VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Beschluss vom 31.07.2013 - 4 K 2264/12 - asyl.net: M21090
https://www.asyl.net/rsdb/M21090
Leitsatz:

Ein Drittstaatsangehöriger, der für einen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger eine Vaterschaftsanerkennung und eine Sorgeerklärung abgegeben hat, hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte-EU, wenn er für den Unionsbürger keinen (finanziellen) Unterhalt leistet.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Drittstaatsangehörige, freizügigkeitsberechtigt, Unionsbürger, freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, Vaterschaftsanerkennung, Unterhalt, Kindesunterhalt, Aufenthaltskarte, Krankenversicherung, Sicherung des Lebensunterhalts, Sorgerechtserklärung, Sorgeerklärung, Sorgerecht,
Normen: FrezügG/EU § 5 Abs. 1, FreizügG/EU § 3, FrezügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 6,
Auszüge:

[...]

Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - FreizügG/EU - vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.1.2013 (BGBl. I, S. 86) wird freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, von Amts wegen innerhalb von sechs Monaten, nachdem sie die erforderlichen Angaben gemacht haben, eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt, die fünf Jahre gültig sein soll. Dabei ist die Aufenthaltskarte deklaratorischer Natur, weil drittstaatsangehörigen Familienangehörigen unter den Voraussetzungen des § 3 FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht haben, das bereits kraft Unionsrecht besteht und nicht von der Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis abhängig ist.

1. Nach summarischer Prüfung ist der Kläger, nigrischer Staatsangehöriger und damit nicht Unionsbürger der EU, nicht "freizügigkeitsberechtigter Familienangehöriger" im Sinne der genannten Vorschrift. Er kann als - nicht mit einer Unionsbürgerin verheirateter – Drittstaatsangehöriger ein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger allein gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU von seinem Kind, das die polnische Staatsangehörigkeit besitzt und nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sein dürfte, ableiten. Wie aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU hervorgeht, müssten dafür in seiner Person die Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU erfüllt sein. Dies ist jedoch nicht ersichtlich, denn angesichts des Alter seines Kindes ist nichts dafür erkennbar, dass sein Kind ihm, wie es die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU voraussetzt, Unterhalt gewährt. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass er über ausreichenden Krankenversicherungsschutz im Sinne von § 4 FreizügG/EU verfügt. Gleichermaßen hat er nicht nachgewiesen, dass er über ausreichende Existenzmittel im Sinne von § 4 FreizügG/EU verfügt. Aus der von ihm eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geht hervor, dass er weder Einnahmen erzielt noch auf Vermögen zurückgreifen kann.

2. Etwas anderes folgt auch nicht aus sekundärem Unionsrecht bzw. der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ("Unionsbürgerrichtlinie") knüpft in Art. 2 Ziff. 2d) für den Begriff des "Familienangehörigen" bei Verwandten in gerade aufsteigender Linie gleichermaßen daran an, dass diesem von dem Unionsbürger Unterhalt gewährt wird. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass sich die Eigenschaft des Familienangehörigen, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger "Unterhalt gewährt", aus einer tatsächlichen Situation ergibt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird, so dass sich bei Vorliegen der umgekehrten Situation, in der dem Aufenthaltsberechtigten vom Staatsangehörigen eines Drittstaats Unterhalt gewährt wird, der Drittstaatsangehörige sich nicht auf die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem der Aufenthaltsberechtigte "Unterhalt gewährt", im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG berufen kann, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Mitgliedstaat zu gelangen (vgl. EuGH, Urt. v. 8.11.2012, C-40/11, "Yoshikazu Lida", Juris mit Verweis auf das Urteil vom 19.10.2004, C-200/02, "Zhu und Chen", Juris). [...]