1. Die einstweilige Anordnung der Sicherungshaft im Sinne des § 62 Abs. 3 AufenthG ist nur für den - vom jeweiligen Einzelfall abhängigen - Zeitraum zulässig, den es wahrscheinlich dauern wird, eine Ermittlung aller im Haftantrag anzugebenden Tatsachen bei gebotener zügiger Bearbeitung abzuschließen und den Betroffenen sodann auf der Grundlage eines vollständigen Haftantrags erneut dem Haftrichter vorzuführen.
2. Für die Anordnung der Sicherungshaft ist im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 Satz 1 FamFG kein Raum mehr, wenn der für eine Hauptsachentscheidung erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt ist.
(Amtliche Leitsätze)
(Zitiert LG Frankfurt/Oder Beschluss vom 18.03.2013 - 15 T 11/13 - asyl.net: M20557.)
[...]
Die gemäß § 62 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung gemäß § 427 FamFG vorgelegen haben. Allerdings hätte eine Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung nicht für die Dauer von sechs Wochen ergehen dürfen.
1. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung und die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft sind allerdings gegeben. [...]
4. Allerdings ist die Anordnung einer Haftdauer von sechs Wochen im Wege der einstweiligen Anordnung nicht gerechtfertigt gewesen.
a) Nach § 427 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die Bestimmung erfasst Sachverhalte, in denen die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zwar noch nicht abschließend festgestellt werden können, vorab aber schon eine einstweilige Regelung benötigt wird. Es handelt sich beim Verfahren der einstweiligen Anordnung um ein selbstständiges Verfahren, das betrieben werden kann, ohne dass ein auf eine dauerhafte Freiheitsentziehung gerichtetes Verfahren bereits anhängig ist. Erforderlich ist, dass dringende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung vorliegen. Dabei genügt es, wenn das Gericht hinreichende Anhaltspunkte für die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines Lebenssachverhalts hat, der die Freiheitsentziehung rechtfertigt (vgl. LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 18.03.2013 - 15 T 11/13, juris Rn. 12 mwN).
b) Da der Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund einer noch nicht vollständig festgestellten Tatsachengrundlage ergeht – das war im vorliegenden Fall die Frage, ob der Betroffene nach Rumänien oder in die Schweiz zurückgeschoben werden sollte -, verkürzt sie den in Art. 103 Abs. 1 GG gewährten Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie ist nach dem Gesetz soweit - aber eben auch nur solange - möglich wie aller Voraussicht nach ein vorläufiges Regelungsbedürfnis besteht, d.h., für den Zeitraum, den es wahrscheinlich dauern wird, eine Ermittlung aller im Haftantrag anzugebenden Tatsachen bei gebotener zügiger Bearbeitung abzuschließen und den Betroffenen sodann auf der Grundlage eines vollständigen Haftantrags erneut dem Haftrichter vorzuführen (vgl. LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 18.03.2013 - 15 T 11/13, juris Rn. 16). Ist der für eine Hauptsacheentscheidung erforderliche Sachverhalt indes vollständig festgestellt, ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung kein Raum, da sie die vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen erheblich einschränkt (vgl. § 70 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 FamFG). Die danach erforderliche Dauer der im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebten Sicherungshaft hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab.
c) Angesichts des hier in Rede stehenden Umstands, dass zunächst zumindest zwei Wiederaufnahmestaaten, nämlich Rumänien und die Schweiz, in Betracht zu ziehen waren, hält die Kammer vorliegend eine Zeitspanne von drei Wochen für die Sachverhaltsermittlung darüber, welche Zurückschiebungsmodalitäten durch das BAMF zu treffen waren, für ausreichend.
Da das BAMF möglicherweise bei zwei Mitgliedstaaten ein Wiederaufnahmegesuch stellen musste, sind - anders als im Falle der erwarteten Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates - die Modalitäten der Zurückschiebung erst dann ausreichend zu prognostizieren, wenn die Antwort des zunächst ersuchten Mitgliedsstaats vorliegt bzw. dessen Wiederaufnahmeverpflichtung zu erwarten ist. Unter Beachtung der die in Art. 20 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Fristen sind hierbei zwei Wochen ausreichend. Hinzukommt eine angemessene, beschleunigte Bearbeitungsdauer durch das BAMF. Demzufolge hätte im Wege der einstweiligen Anordnung die Haft im vorliegenden Fall längstens bis zum 29.05.2013 angeordnet werden dürfen. [...]