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AG Nürnberg

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Zitieren als:
AG Nürnberg, Beschluss vom 08.10.2013 - UR III 151/12 - asyl.net: M21219
https://www.asyl.net/rsdb/M21219
Leitsatz:

Einem nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK ausgestellten Flüchtlingsausweis kommt die gleiche Identifikationsfunktion und -wirkung zu wie einem deutschen Reisepass.

Schlagwörter: Nachbeurkundung, Identität, Identitätsnachweis, Einbürgerung, Ausschlussgrund, Einbürgerungsvoraussetzung, Flüchtlingsausweis, Reiseausweis für Flüchtlinge, Identifikationsfunktion, öffentliche Urkunde, Identitätsfeststellung,
Normen: PStG § 34 Abs. 1, PStG § 9, StAG § 10, StAG § 11, GFK Art. 28 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Identität der Eheschließenden steht zur Überzeugung des Gerichts fest.

a) Beurkundungsgrundlagen sind gemäß § 9 PStG grundsätzlich die dort genannten Vorgänge. Genannt werden in § 9 Abs. 1 PStG als Grund für eine Eintragung in ein Personenstandsregister für das Standesamt Anzeigen, Erklärungen, Mitteilungen und eigene Ermittlungen des Standesamts sowie Einträge in andere Personenstandsregistern, Personenstandsurkunden oder sonstige öffentliche Urkunden. Daneben gibt es noch die Möglichkeit des § 9 Abs. 2 PStG. Eine weitere Möglichkeit ist die Anordnung durch ein Gericht gemäß § 9 Abs. 1 PStG i.V.m. §§ 48, 49 PStG.

Daraus ergibt sich, dass das Gericht nicht ausschließlich an die Eintragungsgrundlagen gebunden ist, die den Standesämtern zur Verfügung stehen. Die Möglichkeiten des Gerichts, insbesondere zur Beweisermittlung und Überzeugungsbildung, Eintragungsgrundlagen zu schaffen, sind weitergehend als die sonstigen Eintragungsgrundlagen gemäß § 9 Abs. 1 PStG, da auf das gerichtliche Verfahren gemäß § 51 Abs. 1 PStG die Vorschriften des FamFG anzuwenden sind. Es gelten somit beispielsweise die Vorschriften zur Beweiserhebung, §§ 29, 30 FamFG sowie die Vorschrift des § 37 FamFG, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Dabei hat das Gericht jedoch die Beweiskraft der Personenstandsregister/Urkunden gemäß § 54 PStG zu berücksichtigen, so dass an die Beweisnotwendigkeit nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden dürfen.

b) Nach diesen Kriterien steht vorliegend zur Überzeugung des Gerichts die Identität der Eheschließenden ausreichend fest.

aa) Die Betroffenen haben beide Geburtsurkunden aus ihrem Heimatland vorgelegt. Das Standesamt zweifelt zwar im Hinblick auf eine Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an der Echtheit. Aus der Auskunft ergibt sich aber, dass die übersandten Geburtsurkunden wegen der großen Entfernung zwischen dem Sitz der Botschaft und dem Ausstellungsort leider nicht geprüft werden konnten. Dies bedeutet, dass eine ernsthafte und sichere Überprüfung der Geburtsurkunden eben nicht stattfand. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland äußert letztendlich lediglich eine Vermutung, dass die Urkunden nicht echt seien. Diese Vermutung ist wenig aussagekräftig und reicht deshalb in Verbindung mit den vorgelegten, im folgenden genannten Personaldokumenten nicht aus, um ernsthafte Zweifel an der Identität zu rechtfertigen.

bb) Die Betroffene ... hat zwischenzeitlich ihren myanmarischen Personalausweis im Original vorgelegt. Die dortigen Angaben stimmen mit der vorgelegten Geburtsurkunde überein. Ernsthafte Zweifel an dem vorgelegten Personaldokument sind nicht ersichtlich.

cc) Hinsichtlich des Mannes ist seine Identität durch den vorgelegten Personalausweises nachgewiesen.

In Personenstandsverfahren werden in der Regel, auch durch die Standesämter, ausländische Personaldokumente als Identitätsnachweis anerkannt. Es ist kein ersichtlicher Grund vorhanden, warum deutsche wirksame Personaldokumente wie ein Reisepass oder ein Personalausweis die Identität einer Person geringere Nachweisfunktion als ausländische Personaldokumente haben sollten. Es würde eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung darstellen, wenn ausländische Personaldokumente als Identitätsnachweis ausreichen, während deutsche Personaldokumente dies nicht tun.

Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, welche Grundlagen ursprünglich für die Ausstellung der Personaldokumente entscheidend waren. Der Betroffene wurde unter dieser Identität in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert und hat einen Personalausweis erhalten. Bereits bei der Einbürgerung ist aber "die Klärung offener Identitätsfragen notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in §§ 10 und 11 StAG genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe" (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.09.2011, C 27.10). Es ist daher davon auszugehen, dass mit der Einbürgerung Identitätsfragen auch abschließend geklärt sind. Diesbezüglich ist insoweit ein Gleichlauf der Verwaltung zu gewährleisten.

In mehreren Urteilen verschiedener Obergerichte und auch des Bundesverfassungsgerichts wurde festgestellt, dass durch das allgemeine Persönlichkeitsrechts auch der Name eines Menschen nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal, sondern als Ausdruck seiner Identität und Individualität zu schützen sei (vgl. u.a. Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen 97, 391). Auch wenn die Einbürgerung erst im Jahr 2010 stattfand, ist festzuhalten, dass der Betroffene mit seinem Namen und seinen sonstigen Personendaten eingebürgert wurde und dieser Name ihm seine Identität und Individualität gewährleistet. Ein Widerspruch dahin, dass sowohl bei der Einbürgerung wie bei der Ausstellung von Personaldokumenten die Identität als ausreichend geklärt angesehen wird, im Personenstandsverfahren dies aber angezweifelt wird, ist auch unter dem Gesichtspunkt der Richtigkeit und Beweiskraft des Personenstandsregister hier nicht hinnehmbar. Deshalb kann auch dahinstehen, auf welchen Grundlagen im Einzelnen das Einbürgerungsverfahren bzw. Personalausweisverfahren stattfand bzw. die Identitätsprüfung beruhte.

Soweit das Standesamt im Hinblick auf den Personalausweis des Ehemannes vorträgt, dass für die Einbürgerung nur ein Passersatz für Flüchtlinge mit dem Zusatz vorlag, dass die Personalangaben auf eigene Angaben des Ausweisinhabers beruhen und eine notarielle Versicherung an Eides Statt vorgelegt wurde, ist darüber hinaus auf ein Urteil des OLG Hamm vom 06.03.2008, Az.: 15 W 367/07 zu verweisen. Danach ist schon die Reichweite der Legitimationswirkung eines ausgestellten Flüchtlingsausweises nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) zu beachten. Dem danach ausgestellten Reiseausweis kommt schon eine Identifikationsfunktion zu. Diese entspricht einem deutschen Reisepass. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, NVwZ 2004, 1250 ermöglicht ein solcher nach § 18 Abs. 1 Passgesetz als öffentliche Urkunde den - widerlegbaren - Nachweis, dass ein Inhaber die in ihm genannte, beschriebene und abgebildete Person ist und die im Pass enthaltenen Angaben mit den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Inhabers übereinstimmen. Die Legitimationsfunktion des Flüchtlingsausweises steht dem deutschen Reisepass gleich.

Dies bedeutet, dass die Frage der Grundlage eines Identitätsausweises letztendlich nicht grundsätzlich eine entscheidende Rolle spielt. Nach den genannten Entscheidungen steht jedenfalls der Legitimationsführung nicht entgegen, dass die in seinem Ausweis enthaltenen Angaben zu den Personalien lediglich auf seinen Angaben beruhen (vgl. auch Amtsgericht Nürnberg, Beschluss vom 25.02.2009 UR III 18109).

In diesem Zusammenhang darf das Gericht auch auf verschiedene weitere Urteile verweisen:

So hat beispielsweise das OLG Frankfurt/Main in seinem Beschluss vom 01.09.2005, Az.: 20 W 160/05 entschieden, dass bei der Anmeldung zur Eheschließung der Standesbeamte in der Regel zum Nachweis der Identität und der Staatsangehörigkeit die Vorlage eines gültigen und mit einem Lichtbild versehenen Ausweisdokumentes verlangen kann. Im Weiteren wird ausgeführt: "Der Identitätsnachweis hat grundsätzlich durch ein gültiges und mit einem Lichtbild versehenen Ausweisdokument, in der Regel also durch einen Personalausweis oder Reisepass, zu erfolgen".

So fordert § 12 PStG bei der Anmeldung der Eheschließung den Nachweis des Personenstands durch öffentliche Urkunden. Ausdrücklich nicht gefordert wird, dass dieser Nachweis nur durch Personenstandsurkunden geführt werden kann, auch wenn gerade Personenstandsurkunden mit der besonderen Beweiskraft des § 54 PStG ausgestattet sind.

Daneben dient der Personalausweis gemäß § 1 PStG dazu, dass Deutsche sich gegenüber einer zur Feststellung der Identität berechtigten Behörde ausweisen können. [...]