LSG Hessen

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Zitieren als:
LSG Hessen, Urteil vom 20.09.2013 - L 7 AS 474/13 - asyl.net: M21197
https://www.asyl.net/rsdb/M21197
Leitsatz:

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II findet auf einen griechischen Unionsbürger keine Anwendung, da es mit der VO (EG) 883/2004 kollidiert. Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 i.V.m. Art. 70 EGV 883/2004 schließt eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aus. Es gebietet, die sozialrechtlich geschuldete Leistung einem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie dem Staatsangehörigen des zuständigen Staates.

Schlagwörter: Leistungsausschluss, Unionsbürger, allgemeiner Gleichheitssatz, Gleichbehandlungsgebot, Gleichheitsgrundsatz, Sozialleistungen, SGB II, Ungleichbehandlung, griechische Staatsangehörige, Griechenland,
Normen: FreizügG/EU § 2 Abs. 3 S. 2, SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, VO 883/2004 Art. 4, VO 883/2004 Art. 70,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung des Beklagten findet beim Kläger der Ausschluss von der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II keine Anwendung, obgleich sich der Kläger nicht auf den Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU berufen kann, schon weil im maßgeblichen Leistungszeitraum die Frist des nachwirkenden Arbeitnehmerstatus von sechs Monaten bei nur weniger als einem Jahr Beschäftigung bereits verstrichen war. Zutreffend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 12. Februar 2013 – L 7 AS 786/12 B ER) ausgeführt, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger wie den Kläger schon deshalb keine Anwendung findet, weil er mit der VO (EG) 883/2004 kollidiert. Wie der erkennende Senat bereits in seinem veröffentlichten Beschluss vom 18. Dezember 2012 (L 7 AS 624/12 B ER) zu dem insoweit vergleichbaren Fall eines Unionsbürgers mit rumänischer Staatsangehörigkeit ausgeführt hat, schließt das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 i.V.m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aus. Es gebietet, die sozialrechtlich geschuldete Leistung einem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates unter denselben Voraussetzungen zu gewähren, wie dem Staatsangehörigen des zuständigen Staates (nach Juris Rn. 12). Dabei geht der erkennende Senat auch weiterhin davon aus, dass die Leistungen nach dem SGB II den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollen und damit keine Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 EG darstellen und insoweit auch keine Differenzierung zwischen den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts möglich ist (so auch zutreffend: Spellbrink/G. B. in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 7 Rn. 55, 56 m.w.N.). Sonstige Ausschlussgründe nach § 7 S. 2 SGB II liegen ebenfalls nicht vor. Im Übrigen nimmt der erkennende Senat insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheides vom 19. Juni 2013 ergänzend Bezug und sieht insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). [...]