Für die Kosten einer Abschiebung oder Zurückschiebung haftet, wer eine nach § 96 AufenthG strafbare Handlung begeht.
Die Anwendung von § 153a Abs. 2 StPO begründet keine "Schuldvermutung". Vielmehr bleibt es dabei, dass Tat und Schuld dem Betroffenen weiter (positiv) nachgewiesen werden müssen.
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers für die Kosten der Zurückschiebung ist § 66 Abs. 4 Satz 2 AufenthG a.F. (jetzt: § 66 Abs. 4 Nr. 4 AufentG i.d.F. vom 22. November 2011). Danach haftet für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung, wer eine nach § 96 AufenthG strafbare Handlung begeht. Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 Satz 2 AufenthG a.F. liegen hier nicht vor. Es fehlt an einer nach § 96 AufenthG strafbaren Handlung des Klägers. § 96 AufenthG stellt das Einschleusen von Ausländern unter Strafe. Darunter versteht das Gesetz das Anstiften oder Hilfeleisten zu bestimmten Handlungen eines Ausländers nach § 95 AufenthG (vgl. § 96 Abs. 1 AufenthG). Dabei bedeuten Anstiften und Hilfeleisten im Sinne des § 96 AufenthG das Gleiche wie Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB; vgl. Wingerter, in: Hofmann/ Hoffmann, Ausländerrecht. Handkommentar, 2008, § 66 Rn. 4). Damit erfordert § 96 AufenthG nach den allgemeinen Lehren des Strafrechts Vorsatz bezüglich der Haupttat und der Teilnahme (sog. Doppelvorsatz); ein fahrlässiges Handeln ist nicht strafbar (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 60. Auflage 2013, § 26 Rn. 7, § 27 Rn. 20 u. 22). Ein solches vorsätzliches Handeln lässt sich im Fall des Klägers nicht feststellen. Der Kläger hat bereits in der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2010 vor dem Amtsgericht Meißen die schuldhafte Begehung einer Straftat gemäß § 96 AufenthG bestritten, wie das Gericht dem Protokoll der Verhandlung entnommen hat. Die daraufhin erfolgte Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO - zunächst vorläufig, sodann endgültig - lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob der Kläger die ihm vorgeworfene Straftat tatsächlich begangen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu wie folgt ausgeführt (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 59/06 -, Rn. 27; zit. nach juris):
"Die Einstellung des Strafverfahrens (…) nach § 153a Abs. 2 StPO stellt zwar keinen Freispruch mangels Beweises dar, sondern dient der vereinfachten Verfahrenserledigung bei Vergehen (Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - BVerwG 1 WB 113.96 - und vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 8.06 - NZWehrr 2006, 246). Andererseits ist die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO aber nicht widerlegt. Mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Diese Einstellungsentscheidung setzt keinen Nachweis der Tat voraus. Insoweit besteht die Unschuldsvermutung fort, die sich als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt, die kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 - NJW 1991, 1530 = MDR 1991, 891; Beschluss vom 14. Juni 2006 a.a.O.)."
Entgegen der Annahme der Beklagten begründet die Anwendung von § 153a Abs. 2 StPO also keine "Schuldvermutung" (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 22. August 2011 - OVG 2 B 318/11 -, Ls. u. Rn. 24; zit. nach juris). Vielmehr bleibt es dabei, dass Tat und Schuld dem Betroffenen weiter (positiv) nachgewiesen werden müssen. Bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 - BVerfG 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530 ; s. ferner z.B. auch VG Berlin, Urteil vom 28. August 2012 - VG 80 K 9.12 OL -, Rn. 62; zit. nach juris).
Daran ändert auch die Zustimmung des Betroffenen zur Verfahrenseinstellung gemäß § 153a Abs. 2 StPO nichts. Ein Schuldeingeständnis ist darin nicht zu sehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991, a.a.O.; VG Hannover, Urteil vom 31. Mai 2010 - VG 6 A 1066/09 -, Rn. 75; zit. nach juris).
Vorliegend hat der Kläger den Tatvorwurf auch im hiesigen Verfahren mit eingehender und nicht von vornherein unplausibler Begründung weiter bestritten. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen seinem Vorbringen vorsätzlich gehandelt hat, fehlen jedoch. Insbesondere erlauben es die im Strafverfahren gegen den Kläger gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel auch bei einer eigenständigen Überprüfung durch das Gericht nicht, eine fundierte Aussage darüber zu treffen, dass der nach § 96 AufenthG erforderliche (Doppel-) Vorsatz bei dem Kläger tatsächlich vorhanden war. Darüber lassen sich letztlich nur Spekulationen anstellen, die dem Erfordernis eines gesetzlichen Nachweises der Schuld nicht genügen.
Ebenso wenig lässt sich insoweit etwas daraus ableiten, dass der Kläger bereits 2004 und 2005 Straftaten nach § 96 AufenthG bzw. der Vorgängerregelung in § 92a AuslG verdächtigt worden war. Dies schon deshalb nicht, weil auch in diesen Verfahren eine Schuld des Klägers gerade nicht festgestellt werden konnte. In dem einen Fall stellte die zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) das Ermittlungsverfahren am 28. August 2005 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein (225 Js 23397/04). In dem anderen Fall sprach das Landgericht Görlitz den Kläger mit Urteil vom 22. März 2007 vom Tatvorwurf frei (5a Ns 520 Js 18382/05). Davon abgesehen begründet selbst eine nachgewiesene frühere Straftat nicht die Vermutung, dass der Betroffene auch die ihm nunmehr vorgeworfene Tat begangen hat.
Schließlich hat eine Anfrage des Gerichts bei der Staatsanwaltschaft Dresden ergeben, dass strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Frau B. und Frau V. dort nicht bekannt sind. Auch insoweit lassen sich für das hiesige Verfahren somit keine weitergehenden Erkenntnisse gewinnen.
Der Beklagten verbleibt die Möglichkeit, gemäß § 66 Abs. 4 Nr. 5 AufenthG die von dem Kläger vermeintlich eingeschleusten Personen in Anspruch zu nehmen. Um eine solches Ergebnis in zukünftigen Fällen gegebenenfalls zu vermeiden, könnte es möglicherweise auch darauf ankommen, bei den Strafverfolgungsbehörden das Bewusstsein dafür zu stärken, dass an einer verbindlichen Klärung der Schuldfrage (mit den Mitteln des Strafverfahrensrechts) jedenfalls aus Gründen der Kostenhaftung nach § 66 Abs. 4 AufenthG ein öffentliches Interesse bestehen kann. [...]