LG Saarbrücken

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Zitieren als:
LG Saarbrücken, Beschluss vom 11.06.2013 - 5 T 210/13 - asyl.net: M20916
https://www.asyl.net/rsdb/M20916
Leitsatz:

1. Die einstweilige Anordnung der Sicherungshaft im Sinne des § 62 Abs. 3 AufenthG ist nur für den - vom jeweiligen Einzelfall abhängigen - Zeitraum zulässig, den es wahrscheinlich dauern wird, eine Ermittlung aller im Haftantrag anzugebenden Tatsachen bei gebotener zügiger Bearbeitung abzuschließen und den Betroffenen sodann auf der Grundlage eines vollständigen Haftantrags erneut dem Haftrichter vorzuführen.

2. Für die Anordnung der Sicherungshaft ist im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 Satz 1 FamFG kein Raum mehr, wenn der für eine Hauptsachentscheidung erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt ist.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: einstweilige Anordnung, Sicherungshaft, Abschiebungshaft, Haftantrag, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Zurückschiebungshaft, Zurückschiebung, Freiheitsentziehung, Haftdauer, Dauer,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3, FamFG § 427 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

1. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung und die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft sind allerdings gegeben.

a) Der erforderliche Haftantrag der hier nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zuständigen beteiligten Behörde befasst sich mit sämtlichen nach § 427 Abs. 1, § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu behandelnden Gesichtspunkten.

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512). Nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG muss der Haftantrag durch die Behörde begründet werden. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (vgl. BGH, NVwZ 2010, 1511, 1512). Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, den Abschiebungsvoraussetzungen, der Erforderlichkeit der Haft, der Durchführbarkeit der Abschiebung und der notwendigen Haftdauer (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG; BGH, Beschluss vom 27.10.2011 - V ZB 311/10, juris, Rn. 12; Beschluss vom 10.05.2012 - V ZB 246/11, juris, Rn. 9). Die Begründung kann zwar knapp gehalten werden, sie muss aber auf den konkreten Fall zugeschnitten sein, da nur dann dem Gericht die für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. die zu treffende Entscheidung notwendige Tatsachengrundlage vermittelt und der Betroffene in den Stand versetzt wird, sich sachgerecht gegen den Haftantrag zu verteidigen; Leerformeln und Textbausteine genügen daher nicht. Diesen Anforderungen wird der Haftantrag vom 17.05.2013 gerecht.

bb) Vorliegend sind die die Identität des Betroffenen, seine Wohnsitzlosigkeit und die beantragte Dauer der Freiheitsentziehung bis zum 27.06.2013 angegeben.

cc) Im Haftantrag ist zudem angegeben, dass der Betroffene ohne die nach § 14 AufenthG erforderlichen Grenzübertrittspapiere von Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und im grenznahen Raum unmittelbar nach der Einreise angetroffen worden ist, nachdem er bereits einen Asylantrag in Belgien gestellt hat. Danach sind sowohl die Voraussetzungen für die vollziehbare Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG als auch für die Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 AsylVfG dargetan.

dd) Zudem enthält der Haftantrag die nötigen Angaben, um die Erforderlichkeit der Sicherungshaft zu prüfen. Neben dem Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) enthält der Antrag auch individuelle Angaben zu dem Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung im Sinne des Haftgrunds von § 62 Abs. 3 Nr. 5 AufenthG entziehen will, da er bereits in Belgien untergetaucht sei, um sich der dortigen Abschiebung zu entziehen.

ee) Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll; anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (BGH, Beschluss vom 27.10.2011 - V ZB 311/10, juris, Rn. 13). Entsprechende Angaben erweisen sich insbesondere deshalb als notwendig, damit der Haftrichter die durch § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG geforderte Prognose treffen kann. Kann die Behörde unmittelbar nach der Verhaftung des Betroffenen noch keine solchen Angaben machen, weil die Zurückschiebung außerhalb ihrer Zuständigkeit durch das BAMF betrieben wird, muss sie sich - wie im vorliegenden Fall - darauf beschränken, eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß § 427 FamFG zu beantragen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.05.2012, V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10). In diesem Fall genügt bereits die Darlegung, dass die für die Freiheitsentziehung notwendigen Voraussetzungen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt sind (vgl. Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl. § 427 Rn. 6). Diese Darlegung enthält der Haftantrag, da darin ausgeführt ist, dass der Betroffene einen Asylantrag in Belgien gestellt hat und eine Zurückschiebung nach dem in der Dublin II-Verordnung geregelten, fristgebunden Verfahren binnen drei Monaten wahrscheinlich sei.

Soweit der Betroffene dagegen rügt, der Haftantrag sei formelhaft verfasst und dem Antrag seien nicht diejenigen Unterlagen beigefügt worden, die dem für die Prognoseentscheidung genannten Referenzfall zugrunde gelegen haben, stellt dies keinen formalen Mangel des Haftantrags dar. Bereits die konkrete Darlegung des von der beteiligten Behörde aufgeführten Referenzfalls unter Angabe der individuellen Vorgangsnummer gibt dem Haftrichter die Gelegenheit, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen festzustellen und - nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. Bumiller/Harder, FamFG, 10. Aufl., § 26 Rn. 6) - erforderlichenfalls die genannten Verwaltungsakten beizuziehen.

gg) Der Haftantrag enthält auch Darlegungen für die Prüfung, ob die beantragte Haftdauer dem Verhältnismäßigkeitsgebot entspricht und auf die kürzest mögliche Dauer (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) beschränkt ist. Ob im Wege der einstweiligen Anordnung der begehrten Haftdauer entsprochen werden kann, betrifft nicht die formalen Anforderungen des Haftantrags, sondern die inhaltliche Ausgestaltung der späteren Haftanordnung.

hh) Der Haftantrag enthält schließlich auch die im Hinblick auf § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Angaben dazu, dass die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen zu der Zurückschiebung des - als Beschuldigten vernommenen - Betroffenen generell durch Schreiben vom 28.03.2012 (AZ: 472-1.930/11) erteilt hat.

b) Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückschiebehaft nach § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 3 Nr. 1 und 5 AufenthG sind ebenso erfüllt. Der Betroffene ist unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und damit vollziehbar ausreisepflichtig. Zudem besteht der begründete Verdacht, dass er sich der Zurückschiebung entziehen will.

aa) Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ergeben sich allerdings nicht schon bindend aus der - mit der unerlaubten Einreise des Betroffenen und seinem fehlenden Aufenthaltsrecht begründeten - Zurückschiebungsverfügung der gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zuständigen beteiligten Behörde. Zwar hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt, denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei einer - wie hier - auch auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützten Haftanordnung liegt dies insofern anders, als die sofort vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise den unmittelbaren Haftgrund bildet. Ergibt sich diese weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.09.2009 - V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50). Danach ist der Betroffene aufgrund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig, denn der Betroffene war bei seiner Einreise nach Deutschland nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes (§ 14 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 AufenthG).

bb) Zudem ergibt sich aus den in dem Haftantrag angeführten Umständen und der Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene ohne die Anordnung und Vollziehung der Sicherungshaft der Zurückschiebung entziehen würde (vgl. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG).

Im Haftantrag ist ausgeführt, dass der Betroffene in Belgien einen Asylantrag gestellt und nach dessen Ablehnung dort untergetaucht ist, um sich der dortigen Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen. Dies hat er gegenüber der beteiligten Behörde anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung eingeräumt. Hierauf hat er sich anlässlich seiner noch am selben Tag durchgeführten Anhörung beim Amtsgericht ausdrücklich bezogen. Durch dieses Verhalten und seinen erklärten Willen, hier Asyl beantragen zu wollen, um sicher leben zu können und nicht durch Belgien nach Afghanistan abgeschoben zu werden, hat er den begründeten Verdacht erweckt, dass er sich ohne die Inhaftnahme der Zurückschiebung nach Belgien entziehen würde.

c) Weiter besteht die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung genügende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG erfüllt sind.

Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine Sicherungshaftanordnung richtet, müssen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens erneut geprüft werden. Erscheint eine Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden. Die erforderliche Prognose darf nur auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage getroffen werden und hat sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (vgl. BGH, FGPrax 2012, 225 Rn. 12 nach juris). Im Verfahren der einstweiligen Anordnung bedarf es zumindest einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für die Umstände der Freiheitsentziehung (Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich aaO 427 Rn. 6).

Danach besteht vorliegend eine ausreichende Erwartung dahin, dass der Betroffene zeitgerecht abgeschoben werden kann. Nach den Angaben des Betroffenen und den Ermittlungen der beteiligten Behörde durch eine Abfrage der Eurodac-Datei war Belgien nach den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung zur Rücküber- nahme des Betroffenen verpflichtet, weil er bereits dort einen Asylantrag gestellt hat. Bei normalem Verfahrensgang ist davon auszugehen, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung erfolgen kann. Die Identität des Betroffenen steht fest, und im Rahmen der Zurückschiebung nach der Dublin II-Verordnung hat der um Rückübernahme ersuchte Staat die Fristen nach Art. 17 Abs. 2 (sog. Dringlichkeitsverfahren) und Art. 18 Abs. 1, 6 und 7 Dublin II-Verordnung, Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 des Rates mit Durchführungsbestimmungen zur Dublin II-Verordnung (ABl. L 222 S. 3) zu beachten. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-Verordnung gilt die Zustimmung des Staates zur Rückübernahme des Ausländers gar als erteilt, wenn nicht innerhalb der Monats- beziehungsweise Zwei- Monats-Frist eine Entscheidung ergangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2010 - V ZB 233/10, juris Rn. 13). Da vorliegend überdies die verkürzten Fristen des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b und c Dublin II-Verordnung zur Anwendung gelangen, ist mit einer zeitigen Zurückschiebung zu rechnen. Sonstige Hindernisse, wie etwa ein bei den Verwaltungsgerichten anhängiges Verfahren des Betroffenen gegen seine Zurückschiebung bestehen nicht.

c) Die Sicherungshaft ist auch nicht infolge eines Aufenthaltsrechts des Betroffenen aufzuheben.

aa) Das vor Anordnung der Sicherungshaft gegenüber der beteiligten Behörde erfolgte Asylgesuch genügt zur Aufenthaltsgestattung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht. Da der Betroffene aus Frankreich in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und zunächst in Gewahrsam genommen worden ist, bedurfte es zur Aufenthaltsgestattung der Stellung eines Asylantrags beim BAMF (§ 55 Abs. 1 Satz 3, § 14 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfg). Einen Asylantrag beim BAMF hat der Betroffene erst nach seiner Inhaftnahme gestellt.

bb) Da die Sicherungshaft des Betroffenen indes - auch - auf dem Haftgrund des § 62 Abs. 3 Nr. 5 AufenthG beruht, steht die aus ihr erfolgte Asylantragstellung der Anordnung und Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG).

d) Da das BAMF bereits wenige Tage nach dem Aufgreifen des Betroffenen und noch bevor er einen Asylantrag formal gestellt hat, eine Wiederaufnahmegesuch an Belgien gerichtet hat, ist auch das Beschleunigungsgebot nicht verletzt.

2. Dem Betroffenen ist überdies der Haftantrag ausgehändigt und übersetzt worden.

3. Entgegen der Ansicht des Betroffenen hat das Amtsgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt.

a) Verfahrensrechtlich kann eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme nach § 427 Abs. 1 Satz 1 FamFG bereits dann getroffen werden, wenn die für den Erlass der endgültigen Maßnahme erforderlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, soweit konkrete Umstände mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass die sachlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Freiheitsentziehung erfüllt sind; dabei wird eine summarische Prüfung für ausreichend erachtet. Dies entbindet die Gerichte jedoch allenfalls insoweit von den zur rechtlichen Prüfung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen erforderlichen Ermittlungen, als ansonsten das Verfahrensziel der Freiheitsentziehung gefährdet wäre. Den Charakter eines Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht verliert eine Freiheitsentziehung nicht dadurch, dass sie in einem summarischen Verfahren angeordnet wird. Die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Sachaufklärung gelten daher im Grundsatz auch bei der vorläufigen Freiheitsentziehung. Abstriche sind jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn erforderliche Ermittlungen ohne Gefährdung des Verfahrensziels ohne Weiteres durchführbar sind (BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012 - 2 BvR 1064/10, juris Rn. 18f.).

b) Danach ist die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht verletzt, weil sich sowohl aus dem Antrag der beteiligten Behörde als auch aus der Erklärung des Betroffenen, die er anlässlich seiner Anhörung durch das Amtsgericht unter Bezugnahme auf seine polizeiliche Vernehmung abgegeben hat, die Voraussetzungen für die Inhaftnahme des Betroffenen hinreichend ergeben. Der Aufgriffsbericht wie auch die Niederschrift der polizeilichen Vernehmung des Betroffenen, deren tatsächlicher Inhalt in den Haftantrag übernommen worden ist, waren zudem dem Antrag der beteiligten Behörde an das Amtsgericht beigefügt und sind Bestandteil der Gerichtsakte geworden. Dass das Amtsgericht diesen Akteninhalt nicht zur Kenntnis genommen haben könnte, ist nicht festzustellen. Hieraus ergeben sich auch keine Umstände, die der Haftanordnung entgegen stehen. Die Heranziehung der Akte des BAMF war dem Amtsgericht nicht möglich, da zur Zeit der Beschlussfassung das BAMF mit der Sache noch nicht befasst war.

4. Allerdings ist die Anordnung einer Haftdauer von sechs Wochen im Wege der einstweiligen Anordnung nicht gerechtfertigt gewesen.

a) Wie dargestellt kann nach § 427 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die Bestimmung erfasst Sachverhalte, in denen die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zwar noch nicht abschließend festgestellt werden können, vorab aber schon eine einstweilige Regelung benötigt wird. Es handelt sich beim Verfahren der einstweiligen Anordnung um ein selbstständiges Verfahren, das betrieben werden kann, ohne dass ein auf eine dauerhafte Freiheitsentziehung gerichtetes Verfahren bereits anhängig ist. Erforderlich ist, dass dringende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung vorliegen. Dabei genügt es, wenn das Gericht hinreichende Anhaltspunkte für die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines Lebenssachverhalts hat, der die Freiheitsentziehung rechtfertigt (vgl. LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 18.03.2013 - 15 T 11/13, juris Rn. 12 mwN).

b) Da der Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund einer noch nicht vollständig festgestellten Tatsachengrundlage ergeht - das war vorliegend der Fall, weil nicht die antragstellende Behörde, sondern das BAMF für die Modalitäten der Zurückschiebung zuständig ist -, verkürzt sie den in Art. 103 Abs. 1 GG gewährten Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie ist nach dem Gesetz soweit - aber eben auch nur solange - möglich wie aller Voraussicht nach ein vorläufiges Regelungsbedürfnis besteht, d.h., für den Zeitraum, den es wahrscheinlich dauern wird, eine Ermittlung aller im Haftantrag anzugebenden Tatsachen bei gebotener zügiger Bearbeitung abzuschließen und den Betroffenen sodann auf der Grundlage eines vollständigen Haftantrags erneut dem Haftrichter vorzuführen (vgl. LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 18.03.2013 - 15 T 11/13, juris Rn. 16). Ist der für eine Hauptsacheentscheidung erforderliche Sachverhalt indes vollständig festgestellt, ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung kein Raum, da sie die vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen erheblich einschränkt (vgl. § 70 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 FamFG). Die danach erforderliche Dauer der im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebten Sicherungshaft hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab.

c) Angesichts des hier in Rede stehenden Umstands, dass lediglich ein Wiederaufnahmestaat, nämlich Belgien, in Betracht zu ziehen war, hält die Kammer vorliegend eine Zeitspanne von einer Woche für die Sachverhaltsermittlung darüber, welche Zurückschiebungsmodalitäten durch das BAMF zu treffen waren, unter Beachtung einer angemessene, beschleunigten Bearbeitungsdauer für ausreichend. Demzufolge hätte im Wege der einstweiligen Anordnung die Haft im vorliegenden Fall längstens bis zum 24.05.2013 angeordnet werden dürfen. [...]