VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.03.2013 - 6 B 11/13 - asyl.net: M21041
https://www.asyl.net/rsdb/M21041
Leitsatz:

Eine Person hat an einem Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sie die Absicht hat, sich an dem Ort nicht nur vorübergehend aufzuhalten. Ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt ist in der Regel anzunehmen, wenn die Umstände erkennen lassen, dass die Aufenthaltsdauer mindestens sechs Monate betragen soll.

Schlagwörter: Fiktionswirkung, Fiktionsbeschenigung, gewöhnlicher Aufenthalt, vorübergehender Aufenthalt, Aufenthaltsdauer,
Normen: AufenthG § 81 Abs. 5, SGB I § 30 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Ein Person hat einem Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Person die Absicht hat, sich an dem Ort nicht nur vorübergehend aufzuhalten (vgl. § 30 Abs. 3 SGB 1; § 9 AO; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. (2011), § 3 Rn. 27: Friedersen, In: Praxis der Kommunalverwaltung SH, Stand: 02/2011, § 31 Erl. 2.3). Ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt ist in der Regel anzunehmen, wenn die Umstände erkennen lassen, dass die Aufenthaltsdauer mindestens sechs Monate betragen soll (vgl. § 9 S. 2 AO; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auf). (2011), § 3 Rn. 27; Ronellenfitsch, in: BeckOK-VwVfG, Stand: 01.01.2013, § 3 Rn. 9). Der Antragsteller hat Umstände glaubhaft gemacht, aus denen sich ergibt, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt In Schleswig-Holstein, nämlich in ... hat. Für die Glaubhaftmachung genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der geltend gemachten Umstände, die volle Überzeugungsgewissheit i.S.d. § 108 Abs. 1 VwGO ist nicht erforderlich. Dass der Antragsteller sich schon fast sechs Monate in ... aufhält, um dort zu arbeiten, indiziert, dass er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es ist glaubhaft gemacht, dass sich der Antragsteller seit Oktober 2012, also für mehr als fünf Monate in ... aufhält. Dies folgt aus der Einzugsbestätigung der Fa. ... und der Erklärung des Hauptmieters vom 26.03.2013. Das Arbeitsverhältnis bei der ... GmbH ist nach deren Auskunft zudem nicht befristet. Zu berücksichtigen ist weiter, dass sich der Antragsteller am 08.11.2012 in ... zum 01.10.2012 anmeldete. Die zwischenzeitliche Rückanmeldung in dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass der Antragsteller nicht den Willen hat, sich langfristig Im Bezirk des Antragsgegners aufzuhalten, da die Rückmeldung durch das Schreiben des Antragsgegners vom 19.12.2012 veranlasst war.

Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt für einen Ort zu verneinen ist, wenn die Person sich an diesem Ort nicht aufhalten darf, muss hier nicht geklärt werden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 27.08.2012, 5 Bs 178/12; Tz. 13 (juris); OVG Greifswald, B. v. 08.09.1998, 2 M 80/98; VG Magdeburg, Urt v. 08.10.2012. 1 A 70/11, Tz. 41 (juris) a.A. VG Schleswig, B. v. 02.09.2009, 4 B 19/09: "kann auch an einem illegalen Aufenthaltsort genommen werden"). Die Wohnsitzauflage des Kreises Anhalt-Bitterfeld wurde aufgehoben. Der Antragsteller war daher frei, seinen Wohnsitz im gesamten Bundesgebiet frei zu wählen (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Dass der Antragsgegner keine Zustimmung zu einem Zuzug erklärte, ist unerheblich. Die Anfrage einer Ausländerbehörde bei anderen Ausländerbehörden, ob sie mit einem Zuzug des Ausländers einverstanden sind, betrifft allein das Verhältnis der Ausländerbehörden untereinander, beschränkt aber ohne Regelung gegenüber dem Ausländer nicht den räumlichen Geltungsbereich des Aufenthaltstitels nach § 12 Abs. 1 S. 1 AufenthG. Mit Schreiben vom 19.12.2012 hat der Antragsgegner auch nicht die Aufhebung der Wohnsitzbeschränkung aufgehoben. Ein solcher Regelungsgehalt ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. [...]