dem Zweck, Wohnsitzwechsel zu verhindern, die den Finanz- und Verwaltungsaufwand vor allem der Sozialleistungsträger erhöhen und durch keine schutzwürdigen Gründe motiviert sind (vgl. BayVGH vom 19.2.2010 - 19 C 09.2789 <juris>). Die damit erstrebte gleichmäßige Verteilung der Sozialhilfelasten zwischen den Kommunen und Ländern ist ein grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstandender Zweck (vgl. OVG Lüneburg vom 23.10..2002 - 7 PA 60/02 221/07 <juris>). Dem liegt auch ein aufenthaltsrechtlich erhebliches Interesse zugrunde, was sich bereits daraus ergibt, dass in der Regel die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Sicherung des Lebensunterhaltes voraussetzt (vgl. hierzu auch BVerwG vom 19.3.1996 - 1 C 34/93 <juris>).
2.2 Der in den Grenzen des § 114 VwGO zu prüfenden Rechtmäßigkeit der Auflage kann nicht entgegengehalten werden, dass ihr vorrangige gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen entgegenstehen.
a) Insbesondere kann den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum subsidiären Schutzstatus des Klägers - wie auch der Kläger selbst einräumt - nicht gefolgt werden. Der Kläger ist nicht subsidiär Schutzberechtigter im Sinne der Qualifikationsrichtlinie.
Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die verfügte Auflage den Anforderungen an eine zulässige Beschränkung der Freizügigkeit nach Art. 32 der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) nicht genüge, da sie nach den maßgeblichen Ermessenserwägungen der Beklagten ausschließlich zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten verfügt worden und deshalb nicht mit Art. 28 QRL vereinbar sei. Beschränkungen der Freizügigkeit nach Art. 32 QRL hätten nämlich zum einen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatsangehörigen zu beachten und seien ferner und wenn sie, wie vorliegend, an die Inanspruchnahme von Sozialhilfe anknüpften, auch an Art. 28 Abs. 1 QRL zu messen.
Zwar ist die Annahme des Verwaltungsgerichts zutreffend, dass auch subsidiär Schutzberechtigte im Sinne der sog. Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich freizügigkeitsberechtigt sind. Nach Art. 32 QRL ist die Bewegungsfreiheit von Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, unter den gleichen Einschränkungen gewährleistet, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates aufhalten. Gemäß Art. 28 QRL ist die notwendige Sozialhilfe wie für Staatsangehörige des Mitgliedstaates zu gewähren. Die Regelungen entsprechen damit im Wesentlichen den Regelungen des Art. 23 und 26 GFK, nach denen die Freizügigkeit von Flüchtlingen nicht aus Gründen des Sozialhilfebezuges eingeschränkt werden darf (vgl. BVerwG vom 15.1.2008 - 1 C 17/07 a.a.O).
Der Kläger ist jedoch kein subsidiär Schutzberechtigter im Sinn des Art. 18 QRL. Voraussetzung hierfür ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welches insoweit bindend entscheidet (§ 42 Satz 1 AsylVfG), in seinem Fall einen ernsthaften Schaden im Sinn des Art. 15 QRL festgestellt hätte. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 2007 stellt lediglich fest, dass für den Kläger ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, weil die Gefahr einer Verschlimmerung seiner Erkrankungen im Fall einer zwangsweisen Rückkehr nicht vernachlässigt werden kann.
Diese Feststellung betrifft ein ausländerrechtliches Abschiebungsverbot nach nationalem Recht, das keine Entsprechung in der QRL findet (Hailbronner, AuslR, § 60 RNrn. 8 ff.). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Qualifikationsrichtlinie gerade nicht durch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern durch § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt worden (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 - 10 C 43/07 <juris>). Damit korrespondiert auch der Wortlaut des § 60 Abs. 11 AufenthG, wonach nur für die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG normierten Abschiebungsverbote die unmittelbare Geltung einzelner Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie angeordnet wird. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in der zitierten Entscheidung darauf verwiesen, dass die in § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG genannten Abschiebungsverbote lediglich auf nationalem Recht beruhen.
b) Der Kläger, bei dem ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht festgestellt worden ist, ist auch nicht einem subsidiär Schutzberechtigten gleichzustellen. Insbesondere ist die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht einer solchen Aufenthaltserlaubnis gleichzustellen, die wegen der Feststellung eines Abschiebungsverbotes erteilt wurde, das den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie genügt. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt dies nicht aus einer aufenthaltsrechtlichen Gleichstellung mit subsidiär Schutzberechtigten nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
Die Qualifikationsrichtlinie selbst gebietet es nicht, den Kläger in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen. Wie ausgeführt, ist die Qualifikationsrichtlinie nicht durch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern durch § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt worden. Demgemäß beruhen die Abschiebungsverbote auf den Entscheidungen verschiedener Normgeber (vgl. VG Oldenburg vom 7.9.2009 - 11 A 1337/08 <juris>). Auch das Bundesverwaltungsgericht (vom 24.6.2008 - 10 C 43/08 <juris> RNr. 13) hat ausdrücklich hervorgehoben, dass Personen mit subsidiärem Schutzstatus im Rahmen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG weitergehende Rechte haben als solche, denen nur ein nationales Abschiebungsverbot zur Seite steht.
Es bleibt zwar dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, im nationalen Recht eine Gleichstellung mit dem Schutz der Qualifikationsrichtlinie (vgl. Art. 3 der Richtlinie) vorzusehen und damit einen weiteren Personenkreis in die nach der Qualifikationsrechtlinie gewährte Rechtsstellung einzubeziehen. Sieht das nationale Recht eine solche Einbeziehung vor, gebietet es die Einheitlichkeit der nationalen Rechtsordnung und der nationalen Rechtsanwendung, dass die Ausstrahlungswirkung der Qualifikationsrichtlinie sich auch auf diesen Personenkreis erstreckt.
Eine derartige Gleichstellung durch die aufenthaltsrechtliche Regelung in § 25 Abs. 3 AufenthG, die unter anderem auch der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie dient (vgl. hierzu Ziff. 25.3.1 der AVwV zum AufenthG), mit Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten mit einer erkennbaren Absicht, dass die Qualifikationsrichtlinie kraft nationalen Rechts auf sie erstreckt werden soll, ist nicht ersichtlich (so aber VG Würzburg vom 3.3.2008 - W 7 K 07.683 <juris>). Der nationale Gesetzgeber hat es vielmehr bei der Unterscheidung zwischen den europarechtlichen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG) und den nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG belassen.
Der Kläger kann sich daher weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung auf die Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie berufen (so auch VGH BW vom 22.7.2009 - 11 S 1622/07 <juris>; VG Oldenburg vom 7.9.2009 - 11 A 1337/08 <juris>).
Dies steht auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Januar 2008 (a.a.O.), auf die das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung Bezug nimmt. Streitgegenständlich war dort die Wohnsitzauflage gegenüber einem anerkannten Flüchtling, der in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG war. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, dass Wohnsitzauflagen gegenüber anerkannten Flüchtlingen nicht allein zum Zweck der Verteilung der Soziallasten erfolgen dürfen, sondern auch migrations- und integrationspolitischen Interessen dienen müssen, sind auf den streitgegenständlichen Fall nicht unmittelbar übertragbar, da der Kläger unstreitig kein Flüchtling ist.
Auch auf die (vom VG bejahte) Frage, ob das Verbot freizügigkeitsbeschränkter Maßnahmen mit ausschließlich fiskalischer Zielsetzung auch gegenüber subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von Art. 18 QRL gilt, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da der Kläger, wie ausgeführt, weder subsidiär schutzberechtigt ist noch einem subsidiär Schutzberechtigten gleichgestellt ist. [...]