Verhältnismäßigkeitsgründe verbieten es, allein mit Rücksicht auf ungünstige Einkommensverhältnisse und die daraus möglicherweise folgende Uneinbringlichkeit eines Zwangsgeldes sogleich unmittelbaren Zwang anzudrohen.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Die Beschwerde meint zunächst, die Androhung eines Zwangsgeldes gegenüber dem Antragsteller sei gemäßf § 12 VwVG untunlich. Untunlich ist ein Zwangsmittel, wenn es vornherein nicht in Betracht kommt und seine Androhung deshalb rechtswidrig wäre (vgl. Sadler, VwVG, 8. Aufl. 2011, § 11 Rn. 13). Darauf zielt die Beschwerde letztlich nicht ab. Sie meint vielmehr, wie von ihr auf Seite 2 unten der Beschwerdebegründung zum Ausdruck gebracht, das Zwangsgeld führe nicht zum Ziel.
Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben, wenn das Zwangsgeld in der Vergangenheit versagt hat oder seine Erfolglosigkeit von vornherein offenkundig ist (vgl. Sadler, a.a.O., § 12 Rn. 26 f.). Auf derartige Umstände beruft sich die Beschwerde mit dem Vorbringen, der Antragsteller habe laut einem Bericht vom 8. Juni 2012 Leistungen nach dem SGB II bezogen und sei im Umfang von 8.000 Euro verschuldet (gewesen). Derzeit sei er nicht erwerbstätig. Es sei davon auszugehen, dass er weiterhin öffentliche Leistungen beziehe und seine Schulden nicht abgebaut habe. Damit macht die Beschwerde sinngemäß geltend, der Antragsteller werde das Zwangsgeld nicht bezahlen (können), eine Beitreibung wegen seiner ungünstigen Einkommensverhältnisse nicht möglich sein. Der Antragsteller hat seinerseits im Beschwerdeverfahren eingeräumt, (weiterhin) Leistungen nach dem SGB II zu beziehen.
Die vorgenannten Umstände lassen die Erfolglosigkeit des Zwangsgeldes indes zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht offenkundig werden.
Die Eignung des Zwangsgeldes zur Beugung des Willens des Pflichtigen wird durch die Möglichkeit der Beitreibung nicht zwangsläufig begründet. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich der Pflichtige auch dann unter der Androhung von Zwangsgeld zu der Handlung entschließt, wenn die Beitreibbarkeit des Zwangsgeldes zweifelhaft erscheint. Der Sinn des Zwangsmittels besteht ohnehin nicht in der Durchführung der Verwaltungsvollstreckung, sondern in der freiwilligen Vornahme der geforderten Handlung (vgl. Engelhardt/App, VwVG, 9. Aufl., 2011, § 11 Rn. 7).
Im Übrigen stünde es der Verwaltung andernfalls frei, gegenüber Beziehern öffentlicher Leistungen oder weitergehend jeglichen Pflichtigen, deren Einkommen die Pfändungsgrenzen voraussichtlich nicht überschreiten wird, statt eines Zwangsgeldes sogleich unmittelbaren Zwang (§ 14 VwVG) anzudrohen und durchzuführen. Eine derartige Vorgehensweise würde der Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 1965 - OVG I L 13.64 -, OVGE 8, 87) nicht gerecht, der die Prüfung der Umstände des Einzelfalls umso mehr erfordert, als der unmittelbare Zwang seinerseits in Grundrechte eingreift (vgl. Sadler, a.a.O., § 12 Rn. 44).
Soweit die Beschwerde die Kommentierung von Engelhardt/App (a.a.O., § 12 Rn. 9) zitiert, berücksichtigt sie den Zusammenhang der dortigen Äußerung nicht hinreichend. Die Kommentierung ist nicht schlechthin der Auffassung, unmittelbarer Zwang könne schon dann eingesetzt werden, wenn er im konkreten Fall (nur) wirksamer gegenüber der - ansonsten Erfolg versprechenden - Festsetzung eines Zwangsgeldes sei. Im Gegenteil wird betont (a.a.O., Rn. 8), die Entscheidung des Gesetzgebers, der unmittelbare Zwang solle erst an letzter Stelle der Zwangsmittel stehen, dürfe nicht durch eine weitherzige Auslegung des § 12 VwVG unterlaufen werden. Ferner erwähnt die Kommentierung (a.a.O., Rn. 10) als Anwendungsfall des § 12 VwVG unmittelbar drohende Gefahren für bedeutende Rechtsgüter. Dass in Bezug auf den Antragsteller eine derartige Situation vorliege, ist nicht erkennbar.
Zugunsten der Androhung unmittelbaren Zwangs lässt sich ferner nicht anführen, die bei späterer Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes mögliche Ersatzzwangshaft (§ 16 VwVG) werde den Pflichtigen stärker belasten als der unmittelbare Zwang. Zwar hängt die Ersatzzwangshaft von der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes ab. Damit ist aber nur gesagt, unter welchen Voraussetzungen sie (überhaupt) angeordnet werden kann, nicht jedoch, dass sie in jedem Fall als Folge der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes zulässig sein wird (vgl. OVG Berlin, a.a.O.). Dies ist vielmehr einer gesonderten Prüfung vorbehalten. Hieran ändert sich nichts durch den Hinweis von Sadler (a.a.O., § 11 Rn. 25), die Frage der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts sowie der Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes sei im Haftverfahren nicht mehr von Bedeutung.
Nach alledem ist nicht von vornherein offenkundig, der Antragsteller werde unter dem Druck einer Zwangsgeldandrohung weder die geforderte Handlung vornehmen noch das Zwangsgeld zahlen, dessen Rahmen gemäß § 11 Abs. 3 VwVG bereits bei 1,53 Euro beginnt. Eine eidesstattliche Versicherung hat er jedenfalls nicht abgegeben. Soweit der Tätigkeitsbericht der Berliner Polizei vom 9. August 2012 vermerkt, er habe sich geweigert, die Pflichten nach § 48 AufenthG durch Herausgabe seines Passes zu erfüllen, und mehrfach bekundet, er werde den Pass behalten, nachdem ihm mitgeteilt worden sei, der Pass solle aufgrund eines Amtshilfeersuchens der Berliner Ausländerbehörde sichergestellt werden, liegt der Vorgang ein Jahr zurück. Zudem wurde dem Antragsteller seinerzeit kein Beugemittel angedroht und die Polizeibeamten wollten den Pass unangekündigt sicherstellen. Immerhin hatte der Antragsteller sie ausweislich des Tätigkeitsberichts in seine Wohnung gebeten und ihnen am Ende des Gesprächs mitgeteilt, sie mögen sich an seinen von ihm namentlich benannten Rechtsanwalt wenden. [...]