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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.06.2013 - 11 S 208/13 (= ASYLMAGAZIN 7-8/2013, S. 257 ff.) - asyl.net: M20907
https://www.asyl.net/rsdb/M20907
Leitsatz:

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgebend.

2. Ob die Ausländerbehörde nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet, steht in ihrem Ermessen.

3. Nach § 104 Abs. 2 AufenthG benötigen Ausländer, die bereits vor dem 01.01.2005 einen legalen Aufenthaltsstatus hatten, selbst für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nur einfache mündliche Deutschkenntnisse und keinen Besuch eines Orientierungskurses. Diese gesetzgeberische Wertung zu den gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 7 und 8 AufenthG geminderten Integrationsanforderungen ist auch im Rahmen des § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufentG in "Altfällen" zu beachten.

4. Eine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs ist i. S. d. § 44a Abs. 2 Nr. 3 AufenthG auf Dauer unzumutbar, wenn sie unverhältnismäßig ist.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Integrationskurs, besondere Integrationsbedürftigkeit, Integrationsbedarf, Integrationsbedürftigkeit, Verhältnismäßigkeit, maßgebliche Sach- und Rechtslage, Beurteilungszeitpunkt, Zumutbarkeit, Sprachkenntnisse, Orientierungskurs, Deutschkenntnisse,
Normen: AufenthG § 44a, AufenthG § 104 Abs. 2, IntV § 4 Abs. 3, VwGO § 114 S. 2,
Auszüge:

[...]

I. Die auf § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gestützte Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme an einem Integrationskurs mit Alphabetisierung (siehe nachfolgend 1.) ist in dem für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebenden Zeitpunkt (2.) bereits deshalb fehlerhaft, weil die Ausländerbehörde das ihr durch die Norm eingeräumte Entschließungsermessen verkannt hat (3.). Des weiteren ist die Verfügung unter Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 26.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.10.2011 auch deshalb rechtswidrig, weil - mit Blick auf die hier zu berücksichtigende "Altfallregelung" des § 104 Abs. 2 AufenthG - nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin in besonderer Weise integrationsbedürftig ist (4.). Im Übrigen ist jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls der Klägerin die Teilnahme am Integrationskurs nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 AufenthG unzumutbar (5.). Die Verfügungen in den Ziffern 2. bis 4. des Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 26.01.2011 sind ebenfalls rechtswidrig (6.).

1. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Verpflichtung der Klägerin zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs mit Alphabetisierung und zur Teilnahme am Abschlusstest - und zwar sowohl am Sprachtest als auch am Test zum Orientierungskurs - durch Verwaltungsakt. Dass die Klägerin zum Besuch eines Integrationskurses in der speziellen Form des Alphabetisierungskurses verpflichtet worden ist, ergibt sich ausdrücklich aus den Gründen des nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO maßgebenden Widerspruchsbescheids. Dies lässt sich aber auch schon aus Begründung des Ausgangsbescheids schließen. In dieser ist - unter Bezugnahme auf das Sprachniveau B 1 - ausgeführt, dass die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration ist. Da die Klägerin Analphabetin ist, setzt der Erwerb schriftlicher Deutschkenntnisse zwingend ihre Alphabetisierung voraus. [...]

Wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf die insoweit missverständlichen Ausführungen in der Begründung des Widerspruchsbescheids, wonach es von enormer Wichtigkeit sei, dass zumindest einfache deutsche mündliche Sprachkenntnisse erlernt werden, nochmals klargestellt hat, ist die Klägerin mit der angefochtenen Verfügung - wie aus dem Tenor ersichtlich - zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet worden, der auf den Erwerb der Sprachkompetenzen gemäß B 1 GER gerichtet ist. Da dies aufgrund des Bildungsstandes der Klägerin ihre Alphabetisierung voraussetzt, ist in ihrem Fall ein zeitlicher Umfang des Integrationskurses von 1.260 Stunden zugrunde zu legen. [...]

b. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG knüpft daran an, dass der Ausländer in besonderer Weise integrationsbedürftig ist. Allein die Tatsache, dass er besonders integrationsbedürftig ist, erzeugt jedoch nach dem Gesetz noch keine unmittelbaren Folgen. Es bedarf hierfür vielmehr einer Akutalisierung und Konkretisierung durch die Ausländerbehörde. Eine individuelle Handlungspflicht des Ausländers, an einem Integrationskurs teilzunehmen, entsteht erst dann, wenn die Ausländerbehörde ihn hierzu auffordert. Insoweit ist - wie sich auch aus dem Wortlaut ("und") ergibt - die Aufforderung für die Entstehung der Teilnahmeverpflichtung konstitutiv (ebenso Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 44a Rn. 8). Diese Aufforderung ist daher nicht nur die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Verwaltungsakts, sondern sie eröffnet nach Wortlaut und Intention des Gesetzes der Ausländerbehörde auch den Handlungsspielraum, ob sie die bei einer besonderen Integrationsbedürftigkeit vorgesehene Rechtsfolge, nämlich den Ausländer zur Teilnahme am Integrationskurs zu verpflichten, ergreifen will oder nicht (siehe allg. zum Entschließungsermessen auch Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 73; Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., § 40 Rn. 8).

Schon nach dem Wortsinn wohnt der "Aufforderung" ein voluntatives bzw. fakultatives Element inne. Für die Überlegung, dass der Ausländerbehörde ein Entscheidungsspielraum eingeräumt ist, spricht ferner der Vergleich mit § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Danach reicht der Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht aus, um eine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs zu begründen. Zu dieser kommt es vielmehr erst dann, wenn Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für Familienangehörige, § 7 SGB II) bezogen werden und der Integrationskurs Teil der Eingliederungsvereinbarung ist. Nach § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. "Soll" bedeutet, dass im Regelfall die Vereinbarung abzuschließen ist (Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl. 2008, § 15 Rn. 15), was aber die Prüfung eröffnet, ob ausnahmsweise hiervon abgesehen wird.

Dass die Ausländerbehörde nicht gehalten ist, unterschiedslos jeden besonders integrationsbedürftigen Ausländer zur Teilnahme am Integrationskurs zu verpflichten, legt auch die Entstehungsgeschichte nahe. Die jetzige Fassung des § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG beruht auf dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl I 1970) - 1. Richtlinienumsetzungsgesetz. Die Vorgängervorschrift, nämlich § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AufenthG i.d.F. des Zuwanderungsgesetzes vom 01.01.2005, war ein Produkt des Vermittlungsverfahren (vgl. BT-Drs. 15/3479, S. 7) zu den im Gesetzgebungsverfahren umstrittenen Regelungen zum Integrationskurs (vgl. etwa auch BT-Drs. 15/955 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, S. 19 ff.), die in vergleichbarer Form im Gesetzesentwurf nicht enthalten war (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 19, 88). Nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AufenthG a. F. war ein Ausländer zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet, wenn die Ausländerbehörde ihn im Rahmen verfügbarer und zumutbar erreichbarer Kursplätze zur Teilnahme am Integrationskurs auffordert und er in besonderer Weise integrationsbedürftig ist. Aus der Formulierung "im Rahmen verfügbarer und zumutbar erreichbarer Kursplätze" wird deutlich, dass der Gesetzgeber einen Spielraum eröffnen wollte, innerhalb dessen geprüft und entschieden werden konnte, ob ein bestimmter Ausländer verpflichtet wird, am Integrationskurs teilzunehmen oder nicht. Dieser Spielraum umfasste ebenfalls, unter mehreren integrationsbedürftigen Ausländern eine Auswahl zu treffen, wer und ggfs. zu welchem Zeitpunkt zur Teilnahme verpflichtet wird. Auch das Bundesministerium des Innern geht in seinem Bericht "Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz", Dezember 2006, S. 67 explizit von einem Ermessen der Ausländerbehörde bei § 44a Abs. 1 Nr. 2b) AufenthG a.F. aus. In der jetzigen Fassung des § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist die Formulierung "im Rahmen verfügbarer und zumutbar erreichbarer Kursplätze" nicht mehr enthalten, was wohl allein mit dem deutlichen Ausbau des Kursangebots zusammen hängt (siehe zu dieser Entwicklung 9. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Juni 2012, Abschn. Integrationskurse, S. 63 ff.). Eine inhaltliche Änderung der "Aufforderung" ist damit aber nicht verbunden. Die Gesetzesbegründung, die als Ziel der Neuregelungen in § 44a Abs. 1 AufenthG die Harmonisierung der aufenthalts- und sozialrechtlichen Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs nennt (BT-Drs. 16/5065, S. 178), gibt keinen Anlass für eine andere Deutung. Für die Auffassung, dass § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ein Entschließungsermessen immanent ist, spricht schließlich ein verwaltungspraktisches Bedürfnis. Wäre § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG als eine zwingende Handlungspflicht der Ausländerbehörde ausgestaltet, so müsste sie quasi von Amts wegen besonders integrationsbedürftige Ausländer ermitteln, um sich nicht dem Vorwurf des objektiv rechtswidrigen Handelns aussetzen zu wollen. Eine flächendeckende Prüfung und Ermittlung kann aber von der Ausländerbehörde nicht geleistet werden, was auch der Gesetzgeber mit der Regelung des § 87 Abs. 2 Satz 2 AufenthG anerkennt. Danach sollen öffentliche Stellen unverzüglich die zuständigen Ausländerbehörden unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung. Hinzukommt, dass die Feststellung der besonderen Integrationsbedürftigkeit im Einzelfall schwierig sein kann (siehe Renner, a.a.O., § 44a Rn. 7 unter Hinweis auf BMI, Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz, 2006, S. 67) und auch unter diesem Aspekt Handlungsspielräume der Verwaltung sinnvoll und geboten sind.

c. Das beklagte Land hat seine Rechtspflicht zum Handeln angenommen. Dies entspricht auch seinem eigenen Vortrag in der Berufungserwiderung. Es hat verkannt, dass ihm ein Entschließungsermessen zusteht. Eine von Ermessensgesichtspunkten geleitete Entscheidung darüber, ob die in § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG festgelegte Rechtsfolge ergriffen werden soll oder nicht, hat die Ausländerbehörde nicht getroffen. Das Entschließungsermessen folgt den allgemeinen Regeln für die Ausübung behördlichen Ermessens einschließlich der Ermessensfehlerlehre (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.03.1985 - 10 S 1891/82 - NJW 1986, 395; Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., § 40 Rn. 8 f.). Dies hat im vorliegenden Fall die Konsequenz, dass der angefochtene Verwaltungsakt ermessensfehlerhaft i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO ist. Dieser Mangel besteht auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats.

Nach § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts noch im gerichtlichen Verfahren ergänzen, wobei die Bestimmung es aber nicht ausschließt, eine behördliche Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren zu treffen und zur Prüfung zu stellen, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris - Rn. 9 ff.). Ob mit Blick auf die in ausländerrechtlichen Verfahren aus Gründen des materiellen Rechts bestehende Verlagerung des entscheidungserheblichen Zeitpunktes von demjenigen der letzten Behördenentscheidung auf den der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der (letzten) Tatsacheninstanz § 114 Satz 2 VwGO auch dann eine erstmalige Ermessensausübung zulässt, wenn es von vornherein einer Ermessensentscheidung bedurfte, die Behörde dies aber verkannt hat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang offen geblieben (BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris - Rn.13). Allerdings soll die Einschränkung des § 114 Satz 2 VwGO auf eine Ergänzung von Ermessenserwägungen die Heilbarkeit solcher Verwaltungsakte hindern, die bereits bei Erlass wegen Ausfalls jeglichen Ermessens grob defizitär sind, und dadurch die Behörde zu einer sorgfältigen Ermessensausübung anhalten (vgl. auch Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 208 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte - BTDrucks. 13/3993, S. 13 und 13/5098, S. 24 -). Die Tragfähigkeit dieses Aspekts wird durch die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemachten Ausnahmen in den Fällen einer durch eine Veränderung der Sachlage erstmals eröffnete Ermessenentscheidung nicht infrage gestellt (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 2388/10 - juris Rn. 71). Letztlich kann hier aber die Frage offen bleiben, ob eine vollständige Nachholung der Ausübung eines (Entschließungs-)Ermessens überhaupt möglich wäre, denn das beklagte Land hat auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens keine Erwägungen hierzu angestellt, sondern durchgängig auf seine Rechtspflicht zum Handeln verwiesen. [...]

b. Nach § 104 Abs. 2 AufenthG ist es bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis sind, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG hinsichtlich der sprachlichen Kenntnisse nur erforderlich, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen können. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 8 AufenthG findet keine Anwendung. § 9 Abs. 2 AufenthG sieht unter anderem vor, dass der Ausländer für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Nr. 7) und über Grundkenntnisse der Rechtsund Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Nr. 8) verfügen muss.

Die Klägerin hat seit dem 10.07.1981 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AuslG, die fortlaufend verlängert worden ist. Auch zu dem in § 104 Abs. 2 AufenthG genannten Stichtag war sie im Besitz einer solchen.

Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf die Klägerin für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG keiner Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Das, was als Ziel des Orientierungskurses, der seinerseits ein Teil des Integrationskurses ist, vermittelt werden soll (§ 43 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 IntV sowie § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), muss sie zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis, die gedanklich quasi die "Vorstufe" der Einbürgerung darstellt und nach dem Willen des Gesetzgebers eine fortgeschrittene Integration zum Ausdruck bringt (GK-AufenthG, § 9 Rn. 12), gerade nicht erfüllen. Für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG gilt dies entsprechend.

Dass fehlendes Wissen über die Lebensverhältnisse in Deutschland bei Ausländern, deren Aufenthalt vor dem 01.01.2005 durch eine Aufenthaltserlaubnis legalisiert worden ist, der Annahme einer gelungenen Integration nicht entgegensteht und daher der Erwerb solcher Kenntnisse in einem "Altfall" nicht hoheitlich verlangt werden kann, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 104 Abs. 2 (BT-Drs. 15/420, S 100): Dort heißt es: "Soweit dieses Gesetz in § 9 Abs. 2 Nr. 7 und 8 an die weitere Verfestigung des Aufenthalts strengere Integrationsanforderungen stellt (ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet), werden diese von Ausländern, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, nicht verlangt. Die weitergehenden Anforderungen gehen einher mit dem neu geschaffenen staatlichen Grundangebot zur Integration (vgl. § 43), an dem der hier angesprochene Personenkreis noch nicht partizipieren konnte. Daraus soll kein Rechtsnachteil erwachsen. Die Erfüllung der Vorgaben des § 9 Abs. 1 Nr. 3 müssen nicht vorliegen, da diese nach § 24 AuslG keine Voraussetzung zur Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis darstellen."

Aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung ist die § 104 Abs. 2 AufenthG zugrunde liegende Wertung bei § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zwingend zu beachten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle meint, die Frage der besonderen Integrationsbedürftigkeit auch von solchen Ausländern im Blick haben zu müssen, die sogar schon im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind (BT-Drs. 16/5065, S. 195 zu § 87 Abs. 2 Satz 2 AufentG). [...]

Die Klägerin verfügt nicht über einfache mündliche Deutschkenntnisse. Zwar hat der Senat den Eindruck, dass die Klägerin durchaus "Schlüsselwörter" aus ihrem privaten Bereich versteht, wie "Kinder" oder "Enkel". Sie konnte jedoch in der Berufungsverhandlung einfach formulierte, kurze Fragen zu ihrer Person nicht beantworten. Für das Verstehen und Beantworten etwa der Frage, ob sie in der Türkei die Schule besucht hat, war ein Dolmetscher erforderlich. Dass die Klägerin nicht über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A 1 mündlich verfügt, hatte im Übrigen schon das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil aufgrund der in der dortigen mündlichen Verhandlung erfolgten Anhörung der Klägerin festgestellt. Es entspricht ferner den bei der Ausländerbehörde vorhandenen Erkenntnissen, insbesondere den Befunden aus der Absolvierung des Sprachtests am 19.07.2011 beim Landratsamt Karlsruhe. Auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin mangelt es ihr an der notwendigen Sprachkompetenz. So heißt es unter anderem in dem von ihr vorlegten privatärztlichen Attest von Dr. U. vom 07.05.2013, dass sie "kein Wort Deutsch spricht und kaum etwas versteht".

Hätte die Klägerin das nach § 104 Abs. 2 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderliche Sprachniveau, so hätte dies zwingend zur Folge, dass aufgrund der Wertung in dieser Altfallregelung die "besondere Integrationsbedürftigkeit" im Sinne des § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu verneinen wäre. Umgekehrt bedeutet das Fehlen dieser Sprachkenntnisse aber nicht, dass die Klägerin gleichsam automatisch zum Fall einer besonderen Integrationsbedürftigkeit wird. Fehlen dem Ausländer, den § 104 Abs. 2 AufenthG im Blick hat, die dort für die Niederlassungserlaubnis vorausgesetzten Sprachkenntnisse, mag er zwar integrationsbedüftig sein; er ist es jedoch nicht notwendig auch "in besonderer Weise". Bei der "Stufung" der Grade der Integrationsbedürftigkeit ist für den hier vorliegenden "Altfall" die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 104 Abs. 2 AufenthG ebenfalls zu berücksichtigen. Das Regelbeispiel des § 4 Abs. 3 IntV steht dem nicht entgegen, denn es ist ersichtlich nicht auf "Altfälle" zugeschnitten. Nach § 4 Abs. 3 IntV kann von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne von § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes insbesondere dann ausgegangen werden, wenn sich der Ausländer als Inhaber der Personensorge für ein in Deutschland lebendes minderjähriges Kind nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und es ihm deshalb bisher nicht gelungen ist, sich ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren. Die derzeit geltende Regelung beruht auf der Ersten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung vom 05.12.2007 (BGBl I, S. 2787) und ist an die Stelle von § 5 Abs. 4 IntV a.F. getreten. Nach der früheren Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 1 IntV konnte von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne von § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b des Aufenthaltsgesetzes insbesondere dann ausgegangen werden, wenn sich der Ausländer als Inhaber der Personensorge für ein in Deutschland lebendes minderjähriges Kind nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann.

Mit der derzeitigen Fassung, in der gegenüber der Vorgängerfassung das Wort "mündlich" gestrichen wurde, mithin nunmehr Anknüpfungspunkt in sprachlicher Hinsicht das Fehlen von Kompetenzen nach A 1 in allen Sprachkomponenten (also Hören, Sprechen, Schreiben und Lesen) ist, hat der Verordnungsgeber zu erkennen gegeben, dass er Altfälle, in denen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis einfache Deutschkenntnisse mündlicher Art ausreichen, gar nicht erfassen wollte. Dies spiegelt sich im Übrigen auch in dem durch das Bundesamt erarbeiteten Kursangebot wider. Wie das Bundesamt unter dem 27.05.2013 mitgeteilt hat, gibt es keine Integrationskursart, die sich an Teilnehmer richtet, welche ausschließlich mündliche Deutschkenntnisse erwerben wollen. Ein Kurs, der lediglich einfache mündliche Deutschkenntnisse vermittelt, wird daher nicht angeboten.

Allerdings kann auch bei dem Personenkreis, zu dem die Klägerin zuzurechnen ist, eine besondere Integrationsbedürftigkeit vorliegen. Solche spezifischen Umstände sind jedoch im Fall der Klägerin nicht gegeben. Hierfür wäre es zumindest notwendig, dass die Klägerin ein Leben führt, das dem öffentlichen Interesse an der Integration in die deutschen Lebensverhältnisse widersprechen würde. Dies kann etwa vorliegen beim Erhalt von sozialen Transferleistungen oder weil aufgrund fehlender sprachlicher Kompetenzen keine Kontakte in das soziale Umfeld (Arbeit, Schule, Kindergarten) bestehen. So ist die Integrationsfähigkeit von Kindern zweifelhaft, wenn die Eltern besonders integrationsbedürftig sind (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 195 - zu § 87 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Integration der Kinder der Klägerin, die hier im Bundesgebiet geboren oder als kleine Kinder hier her gekommen sind, ist aber schon seit vielen Jahren in einer besonders erfolgreichen Weise abgeschlossen. [...] Die Tatsache, dass - mit Ausnahme der Ältesten - auch ihre Töchter über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügen, die jeweils im unmittelbarem Anschluss an die Schulausbildung erworben wurde, belegt eine Lebensauffassung der Klägerin, wie sie den deutschen gesellschaftlichen Vorstellungen entspricht. Bei lebensnaher Betrachtung beruht die Entwicklung der Kinder auch auf ihrem die Integration unterstützenden Erziehungsbeitrag als Mutter. Des Weiteren haben die Klägerin und ihr Ehemann ihren Lebensunterhalt stets selbst gesichert und tun dies voraussichtlich aufgrund der von ihrem Ehemann erworbenen Rentenanwartschaften weiterhin. Sie besitzen ein eigenes Haus und führen eine - in ihrer Generation auch unter Deutschen durchaus übliche - "Hausfrauenehe". Es liegen schließlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin eine Lebensführung praktizieren würde, die mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen nicht in Einklang gebracht werden könnte. Die Klägerin hat für sich beschlossen, mit der Familie allein türkisch zu sprechen und sich sozial vor allem in dem großen Kreis ihrer Familienmitglieder und türkisch sprechenden Nachbarn und Freunden zu bewegen. Das ist ihre ureigene Entscheidung, die aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles, vor allem der gelungenen wirtschaftlichen Integration und ihres eigenen positiven Beitrags bei der Integration ihrer Kinder, mit den öffentlichen Interessen verträglich ist - zumal sie sich nicht selbst sozial isoliert, sondern - wenn auch mit Hilfe ihrer Familienmitglieder - Kontakte mit Deutschen unterhält. Die von der Widerspruchsbehörde angestellten Überlegungen, dass das Absolvieren eines Sprachkurses "auch im Hinblick auf das eigene Selbstwertgefühl, die Selbstständigkeit und den Umgang mit den Enkeln von enormer Wichtigkeit" ist, sind Erwägungen, die - jedenfalls was den ersten und dritten Aspekt betrifft - außerhalb des Normzwecks liegen. Es kann daher offen bleiben, ob bei einem langjährig legal im Bundesgebiet lebenden Ausländer, der aus anderen Gründen als eines Sprachdefizits besonders integrationsbedürftig ist, die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs überhaupt eine geeignete Maßnahme wäre.

5.) Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Klägerin in besonderer Weise integrationsbedürftig und der Ausländerbehörde im Rahmen des § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch kein Entschließungsermessen eingeräumt ist, ist ihr jedenfalls die Teilnahme am Integrationskurs auf Dauer unzumutbar.

Nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 AufenthG sind Ausländer von einer Teilnahmeverpflichtung ausgenommen, deren Teilnahme auf Dauer unmöglich oder unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit liegt nicht erst dann vor, wenn der Ausländer etwa wegen einer körperliche, geistigen oder seelischen Erkrankung oder Behinderung den Kurs nicht absolvieren kann. In dem Kriterium der "Unzumutbarkeit" ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verankert. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, dass eine Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss. Letzteres fehlt, wenn die Schwere der Belastungen außer Verhältnis zu dem Nutzen für den mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht. Dies fordert eine Abwägung, bei der die privaten und öffentlichen Interessen nach ihrer konkreten Betroffenheit im jeweiligen Einzelfall zu gewichten sind (siehe allg. Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., § 40 Rn. 55 m.w.N). Im vorliegenden Fall führt die Abwägung aller relevanten Belange des Falles, bei der unter anderem berufliche, familiäre und persönliche Umstände einzustellen sind (Storr/Wenger/ Eberle/Albrecht/Harms, a.a.O., § 44a Rn. 7; Hailbronner, AuslR, § 44a Rn. 15; Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 44a Rn 10), dazu, dass die gegenüber der Klägerin ergriffene Maßnahme unverhältnismäßig ist.

Die Integration eines Ausländers in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben ist von besonderem öffentlichen Interesse. Insbesondere an seiner Eingliederung in den Arbeitsmarkt und an dem selbstständigen Erwirtschaften eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens besteht ein hohes staatliches Interesse. Im Fall der Klägerin kann aber durch einen Integrationskurs das gesetzgeberische Ziel, die Aufnahme einer Beschäftigung zu fördern, nicht mehr erreicht werden. Die mittlerweile 62 Jahre alte Klägerin kann schon aufgrund ihres Alters und ihrer umfangreichen, in der Stellungnahme des Gesundheitsamts 30.12.2010 dokumentierten Krankheitsgeschichte nicht mehr in den regulären Arbeitsmarkt – und sei es auch nur für eine geringfügige Beschäftigung – vermittelt werden. Im Übrigen ist ihr Lebensunterhalt durch ihren erwerbstätigen Ehemann gewährleistet. Auch zu dem Anliegen des Gesetzgeber, die Integration der Elterngeneration zu fordern und zu fördern, damit die Integration der Kinder gelingt, leistet ein Integrationskurs der Klägerin keinen Beitrag mehr, da ihre in den Jahren 1974 bis 1990 geborenen Kinder alle erwachsen sind und über eine gelungene Integration verfügen. Der Integrationskurs hat im Fall der Klägerin vor allem die Funktion, die sprachlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass sie selbst sich mit Deutschen unterhalten kann und ihr Sozialleben daher auch von diesen Kontakten bestimmt wird. Er zielt ferner darauf ab, sie in das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland zu integrieren; derzeit ist die Klägerin nicht in der Lage, etwa deutsches Fernsehen zu verstehen oder deutschsprachige Zeitungen zu lesen.

Den mit dem Integrationskurs allgemein verfolgten öffentlichen Interessen stehen jedoch derart erhebliche Belange auf Seiten der Klägerin entgegen, dass ihre Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs unverhältnismäßig und damit auf Dauer unzumutbar ist.

Ein Integrationskurs mit Alphabetisierung hat im Fall der Klägerin einen Umfang von 1.260 Stunden (siehe oben 1.). Die nach dem Eindruck des Senats in der mündlichen Verhandlung eher einfach strukturierte Klägerin hat nie eine Schule besucht und daher auch nie gelernt zu lernen. Sie hat bereits mit 21 Jahren geheiratet und immer ein "familienkonzentriertes" Leben geführt. Es besteht allein schon vor diesem Hintergrund kein Anlass zur Annahme, die Klägerin könnte das Kursziel abweichend von den Erfahrungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit Analphabeten, die dieses in seiner Stellungnahme vom 10.05.2013 mit Ergänzung vom 27.05.2013 mitgeteilt hat, schneller erreichen. Da die Klägerin bei ihrer - auch durch die durchlebten Erkrankungen bestimmte - Biographie voraussichtlich allenfalls in der Lage wäre, drei Stunden am Tag am Kurs teilzunehmen, müsste sie - die Ferienzeit eingerechnet - etwa zwei Jahre lang den Integrationskurs besuchen (siehe hierzu die Auskunft des Bundesamts vom 27.05.2013). Dies ist eine erhebliche Beschränkung in ihrer Lebensführung - zumal sie aufgrund ihres Alters, aber auch ihrer Grunderkrankungen nicht mehr über die Ausdauer und Belastbarkeit sowie Flexibilität besitzt, die ein junger oder "in der Mitte des Lebens stehender" Mensch gewöhnlich hat. Hinzukommt, dass die Klägerin bereits seit 1981 legal im Bundesgebiet lebt. Grundlage des Aufenthalts der Klägerin ist nicht nur ein familienbezogener Aufenthaltstitels, sondern sie verfügt seit Mitte 1986 auch über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Dieses ist durch die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit des stammberechtigten Ehemannes im Jahre 1992 nicht erloschen. Es entspricht mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Aufenthaltsrechte nach Art. 7 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen verloren gehen: entweder in den Fällen der Ausweisung nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 oder bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - C-303/08 - Rn. 42 ff. - Bozkurt - und vom 25.09.2008 - C-453/07 - Rn. 30 f. - Er -; BVerwG, Urteil vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - juris; GK-AufenthG, Art. 7 ARB 1/80 Rn. 91; Renner, a.a.O., § 4 Rn. 161 ff.). Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass im vorliegenden Fall eine dieser Gründe greifen könnte. Auf das Aufenthaltsrecht der Klägerin hat ein Integrationskurs daher keine Auswirkungen; die Regelung in § 44a Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 AufenthG erfasst jedenfalls nicht den deklaratorischen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 5 AufenthG zum Nachweis eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80, der eine Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren aufweisen muss (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 6.11. - juris - Rn. 27 ff.). Die weitaus überwiegende Zeit des legalen Aufenthaltes der Klägerin, nämlich etwa 25 Jahre, zeichnet sich dadurch aus, dass es ein staatliches Grundangebot an Integrationskursen überhaupt nicht gab, so dass die Klägerin auch nicht die Chance hatte, hiervon als jüngerer Mensch Gebrauch zu machen. Schließlich spielt bei der Abwägung zu Lasten der öffentlichen Interessen auch eine Rolle, dass der Ausländerbehörde die Sprachdefizite seit 1990 bekannt waren. Sie hat in diesem Zeitraum die Klägerin nie - auch nicht zum 01.01.2005 mit Einführung der Integrationskurse - aufgefordert, diese zu beheben. Vielmehr hat die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 13.11.2008 der Klägerin mitgeteilt, dass sie keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs habe, sie jedoch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Antrag auf Zulassung zu einem Integrationskurs stellen könne. Gegenüber der Klägerin ist somit - bei schon damals bekanntem und in der Folgezeit nicht verändertem Sachverhalt - die Teilnahme am Integrationskurs als freiwillig dargestellt worden. [...]