OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2013 - 7 S 67.13 - asyl.net: M21002
https://www.asyl.net/rsdb/M21002
Leitsatz:

Die auflösende Bedingung einer wegen Passlosigkeit erfolgten Duldung, wonach diese mit dem Besitz eines zur Ausreise bzw. Rückführung berechtigenden Dokuments erlischt, tritt auch dann ein, wenn das Dokument aufgrund von Bemühungen der Ausländerbehörde für den Ausländer ausgestellt wird und direkt in die Verwahrung der Behörde gelangt.

Einzelfall eines Duldungsbegehrens eines an Morbus Parkinson erkrankten staatenlosen Palästinensers aus dem Libanon, der sich nach langjähriger Drogenabhängigkeit in einem Methadon Substituierungsprogramm befindet und sich auf eine gesundheitliche Verschlechterung seiner Lage bei Abschiebung in den Libanon sowie die fehlende Kontaktmöglichkeit zu deutschen Kindern im Inland beruft.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Duldung, Pass, Passbeschaffung, auflösende Bedingung, Ausländerbehörde, Verwahrung der Ausländerbehörde, staatenlos, Palästinenser, staatenlose Palästinenser, Libanon, Passlosigkeit, Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit, Krankheit, Drogenabhängigkeit, Betäubungsmittel, Methadon, Substituierungsprogramm, Methadon-Substituierungsprogramm, Substitution, Abschiebungshindernis, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, AsylVfG § 42 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, dem Antragsteller, einem staatenlosen Palästinenser aus dem Libanon, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO eine weitere Duldung zu erteilen und seine Abschiebung auszusetzen, zurückgewiesen. Das für die Prüfung maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 S. 3 und 6 VwGO) rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Nicht weiter führt der mit der Beschwerde aufrechterhaltene Einwand des seit Ablehnung des Asylfolgeantrages mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. November 1992 und zudem mit Bescheid des Antragsgegners vom 17. Januar 1995 offenbar ebenfalls bestandskräftig ausgewiesenen Antragstellers, die ihm bisher wegen Passlosigkeit erteilte, zuletzt bis zum 18. September 2013 befristete und durch den Besitz eines zur Ausreise bzw. Rückführung berechtigenden Dokuments auflösend bedingte Duldung sei nicht infolge Bedingungseintritt erloschen. Das seine Rückführung ermöglichende Reisedokument (Laissez-Passer) befinde sich nicht in seinem Besitz, sondern werde von der Ausländerbehörde verwahrt. Wäre die Duldung wegen dieses Umstandes nämlich nicht erloschen, fehlte es bereits am Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung.

Allerdings ist bereits das Verwaltungsgericht der Argumentation des Antragstellers, es komme auf den (unmittelbaren) Besitz an dem Ausweispapier an, zu Recht nicht gefolgt. Die Nebenbestimmung der Duldung steht im Zusammenhang mit dem Duldungsgrund, dass die Ausreise des Antragstellers ohne ein entsprechendes Reisedokument nicht durchgesetzt werden kann. Sie erfasst sowohl die Fallgestaltung, dass dem Ausländer selbst ein für ihn ausgestelltes Reisedokument ausgehändigt wird als auch diejenige, dass ein solches Dokument sogleich in die Verwahrung der Ausländerbehörde gelangt, in die es gemäß § 50 Abs. 5 AufenthG genommen werden soll, wenn es sich in den Händen des ausreisepflichtigen Ausländers befindet. Unter „Besitz“ eines zur Ausreise bzw. Rückführung berechtigenden Dokuments ist danach nur zu verstehen, dass es sich um ein für den Ausländer ausgestelltes Papier handelt, das zur Verwendung bereitsteht und damit das Abschiebungshindernis beseitigt.

Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich auch kein weiteres tatsächliches oder rechtliches Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG.

Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht auf die nach § 42 Abs. 1 AsylVfG bindende und inzwischen bestandskräftige Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Juni 2013 hingewiesen, nach der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Drogenabhängigkeit und die Teilnahme an einem Methadon-Substituierungsprogramm sowie die Parkinsonerkrankung des Antragstellers begründen im Übrigen kein Abschiebungshindernis. Soweit der Antragsteller, in dessen Habe sich nach dem Abschiebungsversuch am 28. Mai 2013 zwei Polamidon-Tagesdosen aus dem Monat März befanden und der im Abschiebegewahrsam kein Polamidon mehr erhalten hat, geltend macht, er habe nach der Entlassung aus dem Abschiebegewahrsam wieder mit der Einnahme der Ersatzdroge begonnen und befürchte nun negative gesundheitliche Auswirkungen bei einem erneuten Abbruch des Substitutionsprogramms, so kann dem nicht entnommen werden, dass die körperlichen Folgen eines erneuten Abbruchs der Substitutionsbehandlung solchermaßen gravierendes Gewicht haben, dass sie einer Abschiebung in den Libanon entgegenstehen. Denn der Entzug im Abschiebegewahrsam unter Fortführung der Parkinson-Medikation hatte offensichtlich keine solchen schwerwiegenden Folgen. Wenn der Antragsteller die Behandlung in Kenntnis der drohenden Abschiebung wiederaufgenommen hat, so können ihm mit der etwaigen Nichtverfügbarkeit entsprechender Ersatzdrogen im Libanon einhergehende Entzugserscheinungen ebenso wie im hiesigen Abschiebegewahrsam zugemutet werden. Das Vorbringen zu den befürchteten Folgen ist darüber hinaus nicht nur unbestimmt, sondern auch nicht hinreichend durch fachmedizinische Stellungnahmen untermauert. Der Antragsteller hat lediglich einen Ausweis über die Teilnahme am Substitutionsprogramm vorgelegt. [...]